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Jede_r von uns hat eigene Bilder über angeblich typisch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen im Kopf. Diese inneren Bilder sind geprägt durch das eigene Umfeld, in dem Mann/Frau aufgewachsen und sozialisiert sind und welche persönlichen Erfahrungen sie selbst gemacht haben.

Da Geschlechterrollen bereits in der frühesten Kindheit in uns angelegt und geprägt werden ist der direkte Zugang zu den vorhandenen Haltungen, Einstellungen und Erwartungen an das eigene, aber auch das jeweils andere Geschlecht oft unbewusst. Was die Auseinandersetzung und Reflexionsarbeit mit diesen nicht gerade erleichtert.

Womit beschäftigen wir uns als Berater_innen nun innerhalb dieses Teilaspekts der Diversity? Wer Mann ist bleibt doch Mann und wer Frau ist bleibt Frau – eigentlich ein unveränderbarer Unterschied.

„Also bitte, das ist bei uns ja wohl wirklich kein Thema!“ In vielen Beratungen erleben wir, dass die Unterscheidung Männer:Frauen in Teams und Organisationen als „für unsere Arbeit nicht relevant“ herabgespielt wird. Doch der biologische Unterschied ist eine der größten Thematiken in jedem Team, jeder Organisation, in jeder Gesellschaft.

Wir decken mit gezielten Fragestellungen die bestehenden Sichtweisen, die die Hintergründe zu vorhandenen Strukturen (Bsp. Frauenanteil in Führungspositionen, Gehaltsunterschiede, Mutterschutz und Karenz…) und Verhaltensweisen (Prozesse, Kommunikation, Dynamiken…) bilden, auf und machen diese bewusst. Sehr oft begegnen wir dabei tradierten Mustern, deren zu Grunde liegende Basis längst nicht mehr zeitgemäß ist.

Damit ist bereits ein großer Schritt getan. Nicht immer muss zwangsläufig gleich auch noch etwas verändert werden, denn die Achtsamkeit jenes Unternehmens, das offen über das Geschlechterthema nachdenkt, hat sich in diesem Moment bereits verändert. Doch was steht hinter tradierten Mustern, an denen all zu oft vehement festgehalten wird? Nach Fritz Riemann ist es unbewusste Angst. Die Angst vor Veränderung.

Riemann beschreibt in seiner tiefenpsychologischen Studie über die Angst (https://www.weltbild.at/artikel/buch/grundformen-der-angst_18895392-1?origin=pla&wea=6883764&gclid=Cj0KEQjwqNiwBRDnq93MioaqtKQBEiQAb7Ezn95HwldvFgMdDBf076ZC3AXZDa94kcS9plAM3qto46IaAtUs8P8HAQ)

auf eindrucksvolle Weise, wie wir unser geschlechtsspezifisches Verhalten entwickeln und welche Ängste damit verbunden sind. Gelingt es nicht, zentrale Basiskonflikte wie z.B. die Angst vor Veränderung in angemessener Weise intrapsychisch zu bewältigen, hat das massive Auswirkungen auf unser Denken und Verhalten als Mensch. Und damit auch als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter.

Die Art und Weise, wie mit solchen Basiskonflikten (-ängsten) umgegangen wird, wird zu einem großen Teil auch von der Gesellschaft und ihren aktuellen Dogmen mitgeprägt.

Ein Beispiel:

Jahrhunderte lang herrschte innerhalb unseres mitteleuropäischen Kulturkreises das Patriarchat als Standardstruktur für Familie und Gesellschaft. Der Mann hatte das Sagen, daheim und im Beruf. Diese Struktur definierte klare, aber starre Rollenbilder und Aufgaben, die Männern und Frauen in der Gesellschaft zugeteilt wurden. Die Männer hatten dabei alle Rechte, die Frauen waren von den meisten Privilegien ausgeschlossen. Die Do´s and Don´ts von Männern und Frauen waren zu Ungunsten der Frauen normiert und geregelt. Wer sich nicht fügen wollte oder konnte, bekam große Schwierigkeiten.

Durch die Selbststeuerungskräfte, die jedem sozialen System innwohnen, fanden (einige) Frauen mit der Zeit einen extremen, aber effizienten Ausweg, der Überregulierung, und Reduktion auf Mutterschaft und Kindererziehung zu entfliehen. Sie wurden sprunghaft emotional und unberechenbar in Ihrem Verhalten. Mit diesem Verhalten wussten die zwanghaft agierenden Männer nicht umzugehen und die Frauen hatten eine wunderbare „Ausrede“, sich nicht mehr in die starren Strukturen einfinden zu müssen: Sie waren anscheinend krankhaft verändert, eben hysterisch und konnten sich ja gar nicht mehr an Regeln halten.

Dies brachte ein weit verbreitetes (männliches) Bild über „die Frauen“ und ihre vermeintliche Irrationalität. Kein Mann machte sich zu jener Zeit die Mühe den Ursachen des hysterischen Verhaltens auf den Grund zu gehen. Das hätte ja bedeutet, gewohnte und tradierte (zwanghafte) männliche Verhaltensweisen reflektieren und überdenken zu müssen.

Doch was bitteschön bringen uns diese fast 50 Jahre alten Sichtweisen und die daraus abgeleiteten Verhaltensmuster heute noch weiter?


  • Die Erkenntnis, dass unsere Rollenbilder nicht biologisch determiniert sondern selbst gewählt sind!

  • Das bedeutet, dass wir können uns emanzipieren und veraltete Bilder und Zuschreibungen ablegen können.

Wir könnten sofort aus bestehenden Denkmustern aussteigen, wenn der innere Schweinehund in Form der Trägheit nicht zäh wie jahrhundertealter Staub an uns haften würde. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen, denn bei Emanzipation geht es um die Erlangung von Selbstständigkeit und Freiheit durch die Befreiung aus Unmündigkeit, steifen Traditionen, gesellschaftlichen Normen und vorgegebener Weltanschauung. Dieses Bild hat nichts mit jenen galoppierenden Amazonen oder rachsüchtigen Walküren zu tun, an die viele immer noch beim Wort „Emanzipation“ denken. Im Gegenteil, Emanzipation betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Bloß dass über männliche Emanzipation weniger gesprochen oder geschrieben wird.

Einzelne Menschen haben es trotz hoher Motivation naturgemäß schwer, Veränderungen innerhalb ihres Teams, innerhalb einer Organisation oder in der Gesellschaft zu erreichen. Daher ist es umso bemerkenswerter, wenn eine Gruppe sich über ihren Umgang mit den Geschlechterrollten Gedanken macht und eigene, von allen akzeptierte (wie „faire“) Ideen und Verhaltensweisen entwickelt und auf sich selbst anwendet. Dass das trotzdem nicht von heute auf morgen geschieht ist nachvollziehbar, denn tradierte Denk- und Handlungsmuster sind hartnäckig, bieten sie doch auch (vermeintliche) Sicherheit.

In jedem Fall bedeutet selbstverantwortliches und freies Mann-Sein und Frau-Sein mehr als nur die durch die Gesellschaft vordefinierte Stereotypen. Viele Rollen können gleichermaßen von Männern als auch Frauen ausgeübt werden. Mit ziemlicher Sicherheit ist im Berufsleben nicht erkennbar, was typisch männliches oder typisch weibliches Verhalten ist.

Was aber nun typisch weibliches (z.B. sich um andere kümmernd) oder männliches Verhalten (analytisch und rational denkend) darstellt können wir aus unserer Erfahrung mit hunderten Teams und Führungskräftecoachings nicht ableiten.

Vieles geschieht über Zuschreibung (ah, das war ja wieder mal typisch Mann oder „Weiberhaufen…“), und dann wird gemäß des Prinzips der selektiven Wahrnehmung genau jenes Verhalten am jeweiligen Geschlecht „erkannt“, was für es so typisch sein sollte. Wäre dem so, dann wären Frauen tatsächlich die besten Krankenschwestern, Kellnerinnen…. und Männer die besten Vorstandsvorsitzenden. Ein Blick auf die Geschlechtsverteilung in gescheiterten Unternehmen oder Krisen der aktuellen Geschichte zeigt, dass das nicht stimmt.

Auch das Bild der überdurchschnittlich hart agierenden Konzernchefin haben wir in unserer Beratungspraxis nicht erlebt. Solches Verhalten ist, wenn überhaupt, gekennzeichnet durch Zuschreibungen der (zumeist männlichen) Umwelt, in der sich Frauen in hoher Führungsposition befinden.

Auffallend ist lediglich, dass homogene Gruppen (z.B. Pflegeteams, die ausschließlich weiblich besetzt sind oder Vorstandsetagen, die ausschließlich aus Männern bestehen) anders agieren als heterogen durchmischte. Also macht es anscheinend doch einen Unterschied, wie ein Team zusammengesetzt ist. Auch wenn das viele wie oben erwähnt nicht glauben möchten.

Männliche und weibliche Kompetenzen und Problemlösungsstrategien mögen vielleicht unterschiedlich sein, aber welche „Seite“ bei einem Menschen die Oberhand hat ist unabhängig von dessen Geschlecht. Jeder Mensch trägt bekanntlich beide Seiten in sich, sowohl männliche als auch weibliche.

Dass Ratio und Emotion zusammengehören und eine biologisch dynamische Einheit bilden ist durch die Gehirnforschung längst erwiesen.

Dass Frauen die Kinder bekommen ist auch unveränderbar.

Aber wer sagt denn, dass alle Frauen mittleren Alters schwanger werden? Und wer sagt denn, dass die Karenzzeit nicht auch sinnvoll für das Unternehmen genutzt werden kann? Und wer sagt denn, dass die Katastrophe ausbricht, wenn es eben doch so ist? Und wer sagt denn, dass Väter nicht auch gern in Karenz gehen wollen? Viele trauen sich gar nicht zu fragen, schon gar nicht, wenn sie in gehobenen Führungspositionen tätig sind. Komisch eigentlich, oder? Fürchten sich dann Männer vor dem Urteil anderer Männer?

Und: Wer bitteschön sagt, dass weibliche Arbeit weniger „wert“ ist? Leider immer noch viel zu oft gelebte Praxis. . Das wäre allerdings leicht zu ändern Sofort!

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Beraterkreis
Reinhard Krechler, MSc ist Inhaber und Geschäftsführer von Beraterkreis und systemischer Coach, Organisationsberater und Trainer.Namhafte Unternehmen wie z.B. A1, Vinzenzgruppe und Kinder in Wien vertrauen bei Leadership Development, Team- und Organisationsentwicklung in die Kompetenz des Beraterkreises.Als Trainer deckt Reinhard Krechler die Themen Kommunikation, Leadership skills, Moderations- und Changemanagement ab.