Fintechs setzen Banken unter Druck und fordern diese heraus
Bargeldloses Bezahlen nimmt in Österreich im internationalen Vergleich nur gering zu. Das zeigt der Report Global Payments 2017 – Deepening the Customer Relationship der Boston Consulting Group (BCG). Zwischen 2010 und 2016 wuchsen die bargeldlosen Zahlungen in Österreich jährlich nur um 8,2 Prozent der Transaktionen pro Kopf. Damit gehört Österreich im Ländervergleich zu den Nachzüglern im bargeldlosen Zahlungsverkehr – ebenso wie Portugal (9,8 Prozent), Deutschland (7 Prozent), Italien (4,5 Prozent) und Spanien (2,1 Prozent).
Die Studie zeigt: Die Kluft zwischen den Ländern, die im bargeldlosen Bezahlen weit vorangeschritten sind, und denen, die hinterherhinken, wird immer größer. „Österreichs Banken haben gute Voraussetzungen, um im Zahlungsverkehrsgeschäft erfolgreich zu sein. Sie müssen jedoch schnellere und einfachere Interaktionsmöglichkeiten mit den Kunden entwickeln. Hier sind ihnen die Fintechs teilweise deutlich überlegen. So greifen die Fintechs mit innovativen Lösungen in profitable Geschäftsfelder der Banken ein“, warnt Lukas Haider, BCG-Partner und Experte für Finanzdienstleister.
Weltweite Verschiebung im Zahlungsverkehr
Die Studie prognostiziert im gesamten Zahlungsverkehr einen Anstieg des weltweiten Umsatzes um 900 Milliarden US-Dollar bis 2026. Ursache dafür ist, dass die Schwellenmärkte weiter wachsen und bargeldlose Transaktionen sich immer stärker verbreiten. Spitzenreiter beim bargeldlosen Bezahlen sind die USA, Australien und Großbritannien. Sie nutzen immer mehr kontaktlose Bezahlkarten. In Indien wird im Jahr 2022 bargeldloses Zahlen das klassische bereits überholt haben. In Europa sind die skandinavischen Länder Norwegen, Finnland und Schweden in der Spitzengruppe. „In Skandinavien, den USA und Australien gehören bargeldlose Zahlungen deutlich stärker zum Alltag als etwa in Österreich oder Deutschland. Teilweise wird in Skandinavien gar kein Bargeld mehr als Zahlung akzeptiert“, so Haider.
Österreicher sind „Cash- Loyalisten“
BCG prognostiziert für Österreich ein Wachstum der bargeldlosen Transaktionen von 3 bis 4 Prozent bis 2026, vor allem bedingt durch den vermehrten Einsatz von Karten und bargeldlosen Verkaufsterminals. Dennoch zeigt sich im Ländervergleich eine vergleichsweise große Zurückhaltung, die sich unter anderem auf infrastrukturelle Probleme im Zahlungsverkehr zurückführen lässt. Es gibt nicht ausreichend bargeldlose Bezahlmöglichkeiten und etablierte Anbieter von mobilen Zahlungslösungen. Insbesondere für kleinere Beträge wird teilweise hierzulande noch ausschließlich Bargeld akzeptiert und eine Kartenzahlung verwehrt. Restaurantbesuche und Lebensmittel werden mehr als doppelt so oft bar bezahlt wie im europäischen Durchschnitt. Hinzu kommt, dass viele Verbraucher Sicherheitsbedenken gegenüber bargeldlosen Zahlungsalternativen – auch beim Thema Datenschutz – hegen.
Österreichs Banken müssen umdenken
Die Rolle der Banken als Hauptschnittstelle bei Bezahlungen ist in Gefahr. Fintechs setzen das Geschäft der Banken verstärkt unter Druck. Bisher haben die Banken nur zögerlich agiert. Sie sollten schneller und strategischer auf die neuen Herausforderungen und Bedürfnisse im Zahlungsverkehr reagieren und ihre Angebote überdenken und weiterentwickeln. Dabei sollten sie in den Augen der BCG-Experten in vier Schritten vorgehen: die Kundenschnittstelle neu gestalten; zusammenarbeiten, um die Herausforderung des „digitalen Geldbeutels“ anzugehen; bessere Anwendungsprogrammierungen entwickeln sowie ihre Marketingaktivitäten personalisieren. Der Zahlungsverkehr wird immer eine tragende Rolle in der Interaktion mit Kunden spielen. „Banken können es sich schlicht nicht erlauben, den Anschluss zu verlieren und als Beobachter das Feld anderen zu überlassen. Entschiedenes Handeln ist mehr denn je gefragt“, sagt Lukas Haider.
The Boston Consulting Group (BCG) ist eine internationale Management-beratung und weltweit führend auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschäftsmodell an neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und das Geschäftsergebnis dauerhaft zu verbessern. BCG wurde 1963 von Bruce D. Henderson gegründet und ist heute an 90 Standorten in 50 Ländern vertreten. Das Unternehmen befindet sich im alleinigen Besitz seiner Geschäftsführer. Weltweit erwirtschaftete BCG im Jahr 2016 mit 14.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 5,6 Milliarden US-Dollar.
Quelle: BCG – APA Ots