Für viele Vertriebsorganisationen ist der Weg von der Vertriebsstrategie zum Verkaufserfolg eine „Blackbox“. Das heißt: Inwieweit die angestrebten Ergebnisse erreicht werden, hängt weitgehend vom Zufall ab. Ein Selling-Plan hilft, die in der Vertriebsstrategie definierten Ziele sicher zu erreichen.
Die meisten Hersteller von Industriegütern und Anbieter von Industriedienstleistungen haben Businesspläne. Sie sind kaufmännisch und administrativ notwendig und spiegeln die geplante Zahlenwelt des Unternehmens wider. Sie basieren auf einer Vision der Geschäftsleitung, wie sich das Unternehmen in den nächsten Jahren im Markt positionieren will und einer generellen Strategie, die als Handlungsrichtlinie für Unternehmensbereiche wie zum Beispiel den Vertrieb dient.
Doch was kommt hiervon bei den Vertriebsmitarbeitern an, die diese Strategie umsetzen und die Ziele erreichen sollen? Häufig sind es nur die „heruntergebrochenen“ Ziele bezüglich Umsatz- und Deckungsbeitrag aus den Zahlenfriedhöfen der Businesspläne – akribisch aufgeschlüsselt bis auf die unterste Produktebene, oft aufgeteilt auf einzelne Kunden. Durchgeführt wird diese Zielplanung aus führungspsychologischen Gründen top-down und bottom-up, obwohl schon vorher klar ist, was rauskommen muss und im Zweifelsfall gilt: „Ober sticht Unter“. Es wird verabschiedet, was zu erreichen ist, aber keiner weiß genau, wie die quantitativen und qualitativen Ziele erreicht werden sollen. Es existieren Umsatz-Pläne (Sales-Plan) jedoch keine Umsetzungs-Pläne (Selling-Plan).
Ein solches Vorgehen motiviert weder die Verkäufer, noch werden die Aktivitäten einzelner Bereiche wie Vertrieb, Marketing, Produktion und Service verzahnt, da vom federführenden Vertrieb kein Ziele- und Maßnahmenplan (Selling Plan) erstellt und dieser den anderen Bereichen kommuniziert wird.
Von der Vertriebs-Strategie zum Umsetzungs-Plan
Vertriebschefs wissen selbstverständlich, an welchen Stellschrauben sie drehen möchten, damit ihr Bereich seinen Beitrag zum Realisieren der Vision und Umsetzen der Strategie des Unternehmens leistet. Sie haben sozusagen ihre Vertriebsstrategie. Um möglichst viele „Mit-Arbeiter“ zu gewinnen, müssen sie jedoch ihre Strategie und deren Umsetzung denjenigen kommunizieren, die ihnen dabei helfen sollen, diese zu realisieren: konkret, plausibel, pragmatisch und Maßnahmen orientiert. Die Mitstreiter müssen nicht nur wissen, was zu erreichen ist (Ergebnisse), sondern ihr Knowhow und Erfahrungsschatz muss auch für die Planung des Wie, der Maßnahmen und Prozesse, genutzt werden.
Ein Beispiel soll den Zusammenhang zwischen Vertriebsstrategie und Vertriebszielen sowie Selling- und Umsetzungs-Plan veranschaulichen. Wenn zum Beispiel die Vertriebsstrategie „Marktdurchdringung und Kundenbindung durch Forcierung des Systemgeschäfts“ lautet und damit ein Umsatzziel von zehn Millionen verbunden ist, stellen sich eine Menge Fragen wie:
- Was ist die durchschnittliche Auftragsgröße im Systemgeschäft?
- Wie viele Aufträge brauchen wir also, um unser Umsatzziel zu erreichen?
- Wie viele Kunden müssen wir dazu ansprechen?
- Welches sind dafür Zielkunden?
- Wie viele gibt es davon und wo finden wir diese (Potenzial)?
- Mit welchen Maßnahmen und Ressourcen wollen wir diese Kunden ansprechen?
- …?
Die Verkäufer orientieren sich am Verkaufsprozess und benötigen genau dafür einen Selling Plan. Dieser muss sich dann auch im Vertriebscontrolling und in der Verkäufersteuerung, widerspiegeln. Es sind nicht nur die Verkaufsergebnisse zu planen und zu „kontrollieren“, sondern vor allem die Verkaufsprozesse müssen geplant und gesteuert werden. Und hierfür gilt es auch Vertriebskennziffern, also Key Performance Indicators (KPIs), zu definieren. Denn erst dadurch, dass die Einzelmaßnahmen mit Zahlen hinterlegt sind, ist die Basis für das Steuern des Vertriebserfolgs gelegt. Das heißt, man erkennt bei den Reviews schnell, welche Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg hatten, und kann im Bedarfsfall den Selling-Plan anpassen. Der Fokus des Controllings verschiebt sich also von einer retrospektiven Kontrolle der Verkaufsergebnisse hin zu einer prospektiven Steuerung der Verkaufsprozesse.
Dies entspricht auch dem Zyklus des Vertriebsmanagement-Prozesses mit den bekannten Management-Methoden:
- Planen: SWOT-Analyse, Balanced Scorecard, …
- Umsetzen: Zielkunden-Strategie, Maßnahmenpläne und Meilensteine, …
- Controllen: KPIs, Forecast-Modelle, Sales Funnel, …
Idealerweise lässt sich dies alles in Anlehnung an die Balanced Scorecard in folgende vier Bereiche zusammenfassen:
- Betriebswirtschaftliche Ziele: Umsatz, Absatz, Marge, Deckungsbeitrag…
- Markt- und Kunden-Ziele: Zielregionen, -branchen, -anwendungen, Zielkunden…
- Prozess-Ziele: Anzahl Besuche bei Neukunden / Wettbewerberkunden, Hitrate der Angebote…
- Mitarbeiter-Ziele: Vertriebsmitarbeiter qualifizieren, motivieren, rekrutieren…
Die Struktur eines Selling Plans
Ein Selling-Plan hat folgende grundsätzliche Struktur, die den Erfordernissen der jeweiligen Vertriebsorganisation angepasst werden muss:
- Planungs-Brief der Geschäftsleitung,
- Analyse der bisherigen Entwicklung des Verkaufs und der zukünftigen Potenziale,
- Ableitung daraus von Zielen und Maßnahmen mit Meilensteinen, strukturiert nach Balanced Scorecard
- Erstellung spezieller Zielkunden-Pläne,
- Gestaltung des Vertriebs-Cockpits mit den KPIs
- Ausblick auf die strategischen Hauptaktivitäten für die nächsten drei Jahre
Der Planungs-Prozess zum Selling Plan
In den mit dem Erstellen des Selling-Plans verbundenen Planungsprozess werden von der Geschäftsleitung bis zum Vertriebsmitarbeiter stufenweise alle eingebunden. Danach erfolgt die Kommunikation und Abstimmung mit den unterstützenden Bereichen wie Marketing, Produktion, Service und Personalwesen. Dies erhöht die Planungs-Qualität sowie die Verbindlichkeit und Motivation.
Fazit und praktische Erfahrung
Durch den Selling-Plan wird die Realisierung der Unternehmens-Vision und der Unternehmens-Strategie konkretisiert und sichergestellt. Er schließt eine strategische Planungslücke, die bei vielen Herstellern von Industriegütern und Anbietern von Industriedienstleistungen zwischen dem Business-Plan und der vertrieblichen Alltagsarbeit besteht. Verkaufs-Prozesse werden geplant und prospektiv gesteuert statt geplante Verkaufs-Ergebnisse retrospektiv kontrolliert. Zugleich erleichtert der Selling-Plan den Vertriebsverantwortlichen das Steuern des Vertriebserfolgs, da sie eine Übersicht mit Kennzahlen über die konkret geplanten und durchgeführten Maßnahmen haben. Sie können damit Mitarbeiter-Gespräche effektiver und zielorientierter führen, weil eine systematisierte Gesprächsgrundlage existiert. Und die Vertriebsmitarbeiter? Sie erkennen durch den Selling-Plan Sinn und Plausibilität der Ziele und Maßnahmen und werden motiviert. Sie entwickeln sich zu strategisch denkenden Gebiets-Managern und sind nicht nur fleißige Vertriebs-„Mit-Arbeiter“. Sie bearbeiten ihren Markt strukturierter und professioneller und lassen sich weniger von einem Bauchgefühl und mehr von strategischen Überlegungen leiten, was sich in den Zahlen niederschlägt. Mit einem Selling-Plan ziehen alle am gleichen Strang – in die gleiche Richtung.
Über den Autor:
Peter Schreiber ist Inhaber des auf den B2B-Vertrieb spezialisierten Beratungs- und Trainingsunternehmens PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld bei Heilbronn. Er ist Autor des Buchs „Das Beuteraster – 7 Strategien für erfolgreiches Verkaufen“ (Orell Füssli Verlag).