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Ernährung beeinflusst unsere Gehirnfunktion. Während einige Substanzen einen positiven Einfluss haben, gibt es auch zahlreiche Ernährungsfehler, die tagtäglich begangen werden. Was wir bei unseren Essgewohnheiten beachten sollten, erklärt der Neurowissenschaftler, Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato im Interview mit Weiterbildungsmarkt.at.

Weiterbildungsmarkt.at: Wie können wir sicher sein, dass die Ernährung unseren Stoffwechsel wirklich so stark beeinflusst?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Das beste Beispiel, das ich kenne ist dies:

Alle Bienen in einem Bienenstock sind identische Zwillinge – sie haben das gleiche Genom. Eine Arbeitsbiene lebt etwa fünf Wochen (28-48 Tage), während die Bienenkönigin 5 Jahre lebt = 52 Mal länger.

Der Unterschied liegt in der EPIGENETIK (Nutrigenomik): die Bienenkönigin wird mit Gelée Royale (Phenylacetylglutamin und Phenylbutyrat) ernährt!

Apropos, Gelée Royale ist zwar gut für Frauen aber nicht geeignet für Männer, da sie viele weibliche Hormone beinhaltet.

Weiterbildungsmarkt.at: Wenn die Ernährung so wichtig für unsere Gesundheit ist, würden Sie bestimmte Lebensmittel verbieten?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Es geht nicht darum, Lebensmittel einzuschränken oder zu verbieten, sondern, eher darum, die Macht der Ernährung zu verstehen, wie sie unseren Stoffwechsel begünstigen oder schaden kann.

Ich sage ganz oft: “ – Nur wenn Du weißt, was die Lebensmittel mit Dir machen, kannst Du mit ihnen machen, was Du willst!”

Weiterbildungsmarkt.at: Warum ist es für viele Menschen so schwierig, ihre Essgewohnheiten zu ändern?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Essgewohnheiten zu ändern ist für viele Menschen schlimmer als die Religion zu wechseln! Ich zitiere oft Robert Lembke: „Die Macht, unter der Menschen sich besser fühlen, ist die Macht der Gewohnheit.“

Weiterbildungsmarkt.at:  Kann man sagen, dass man bei der Ernährung Fehler begeht?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Ein Professor für Kardiologie und Ernährungsmedizin in Brasilien „Prof. Dr. Lair Ribeiro“ sagt immer: „Es gibt nicht das Richtige oder das Falsche, es gibt nur Konsequenzen!”. Deshalb sollte man die Wirkung der Ernährung besser kennen, um sich besser entscheiden zu können, was esse ich oder doch nicht.

Weiterbildungsmarkt.at: Was beeinflusst unser Gehirn?

 Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato:

(a) Das Genetische Programm,

(b) Toxine: man isst, was man nicht essen sollte,

(c) Mängel: man isst nicht, was man essen sollte,

(d) Entzündungen: hier geht es nicht nur um Hirnhautentzündung sondern um die chronische subklinische Entzündung, die nach Dekaden falsche Ernährung dazu führt, dass die Blut-Hirn-Schranke verändert wird und die Passage entzündungslosende Substanzen – vom Blut zu den Nervenzellen – vereinfacht,

(e) Stresse: natürlich sollen wir Eustress von Dysstress unterscheiden: der erste ist motivierend aber de zweite ist auf Dauer neurotoxisch,

(f) elektromagnetische Felder: deshalb sollte man z.B. das Handy ausschalten (oder in Flugmodus einstellen) wenn man schläft und das Handy liegt auf dem Nachttisch. Eine Gruppe von Studenten in Dänemark haben 2016 gezeigt, dass Pflanzen sehr schlecht neben Wi-Fi Router wachsen. Sie kamen darauf, es zu erforschen, weil sie selber merkten, dass sie immer Konzentrationsschwierigkeiten hatten nach dem sie in der Nähe ihrer Handys geschlafen haben.

(g) natürlich auch neurodegenerative Erkrankungen, vaskuläre und/oder traumatische Unfälle.

Weiterbildungsmarkt.at: In welcher Weise beeinflusst unsere Ernährung die Gehirnfunktion?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Damit unsere Nervenzellen mit einander kommunizieren, benötigen sie (die Mehrheit von ihnen) chemische Substanzen, die als Neurotransmitter und Neuromodulatoren bezeichnet werden. Die Nervenzellen benötigen Vorläufer, um diese Substanzen zu produzieren. Dieser Vorläufer muss zugeführt, im Darm absorbiert, durch das Blut transportiert und von den Nervenzellen angewendet werden.

Ein klassisches Beispiel: wir kennen den Neurotransmitter namens Serotonin als Glückshormon. Damit unsere Nervenzellen im Gehirn Serotonin produzieren, benötigen sie einen Vorläufer namens Tryptophan, der im Darm von bestimmten Bakterienkolonien verarbeitet wird, um absorbiert zu werden. Sollte man weniger Tryptophan zuführen oder sollte man Probleme mit der Menge von diesen Darmbakterien haben, wird weniger Tryptophan absorbiert, weniger zu den Nervenzellen transportiert und, natürlich, weniger in den Nervenzellen produziert. Durchaus können viele Menschen „schlechte Laune“ oder sogar unter Depression leiden.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass ca. 70% des Gehirns aus „guten Fetten“ bestehen. Das heißt, dass wir auch diese guten Fetten (z.B., Omega-3, Omega-6, Omega-9) zuführen sollen.

Weiterbildungsmarkt.at: Wie sieht die „richtige“ Ernährung dann aus?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Natürlich sollen wir dies immer individuell betrachten, analysieren und empfehlen. Die Nährstoffbedürfnisse schwangerer Frauen, Schulkinder, Sportler, Menschen mit Behinderungen etc. sind unterschiedlich. Darüber hinaus, es gibt in jeder der o.g. Gruppen „biochemische Individualitäten“. Das heißt, jeder von uns verarbeitet die Nährstoffe ein bisschen anders.

Aber, eins dürfen wir sagen:

  • je weniger industrialisierte Kohlenhydrate (wegen Gluten, wegen des glykämischen Index und vor allem wegen des Insulin-Index),
  • je weniger raffinierte Zucker (als Ersatz, wenn man Zucker braucht: brauner Zucker oder noch besser Kokoszucker, der einen niedrigen Insulin-Index hervorruft),
  • je weniger Süßstoffe, die die Darm-Mikrobiota negativ beeinflusst und zu einer Dysbakterie (qualitative und quantitative Unausgewogenheit der Darm-Bakterien) führen,
  • je weniger Säfte (wegen zu viel Fruktose und sehr geringe Menge von Ballaststoffen, was zu Fettleber und Fettbauchspeicheldrüse führt),
  • je weniger Limonaden (wegen zu vielem Zucker und/oder Süßstoffe und wegen des niedrigen pH-Werts, was zu einer Übersäuerung des Körpers und sogar – nach Dekaden – zur Osteoporose führen),
  • je weniger raffiniertes Salz (guter Ersatz: rosa Salz aus Himalaya oder Meeressalz oder Bergesalz wegen der Nährstoffe),
  • je weniger raffinierte pflanzliche Öle, die partiell hydriert werden, damit sie nicht ranzig werden,
  • je mehr „gute Fette“ (z.B., Kokosöl, Avocato, Nüsse, Olivenöl: extra-virgem, kalt gepresst, in dunkler Flasche),
  • mehr Kurkuma, Ingwer, Kakao (ab 75%), Kreuzblütler (Brokkoli, Rübe, Kohlsorten (Rotkohl, Blumenkohl, Weißkohl etc.)

desto besser.

Weiterbildungsmarkt.at: Warum ist die Zufuhr von Kokosöl so „wichtig“ geworden? Man hat früher behauptet, es besteht aus gesättigten Fetten, die ungesund sind.

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Wenn wir über gesättigte Fette sprechen, müssen wir folgendes unterscheiden: es gibt kurzkettige, mittelkettige und langkettige Fettsäure. Kokosöl besteht vorwiegend aus mittelkettigen Fettsäuren, die sich NICHT ins Transfett (ungesundes Fett) umwandeln können. Mit Kokosöl sollen wir kochen und auch frittieren. Darüber hinaus beinhaltet es ca. 47% Laurinsäure, die sehr starke antibakterielle, antimykotische und antiseptische Effekte haben. Die Muttermilch, z.B., beinhaltet 19% von Laurinsäuren. Hier ist auch eine Erklärung, warum Kinder, die gestillt werden, weniger unter Entzündungen leiden.

Weiterbildungsmarkt.at: Welche Auswirkungen haben genmanipulierte Nahrungsmittel auf das Gehirn?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Die Forscher zeigen, dass in den letzten 20.000 Jahren unsere Gene sich kaum verändert haben. Hingegen, viele Nahrungsmittel wurden sehr kräftig manipuliert. Nehmen wir als Beispiel Weizen. Bei der Zeit von Jesus Christus hatten die Weizen nur 14 Chromosomen (Einkorn = Triticum monococcum). Jahrhundert später erschien in der Natur Emmer (Zweikorn = Triticum dicoccum) mit 28 Chromosomen. Schon im Jahr 1943 durch die Genmanipulation, um Weizen stärker gegen Schädlingen zu machen, entstand Triticum aestivum mit 43 Chromosomen. Das heißt, das Brot, das Jesus Christus aß hat mit unserem heutigen Brot nichts mehr zu tun. Das heutige Brot beinhaltet ca. 400% mehr Gluten als damals bei J. Christus. Unsere Darmzellen können damit nicht mehr so optimal umgehen, da unsere Gene diesen Veränderungen nicht folgen konnte. Folge: wesentlich mehr Menschen leiden unter Lebensmittelinkompatibilität (Allergie, Unverträglichkeit und/oder Überempfindlichkeit). Die Anzahl der Zöliakie-Patienten, Chronische Krankheit (chronisch-entzündliche Darmerkrankung), Reizdarmsyndrom, Nahrungsunverträglichkeit etc. wächst und wächst.

Nun, wenn der Darm schon so viele Reaktionen zeigt, müssen wir an die Mikrobiota denken und an die mangelhafte Absorption der essentialen und/oder wichtigen Nähstoffe denken. Nach Dekaden ist der gesamten Stoffwechsel gestört.

Weiterbildungsmarkt.at: Bestimmt das genetische Programm, wie und wann wir krank werden?

Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato: Natürlich spielt das genetische Programm eine ganz wichtige Rolle in unserem Leben. Jedoch sind wir nicht Geisel des genetischen Programms, das sehr stark von unserem Lebensstil (inklusiv Essgewohnheit) beeinflusst wird. Deshalb gibt es ein neues Fach: Nutrigenomik (wie die Nährstoffe unsere Gene ein- oder ausschalten können). Darüber hinaus gibt es den Begriff Nutraceutical (Functional Food – auf Deutsch, funktionelle Lebensmittel). Alles das zeigen, dass je nachdem, wie man sich Dekade lange ernährt hat, werden Gene aktiviert oder gehemmt und dies kann, natürlich, positive oder negative Wirkung haben.

Das schönste dabei ist es, dass wir die Protagonisten unserer eigenen Gesundheit sein dürfen!

Weiterbildungsmarkt.at: Vielen Dank für das Interview.

Interviewpartner: Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato, Neurowissenschaftler, Sao Paulo

Hinweis: Prof. Dr. (BRA) Nelson Annunciato referiert auch im Seminar „Wie die Ernährung unsere Hirnfunktionen beeinflusst“ vom Neurologisches Bildungszentrum, assista Soziale Dienste GmbH.

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