In einem Forschungsbeitrag untersuchen der Darmstädter Wirtschaftswissenschaftler Professor Volker Nitsch und seine Mitautoren die Auswirkungen von Finanzsanktionen auf die Geschäftsbeziehungen deutscher Banken mit dem Ausland. Der Artikel „Freeze! Financial sanctions and bank responses“ ist mit dem Best Paper in Corporate Finance Award der Society for Financial Studies ausgezeichnet worden.
In der internationalen Diplomatie sind Wirtschaftssanktionen ein häufig verwendetes Mittel. Sie sind ein spezielles Instrument, denn sie gehen über das hinaus, was typischerweise an Interaktion zwischen Politik und Ländern stattfindet. Gleichzeitig geht die Politik aber nicht so weit und interveniert militärisch. „Sanktionen kennzeichnen sich dadurch, dass man in den Ländern, die man sanktioniert, einen Politikwechsel erreichen möchte. Dafür ist man auch bereit, negative Effekte auf sich zu nehmen. Zum Beispiel, dass Geschäftsmöglichkeiten wegfallen“, erklärt Professor Volker Nitsch vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt. Damit Sanktionen, die häufig gezielt gegen bestimmte Personen, Unternehmen oder Wirtschaftszweige eines Landes eingesetzt werden, wirksam sind, müssen diese in der Praxis auch umgesetzt und durchgesetzt werden.
Grundlage des Forschungsbeitrags „Freeze! Financial sanctions and bank responses“, den Nitsch gemeinsam mit Stefan Goldbach von der Deutschen Bundesbank und Matthias Efing von der HEC Paris verfasst hat, sind Mikrodaten, erhoben von der Deutschen Bundesbank: Alle deutschen Banken mit Auslandsaktivitäten sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Geschäftspartnern monatlich bei der Zentralbank zu melden. Dabei werden Geschäftstätigkeiten von Töchtern und Filialen im Ausland nicht den deutschen Muttergesellschaften zugerechnet, sondern getrennt ausgewiesen.
„Sämtliche Akteure müssen Transaktionen, die über einen gewissen Schwellenwert hinausgehen, an die Bundesbank melden, und wir haben – das ist das Spannende – Zugriff auf dieses Universum aller Transaktionen in anonymisierter Form“, erläutert Nitsch. „Dadurch können wir auch unterschiedliche Reaktionen beobachten, je nachdem, in welchem Land der Akteur sitzt. Und wir können feststellen, dass es einen Unterschied macht, ob die Filiale in Brüssel sitzt oder auf den Cayman Islands, wo die Überwachung schwächer ausfällt.“ Die Mikrodaten, über 2.000.000 Einzeldaten, erlauben zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Niederlassungen in Mitgliedsländern der Financial Action Task Force (FATF) und Nicht-FATF-Mitgliedsländern. Die FATF ist das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Für den Zeitraum 2002 bis 2015 zeigt der Forschungsbeitrag, dass nach Verhängung von Finanzsanktionen die Aktivitäten deutscher Banken in sanktionierten Ländern um 24 Prozent zurückgehen. Dabei reduzieren die in Deutschland ansässigen Banken ihre Auslandspositionen in sanktionierten Ländern um 38 Prozent, während Zweigstellen und Tochtergesellschaften im Ausland im Durchschnitt nicht erkennbar auf neu verhängte Sanktionen reagieren. Werden Sanktionen von der EU allein und nicht von der gesamten UN verhängt, werden zudem mehr Kredite von deutschen Niederlassungen in Ländern mit niedrigen Finanzstandards zur Verfügung gestellt als zuvor.
Mehr Informationen:
„Freeze! Financial sanctions and bank responses“ ist ein Beitrag aus einer Reihe von drei Papieren, die sich mit Finanzsanktionen beschäftigen. Im Beitrag „You’re banned! The effect of sanctions on German cross-border financial flows“ untersuchten Nitsch, Goldbach und Tibor Besedes vom Georgia Institute of Technology die Auswirkungen von Finanzsanktionen auf grenzüberschreitende Kapitalströme. In „Cheap talk? Financial sanctions and non-financial activity“ beleuchten die Experten, wie sich Finanzsanktionen auf das Senderland auswirken.
Quelle: Presseportal.de