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„Das war doch nur Glück!“. Was sich wie Bescheidenheit anhört, kann auch etwas ganz anderes sein, nämlich das Hochstaplersyndrom. Dieses tritt häufig in Berufsgruppen auf, in denen es um souveränes und selbstsicheres Auftreten geht. Besonders häufig sind Frauen davon betroffen.

Kennen Sie diese Situation: Sie haben ein Projekt erfolgreich abgeschlossen und nun werden Sie gelobt und beglückwünscht. Sie freuen sich zwar, haben aber das Gefühl, dass alle übertreiben und Sie doch eigentlich gar nichts Besonderes gemacht haben?

Eine angemessene Reaktion wäre: „Das habe ich verdient.“ Denn gesunder Stolz und Selbstbewusstsein sind häufig zu dünn gesät. Das Gegenteil davon ist gar nicht so selten. Im Gegensatz zu realen Hochstaplern, die z.B. ihre akademischen Grade erschwindelt, vorgetäuscht oder käuflich erworben haben, haben Menschen mit dem Hochstaplersyndrom nur das Gefühl von Hochstapelei. Ihre Erfolge und Positionen, die sie innehaben, sind formal und rechtlich korrekt, sie haben aber trotzdem das Gefühl, dass es nicht Ihre Fähigkeiten waren, die sie dort hingeführt haben. Dieses mangelnde Selbstwertgefühl ist damit gekoppelt, beruflichen Erfolg mehr dem Zufall und Glück zuzuschreiben als dem eigenen Intellekt und der eigenen Leistung.

Wunsch nach Anerkennung

Woran erkennt man Menschen, die unter dem Hochstaplersyndrom leiden? Häufig handelt es sich um beliebte, zurückhaltende Personen, die nicht gerne im Mittelpunkt stehen. Sie sind unauffällig, aber oft geht ohne sie gar nichts. Sie übernehmen gerne Herausforderungen, da sie Angst haben Liebe und Anerkennung von anderen Menschen zu verlieren. Sie haben oft die Überzeugung, Liebe nur für besondere Leistung zu erhalten. Es fällt ihnen allerdings schwer erreichte Erfolge zu genießen und zu feiern. Diese Symptome können in großer Angst und Depression gipfeln. Manchmal sind die Opfer völlig hilflos und ohne Hoffnung. Sie haben das Gefühl, nie gut genug zu sein. Diese Zweifel und Empfindungen halten sie aus Scham geheim.

Menschen, die am Hochstaplersyndrom leiden, sind nicht psychisch krank, sondern in der Regel völlig normal. Studien haben gezeigt, dass jeder Zweite Hochstaplergefühle kennt. Sehr häufig tritt das Syndrom in Berufsgruppen auf, in denen es um souveränes, selbstsicheres Auftreten geht. Das sind besonders Wissenschaftler, Führungskräfte und auch Ärzte. Außerdem hat sich gezeigt, dass Frauen nach den Ergebnissen der meisten Untersuchungen häufiger betroffen sind als Männer.

Unterschiedliche Karriereverläufe zwischen Männer und Frauen

Das Hochstaplersyndrom ist auch ein Erklärungsansatz für die unterschiedliche Entwicklung von Karriereverläufen von Frauen und Männern. Prof. Sabine Koeszegi vom Institut für Management Wissenschaften der TU Wien forscht an dieser Themenstellung. Im Rahmen des Projekts „Leaky Pipeline“ wurden Gründe dafür gesucht. Demnach fühlen sich gerade erfolgreiche Frauen in der Wissenschaft oft als Hochstaplerinnen. Sie meinen, es ist ihnen bisher gut gelungen, zu verbergen, dass sie in Wahrheit nicht gut genug für ihre Aufgabe sind. Diese Furcht hemmt sie, entsprechend selbstbewusst und energisch aufzutreten.
Psychologen führen das unter anderem auf Unterschiede in der Erziehung von Mädchen und Buben zurück. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass das Hochstapler-Phänomen sicherlich individuelle Karriereentscheidungen beeinflussen kann, aber als generelle Erklärung für unterschiedliche Karriereverläufe zu kurz greift, was in der Vergangenheit auch zu problematischen Lösungsansätzen geführt hat. Man begann Frauen auf Führungsschulungen zu schicken, damit sie selbstbewusster und aggressiver werden. Oft mit dem zweifelhaften Erfolg, dass Karriere-Barrieren für Frauen nicht aus dem Weg geräumt wurden – dafür aber Frauen, die selbstbewusst auf ihre Karriere pochten, auch noch den Ruf bekamen, für ihre Karriere alles zu opfern.

Hilfreiche Mentaltechniken

Zur Überwindung der Karriereunterschiede bedarf es einerseits eines ganzheitlichen mentalen Ansatzes und andererseits struktureller Veränderungen in den Organisationen.

Drei einfache Mentaltechniken, die beim Hochstaplersyndrom hilfreich sein können:

1) Seien Sie stolz auf Ihre Leistung. Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man geschenkt. Sagen Sie sich bei erreichten Erfolgen laut und immer wieder: “Dieses Ergebnis verdanke ich allein mir und meinen Fähigkeiten!”. Sobald Sie das wirklich glauben, sagen Sie genau diesen Satz auch zu anderen.
2) Beziehen Sie nicht alles auf sich. Nicht alles, was Sie an Kritik bekommen, hat die Ursache in Ihrer Leistung. Vielleicht hat der Kritiker gerade Ärger gehabt oder er ist mit dem linken Fuß aufgestanden.
3) Wenn Sie öfters den Gedanken haben, dass Sie bald als Hochstapler auffliegen, legen Sie sich vorab Alternativgedanken für diese Situationen zurecht, wie z. B.:
“Ich bin kompetenter als viele Kollegen.”
“Ich bin hier einer der besten Mitarbeiter.”
“Ich bin hier genau am richtigen Platz.”
Ersetzen Sie im entscheidenden Moment den störenden Gedanken durch diese Alternative.

Veranstaltungstipp

Beim 1. Wiener Kongress für mentale Stärke werden verschiedene Workshops zu Verbesserung der mentalen Fähigkeiten angeboten. Einige davon sind auch für die Thematik Hochstaplersyndrom (Beatrix Schwärzler: Die Kunst sich selbst zu lieben, Werner Schweitzer: Inner Game – Im Kopf zum Erfolg, u.a.) gut geeignet. Des Weiteren wird im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Sandra Baierl mit Prof. Sabine Koeszegi, Wolfram Pirchner und weiteren Experten wird die Auswirkung von mentalen Faktoren auf die Karriereentwicklungen von Frauen und Männern diskutiert.

Über den Autor:

Werner Schweitzer ist Unternehmensberater, Trainer und Mentalcoach

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