NEU: Teil 2 zum „Sprech- & Infofasten“: Wie es funktioniert und was es auch mit Humor zu tun hat, erklärt Zeitforscher & Temposoph Dr. Schweifer in seiner Kolumne „ZeitenBlicke“. Viel Vergnügen. 🙂
Achtung – Sprech- & Infofasten! (2)
Hallo – ist da wer? Hier Teil 2 des Plädoyers für kluges „Sprech- & Infofasten“. Mit einem Exkurs in die Praxis, der nicht die Zunge wetzen, sondern den Blick schärfen soll. Ergänzt durch einen Kurzausflug in Erheiterndes. Denn Fasten muss ja keine bierernste Sache sein.
Was unter Sprech- & Info-Fasten (kurz S&I-Fasten) genauer gemeint sein kann, ist in Teil 1 nachzulesen. Oder auch, wie sogenannte VIPs im Zeitalter der Wort- & Sprechdurchfälle noch heißen könnten. Augenzwinkernd. Ebenso, was den Anstoß für dieses Plädoyer gab – und wie vielsagend es sein kann, nichts mehr zu sagen. Jetzt aber schnurstracks in die Praxis.
Den Blick schärfen, nicht die Zunge wetzen
S&I-Fasten muss ja keineswegs immer gleich ein Schweigen bedeuten. Vielmehr kann es ein selektives Pausieren, ein Hinhören und Zuhören sein. Oder auch ein In-sich-Hineinhören. Um gleichzeitig damit umso mehr herauszuhören und wahrzunehmen. „Man muss den Blick schärfen und nicht die Zunge wetzen.“ Der Satz von André Brie scheint mir eine treffende Aufforderung und Ermutigung dazu.
Zur praktischen Anregung: Hier ein symbolischer Leer-Raum. Sonst NICHTS.
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- Was bräuchte alles NICHT gesagt, gemailt, gepostet, gegoogelt, gechattet, gemessagt, gesimst, geshitstormt, geshared, geWhatsAppt, getwittert, geselfiet, gehashtagt, instragramisiert oder sonst wie hinauskommuniziert werden?
- Wo & wann würde dosiertes S&I-Fasten guttun?
- Wann & wo wäre aber doch ein umso vehementeres Sagen, Aussprechen, Nicht-Schweigen sinnvoll, ja notwendig? Und was schließe ich daraus für mein künftiges S&I-Verhalten?
Somit könnte obiger Leer-Raum auch ein Lern-Raum sein. Einer, der kluge Einsichten ermöglicht. Einer, der nicht die Zunge wetzt, sondern den Blick für Wesentliches schärft.
Vom Bierernst zur Erheiterung
Keineswegs geht es dabei um Bierernst oder Moralisieren. Eine (selbst-)ironische, humorige Note befreit von unnötiger Schwere. Zudem erinnert uns Humor an unsere eigenen Widersprüche, wie der legendäre US-Protestsänger Pete Seeger einmal meinte. In diesem Sinne: S&I-Fasten ja. Humorfasten nein.
So können manchmal selbst lästige Spam-Mails erheitern. Etwa wie die Nachricht einer gewissen Sandrina Omaru von der Elfenbeinküste. Sie hatte auf wundersame Weise mehrere Millionen Euro zu vergeben und suchte deshalb einen Vertrauenswürdigen wie mich, nämlich „ein ehrlicher und gottesfürchtige Partner in Übersee“. [sic.] Deshalb ließ sie mich in rührendem Kauderwelsch-Denglisch wissen: „Ich tief es eine Respekt und demütiger Unterwerfung, ich bitte um die folgenden Zeilen zur Kenntnisnahme angeben, ich hoffe, Sie werden einige Ihrer wertvollen Minuten Zeit um die folgenden Aufruf mit sympathischen Gedanken lesen.“ [sic.]
Sympathie ja. Aber es war wohl dennoch besser, hier nicht zu reagieren. Und auch andere Mail-Misthaufen unkommentiert vorbeiziehen zu lassen. S&I-Fasten-affin. Oder wie K. Gulnerits angesichts des überbordenden Mail- & Infomülls am Ende schreibt: „Aber eigentlich möchte ich diese Woche gar nichts mehr sagen. Es wäre angebracht.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Außer vielleicht ein Appell, sich wieder einmal Zeit für ein schlichtes Miteinander-Reden zu nehmen. Analog und in Echt. Off-line. Nicht nur zur Fastenzeit. Hallo – ist da wer?
Lust auf mehr? Alle bisherigen Ausgaben / Essays der Kolumne „ZeitenBlicke“ von Franz J. Schweifer.