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Industrie steht im globalen Wettbewerb mit immer ungleicheren Spielregeln

Brigitte Ederer: „Europa muss offen sein, aber seine Interessen wahren“

Beihilfe- und Wettbewerbsrecht dringend den aktuellen weltwirtschaftlichen

Bedingungen anpassen

Budget für 9. Forschungsrahmenprogramm verdoppeln und auf Schlüssel-technologien fokussieren

Österreich übernimmt in der zweiten Jahreshälfte 2018 den Vorsitz des EU-Rats. „Es ist wichtig, dass Österreich diese Chance wahrnimmt und industriepolitische Inhalte auf die Agenda setzt. In Vorbereitung auf den Ratsvorsitz erarbeitet die Elektro- und Elektronikindustrie für die neue Bundesregierung daher ein standort- und industriepolitisches Papier, das die strategische Bedeutung von Schlüsseltechnologien made in Europe unterstreicht“, erklärt FEEI-Präsidentin Brigitte Ederer.

Europas Wohlstand und internationale Wettbewerbsfähigkeit hängen maßgeblich vom Hightech-Sektor ab. Technologie spielt praktisch in jeder Branche eine entscheidende Rolle. Gerade in traditionell starken Industrien wie dem Maschinenbau oder der automotiven Industrie basieren Innovationen großteils auf Hochtechnologie wie der Mikroelektronik. „Die Produktion von Hochtechnologien hat eine hohe strategische Bedeutung. International gesehen haben aus diesem Grund viele wichtige Volkswirtschaften wie die USA, Südkorea, Taiwan, Russland und insbesondere China einen industriepolitischen Fokus auf diesen Bereich gelegt und setzen auch entsprechende Maßnahmen“, so Ederer deutlich.

Der Europäische Rat hat zuletzt ebenfalls die Wichtigkeit einer neuen Industriepolitik betont. „Auch wir in Europa müssen erkennen, dass Fortschritt nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch der politischen Rahmenbedingungen ist. Die Hersteller von Schlüsseltechnologien stehen in einem globalen Wettbewerb, bei dem immer ungleichere Spielregeln herrschen“, warnt Ederer.

Faire Spielregeln werden konkret durch das EU-Beihilferecht und EU-Wettbewerbsrecht erschwert, die lokale Wertschöpfung und Unabhängigkeit von ausländischen Technologieanbietern verhindern. Vielmehr bewirkt der Rechtsrahmen den Ausverkauf von Know-how und lokaler Wertschöpfung. „In den USA werden zum Beispiel Halbleiterfabriken mit rund einem Drittel der Investitionssumme gefördert, in Europa ist nur ein Bruchteil davon möglich. Daher müssen die Obergrenzen bei Regionalförderungen für Schlüsseltechnologien gelockert werden.“

Gleichzeitig öffnet das europäische Wettbewerbsrecht ausländischen Investoren Tür und Tor, wo europäischen Unternehmen der Zugang verwehrt wird. „Gerade in strategisch sensiblen Technologiebereichen braucht Europa ein Pouvoir, um ausländische Investitionen hinsichtlich des öffentlichen Interesses prüfen und auch entsprechend handeln zu können“, so Ederer. Denkbar ist eine Behörde, die nach Vorbild des Committee on Foreign Investments in the United States (CFIUS) Direktinvestitionen aus Drittstaaten prüft und Technologietransfer ins Ausland unterbindet.

„Ebenso notwendig ist die Ausrichtung von Forschungsmitteln auf strategisch wichtige Themenfelder. Horizon 2020 ist derzeit mit 80 Milliarden Euro ausgestattet, das nachfolgende neunte Forschungsrahmenprogramm braucht hingegen eine substanzielle Budgetaufstockung und einen starken Fokus auf Schlüsseltechnologien, um eine spürbare Weichenstellung zu erzielen“, so Ederer weiter.

„Europa muss eine offene Marktwirtschaft bleiben, aber seine Interessen wahren. Ausländische Investitionen sind willkommen und wünschenswert. Unseren Unternehmen muss jedoch umgekehrt derselbe Zugang zu ausländischen Märkten im Sinne eines konsequent angewendeten Reziprozitätsprinzips gewährt werden“, konstatiert Ederer. Der Europäische Rat forderte die Kommission jüngst explizit auf, rasch Maßnahmen zu entwickeln, die Reziprozität in den Bereichen öffentliches Beschaffungswesen und Investitionen gewährleisten.

Derzeit droht eine zunehmende Erosion von Hightech-Unternehmen in Europa. Einer Studie der renommierten Beratungsfirma A.T. Kearney zufolge werden nur noch 24 Prozent der weltweiten Umsätze im Schlüsselbereich Informations- und Kommunikationstechnologien durch europäische Unternehmen generiert, Tendenz fallend. Nur sieben der 100 global führenden Hightech-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Europa.

Vor allem an China verlieren Europas Spitzentechnologien sukzessive an Terrain. Hintergrund ist u.a. die weitreichende, industriepolitische Strategie der chinesischen Regierung mit dem richtungsweisenden Titel „Made In China 2025“. Diese sieht vor, das Land mit 1,4 Milliarden Menschen innerhalb von zehn Jahren in zehn Schlüsseltechnologiebereichen an die Weltspitze zu führen und nationale Champions hervorzubringen. Einerseits, um damit am Heimmarkt westliche Produkte durch chinesische zu ersetzen, und andererseits, um auf dem Weltmarkt zu reüssieren. Gelingen soll das unter anderem in der Industrieautomation, der automotiven Industrie, der Energietechnik, der Mikroelektronik, der Bahnindustrie und der Informations- und Kommunikationstechnologie.

2009 verabschiedete die Europäische Kommission eine Strategie, um zukunftsweisende „Key Enabling Technologies“ zu stärken. Ederer: „Wenn Europa seine Entscheidung, Schlüsseltechnologien mit hoher lokaler Wertschöpfung zu fördern, ernst nimmt, sind stärkere Signale notwendig. Die EU braucht ein Programm zum Schutz von sensiblen Technologiebereichen, zur Wahrung sicherheitspolitischer Interessen und zur Standortsicherung.“

Über den FEEI

Der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie vertritt in Österreich die Interessen des zweitgrößten Industriezweigs mit rund 300 Unternehmen, über 62.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von 15,3 Milliarden Euro (Stand 2016). Gemeinsam mit seinen Netzwerkpartnern – dazu gehören u. a. die Fachhochschule Technikum Wien, UFH, die Plattform Industrie 4.0, Forum Mobilkommunikation (FMK), der Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT) und der Verband der Bahnindustrie – ist es das oberste Ziel des FEEI, die Position der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie im weltweit geführten Standortwettbewerb zu stärken.

Quelle: APA Ots

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