Die Digital Natives und deren Startup-Gründer sind in einer digital vernetzten Lebenswelt groß geworden. Sie bewegen sich ständig in Schwärmen, die in den Weiten des Web ihre Heimat haben. Damit sind sie etablierten Unternehmen um Meilen voraus. Wollen die nicht den Anschluss verlieren, gilt es im ersten Schritt, die Silodenke endlich zu demontieren.
Kürzlich war ich auf der Managementtagung eines Mobilfunk-Anbieters. Im Verlauf des Events wurde der neue Marketingleiter vorgestellt: als „der natürliche Todfeind der Callcenter-Einheit.“ Ich war perplex, da doch beide Bereiche für die Kundenseite arbeiten. Erst meine Nachfrage ergab, warum das dort so gesehen wurde: Das Marketing versprach Dinge, die dann im Shop nicht eingehalten wurden – und die Callcenter-Mitarbeiter hatten ständig den Frust der enttäuschten Kunden ständig im Ohr. Leider ist solche Unkoordiniertheit kein Einzelfall.
In der Auftragsabwicklung können viele ein Lied davon singen, wie sie in die Bredouille geraten, weil der Vertrieb unhaltbare Versprechen macht, um ein scheinbar lukratives Geschäft an Land zu ziehen und/oder attraktive Gratifikationen zu ergattern. In der Fertigung kommt man ins Schleudern, weil es auf der Website und im Prospektmaterial immer noch Produkte gibt, deren Produktion schon längst eingestellt ist. Und jeder schiebt dem anderen die Schuld daran zu.
Silodenke: ein Relikt aus dem Industriezeitalter
Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, die so oder ähnlich tagtäglich passieren. Mitarbeiter beißen sich daran die Zähne aus. Und Kunden sind solchem Tun ohnmächtig ausgeliefert. Die Ursache hat einen gemeinsamen Namen: Silodenke. Silos sind röhrenförmige Speicher, da schüttet man oben was rein, und unten kommt, wenn es nicht verdorben ist, das Gleiche wieder raus. Stehen mehrere Silos nebeneinander, vermischen sich die Inhalte nicht. Jedes Silo macht quasi sein eigenes Ding.
In der analogen Industriekultur und in Schornsteinunternehmen mag die Silo-Organisation von Vorteil gewesen sein, doch in einer vernetzten Welt ist sie ein Rohrkrepierer. Silos stehen für den Monolog der Arbeitsteilung, Netzwerke für den Dialog der Zusammenarbeit. Silos sorgen für den gefährlichen Tunnelblick, Netzwerke für eine reiche Rundum-Perspektive. Wirklich Neues entsteht an Schnittstellen, in Randbezirken und dort, wo flexible Einsatztruppen agieren – aber niemals in Silos.
Silos erzeugen „Win-lose“-Situationen
In siloorganisierten Strukturen will jede Abteilung für sich die beste sein. So entsteht eine „Win-lose“-Mentalität, die Sieger und Besiegte produziert. Im fortwährenden Kampf um Budgetressourcen und die Aufmerksamkeit von ganz oben reibt man sich beim internen Schaulaufen auf, statt gemeinsam den Kunden zu dienen. Talente werden gebunkert und auf Sparflamme gehalten, damit nur ja keine andere Abteilung auf sie aufmerksam wird.
Der Austausch zwischen den einzelnen Fachbereichen ist nicht nutzenbestimmt, sondern vorrangig politisch getrieben. Es herrscht eine ausgedehnte Absicherungsmentalität. Alles braucht ewig, während es die Silos rauf und runterwandert. Niemand darf bei den Abstimmungsprozessen übergangen werden. Eine nie enden wollende CC-Emailflut ist die Folge. Und zur Sicherheit wird das informelle Netzwerk mit einer Blindcopy versorgt.
Mit der Silodenke einher geht auch eine große Zahl von Projekten, die vor allem der Selbstpositionierung dienen. Um das eigene Profil zu schärfen, wird die gesamte Organisation missbraucht. Oft genug geht es dabei mehr um Dimensionen als um Inhalte. Vor allem groß soll es sein!
Und während im Zuge eines generalstabsmäßig vorbereiteten Rollouts weit unten die Letzten gerade eingeweiht werden, schwappt oben schon die nächste Projektwelle los. Oder aber der Profilschärfer ist auf der Karriereleiter weitergeklettert, und sein Nachfolger spielt das Löwenspiel: Beiß alles tot, was von deinem Vorgänger stammt. Und beginne mit eigenen Projekten von vorn.
Kollaborative Strukturen implementieren
Kollaboration heißt miteinander statt gegeneinander – über alle Abteilungsgrenzen hinweg. Wir brauchen inspirierende Freunde, verlässliche Verbündete und helfende Weggefährten in einer sich zunehmend vernetzenden Welt. „Überkreuzbefruchtung“ wird dies bei Apple genannt. Wenn Unternehmensorganisationen hingegen auf Konkurrenz statt auf Kollaboration aufgebaut sind, dann werden „die anderen“ zwangsläufig als Wettbewerber, wenn nicht gar als Feinde gesehen.
Man schottet sich ab, gibt falsche Informationen weiter, verweigert Hilfe unter fadenscheinigen Gründen und lässt vermeintliche Gegenspieler ins offene Messer laufen. Nur, damit jene keinen Vorsprung gewinnen. Jeder kämpft um das fetteste Stück vom Ressourcenkuchen, um den nächsten Karriereschritt – und um Status natürlich auch. “Arbeitet zusammen“-Appelle bringen rein gar nichts, solange solche Systeme durch Rennlisten, eingleisige Incentive-Programme und Profitcenter-Denke auf Trab gehalten werden.
Ein flottes, reibungsloses Zusammenspiel der internen Leistungskette verlangt, von Ressort-Denken und innerbetrieblichen Rivalitäten endlich Abschied zu nehmen. Denn dies fördert nur den Abteilungsegoismus und dient nicht dem Kunden. Der merkt jedenfalls sehr schnell, wenn ein Unternehmen nicht wie aus einem Guss funktioniert.
Wie Alphaorganisationen von Betahäusern lernen
Durch die freiberufliche Wissenselite sind sie bekannt geworden: CoWorking-Spaces und Betahäuser. Deren unkonventionelle Bürolandschaften verbinden virtualisierte Kommunikation und flexible Arbeitszeiten mit dem Wunsch nach menschlichen Beziehungen in einer kreativen Umgebung. Sie sind Biotope für Kollaboration. Und Fenster in die Zukunft der Arbeit.
Das CoWorking-Konzept, ursprünglich gedacht als Begegnungsort für die digitale Bohème, begeistert inzwischen auch größere Firmen. Selbst Konzerne schicken ihre Leute in Betahäuser, um sie aus den Routinen ihrer Arbeitskontexte zu lösen. „Genauso wollen wir arbeiten“, sagen die, die in ihre Büroschluchten zurückkehren (müssen). Daraufhin hat die TUI einen eigenen Open Project Workspace geschaffen, das Modul 57 in der Nähe der Uni Hannover. „Ein perfekter Ort, um kreative Energie zu tanken”, sagen die, die dort tätig sind.
Anderswo wird der Betahaus-Stil bereits in die Unternehmen geholt. So werden die tristen „Schreibtischfarmen“ ehemaliger Großraumbüros – in denen Abarbeiter ihr Tagwerk verrichteten – zu flexiblen, farbenfrohen, heiteren, inspirierenden, marktplatzähnlichen Arbeitslandschaften umfunktioniert. „Neue Raumkonzepte müssen vorhandene Blockaden, die wir uns mit unseren Räumen selber geschaffen haben, lösen“, erklärt Stefan Rief, Projektleiter „Office 21“ beim Fraunhofer Institut IAO. Dabei entstehen Begegnungsorte, an denen weder Silos noch tradierte Machtgefüge eine Chance haben.