Die Werbung hat es längst erkannt: Inhalte ohne Bilder sind meist wirkungslos! Worte verschwinden wieder – was bleibt sind die Bilder. Wir sprechen dann davon, einen (ersten) Eindruck gewonnen zu haben. Was bei der/dem Betrachter_in hängen bleiben soll ist viel zu wertvoll, als das es dem Zufall überlassen werden soll. Bilder sind viel mehr als schöne Etikette – sie bestimmen letztendlich das Denken und Tun der Menschen. Wie aber komme ich am besten zu „meinen“ Bildern?
„Unser Gehirn ist ein bilderzeugendes Organ – es geht gar nicht anders, als in Bildern zu denken!“ stellt der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther fest. Und doch sieht der Trainings-, Vortrags- und Besprechungsalltag im Regelfall noch so aus, dass vornehmlich gesprochen wird und geschriebene Handouts die Runde machen. Der Anteil der sinnvoll eingesetzten Bilder ist nach wie vor verschwindend gering (ich rede nicht von Standard-Powerpoint-Fotos).
Bilder fürs Business.
Freilich gibt es beim Einsatz von Bildern auch immer die Frage der Bild-Rechte zu klären. Und um sich hier nicht in die Nesseln zu setzen, lassen viele gleich ganz die Finger davon oder greifen eben auf oft nichtssagende Standardbilder zurück die so gut wie gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Wie wäre es aber beispielsweise mit selbst gezeichneten Bildern? Die Frage nach dem Nutzungsrecht stellt sich hier nicht & sie haben außerdem den Vorteil, dass sie wesentlich mehr Interesse wecken als perfekt bearbeitete Fotos oder vom Profi gefertigte Grafiken. – Einfach aus dem Grund, weil sie so einzigartig und damit wertvoll erscheinen! Stellen Sie sich vor die Geschäftsführerin, der Trainingsexperte oder die Führungskraft zeichnet LIVE vor ihren Augen das Wichtigste auf ein Flipchart. Sie können gar nicht anders, als dass sich dieses Bild in ihr Gedächtnis einbrennt. Der sogenannten Picture-Superority-Effekt kommt zur Wirkung. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, sich an einen Inhalt zu erinnern, bei Bildern ungefähr 7 Mal (!) höher als beim geschriebenen Wort! WOW! Ich denke, darauf kann und sollte niemand verzichten.
Also – nichts wie ran ans selber Visualisieren! Es handelt sich dabei ja auch um eine Kulturtechnik, die unsere Vorfahren bereits genutzt haben. Das gesprochene Wort und die Schrift kamen erst wesentlich später als Kommunikationsmittel zum Einsatz.
Als Kinder nutzten wir die Wirkung.
Wir leben einer Gesellschaft, in der die meisten von uns im Alter zwischen 8 und 12 Jahren aufhören, die Technik des Visualisierens zu gebrauchen. Ja, selbst das Handgeschriebene wird immer weiter in den Hintergrund gedrängt, mit dem Ergebnis, dass wir in einer Zeit leben, in der Menschen zwar noch gut im Lesen von Bildern sind, aber die Fähigkeit des Zeichnens von Bildern arg verkümmert. Der „visuelle Analphabetismus“ hat sozusagen schleichend Einzug gehalten! Und dabei wären es gerade diese Bilder, die die Komplexität der Welt reduzieren können und unser aller (Berufs-)Leben einfacher machen. – Einem Kind ist das noch völlig klar. Schließlich zeichnen Kinder nicht bloß irgendwelche Strichfiguren sondern bilden komplexe Begriffe wie beispielsweise „Familie“ damit ab. Die Zeichnungen unserer Kinder sprechen mit Klarheit – uns Erwachsene erschließt sich das nur oft nicht mehr & wir brauchen dann eine Erklärung (natürlich wieder in Worten).
Das Ergebnis: Diese Klarheit und Einfachheit fehlt dann auch im erwachsenen (Geschäfts-)Leben. Ich denke, das ist eine Erfahrung, die jede_r von uns früher oder später macht. Egal ob es um Bildung, Politik, Umwelt oder eben das Business geht – Komplexität, Widersprüchlichkeit und Verwirrung sind an der Tagesordnung. Und das alles weil … ? Weil wir die Kulturtechnik des Visualisierens nicht hegen und pflegen!
Aber, was ist das eigentlich – Visualisieren als Kulturtechnik?
Beim Visualisieren geht es nicht darum, Kunst für ein Museum zu produzieren, sondern viel mehr darum, mit möglichst wenig Strichen (und auch Farbe) eine Idee (einen Sachverhalt usw.) aufzuzeichnen und anderen verständlich zu machen. Ich erkläre es gerne an Hand des so genannten Abstract-o-meters von Christoph Niemann:
Die absolut abstrakte Darstellung eines Herzens wäre ein rotes Quadrat. Das kann schnell gezeichnet werden, hat aber den Nachteil, dass es niemand als Herz erkennen wird. Am anderen Ende der Skala sehen wir ein anatomisch korrekt gezeichnetes Herz, welches als solches gut erkennbar ist, aber einen großen Zeichenaufwand bedeutet. Visualisieren als Kulturtechnik findet sich daher genau in der Mitte: schnell gezeichnet und auch erkennbar – in diesem Fall das Symbol eines Herzens.
Wobei ein solches Bild fast immer in einen Kontext gesetzt werden muss. Der Spruch: „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte.“ ist von daher nur bedingt richtig. Vielmehr ist es die Kombination aus Wort und Bild, welches die größte Wirkung erzielt. Das Wort ist dabei der Inhalt und das Bild die Verpackung – gemeinsam werden Sie zu einem mächtigen Werkzeug!
Ich denke die Vorteile, die fürs Visualisieren sprechen, sind klar und nachvollziehbar. Da gibt es bloß ein Problem: Dazu müssten wir wieder zum Zeichenstift greifen und den haben die meisten von uns in der Kindheit vergessen.
Ich habe kein Talent zum Zeichnen.
Bitte ich heute in einem meiner Visualisierungs-Kurse eine_n Teilnehmer_in ein Gesicht oder einen Körper zu zeichnen, kann man am Ergebnis sehen, in welchem Alter die/der Betroffene vermutlich mit dem Zeichnen aufgehört hat. Die gute Nachricht dabei ist, dass das Zeichnen-Können fürs Visualisieren gar nicht so ausschlaggebend ist. Freilich ist es auch möglich, zeichnen (wieder) zu lernen. Das berühmte Buch „Garantiert zeichnen lernen“ von Betty Edwards ist dabei eine hervorragende Empfehlung. Die von ihr angewandten Techniken sind einfach und führen zu unglaublichen Ergebnissen (und das in kürzester Zeit).
Aber, notwendig ist das nicht – wir erinnern uns: Beim Visualisieren ist das Ziel ja nicht, ein anatomisch korrektes Herz zu zeichnen, sondern mit möglichst wenigen Strichen das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Der Ansatz ist daher ein anderer: Stellen Sie sich einfach vor, Sie lernen eine neue Sprache. Die Visualisierungs-Sprache! Sie beginnen dabei mit dem Alphabet. Gehen dann über zu den Vokabeln, zur Grammatik und schlussendlich zum Stil.
Das visuelle Alphabet und die Vokabeln.
Ebenfalls erfreulich ist, dass Sie dieses Alphabet bereits ohnehin beherrschen. Es besteht nämlich aus
den einfachsten geometrischen Grundformen (Rechteck, Kreis, Dreieck ) sowie
dem Punkt und der Wellenlinie und wird noch ergänzt um
die Druckschrift (Großbuchstaben) und
alle Ziffern.
Aus diesen Formen lässt sich dann jede nur erdenkliche Visualisierung erstellen – damit wären wir dann bereits bei den visuellen Vokabeln:
Natürlich trägt auch die Wiederholung der Vokabeln ihres zum Erfolg bei. Ich bin dabei einmal auf folgenden Spruch gestoßen: „Draw it fifty times, than it is yours!“
Beim Wiederholen der Zeichnungen ist außerdem wichtig, die Reihenfolge der einzelnen Striche und Punkte beizubehalten. Nur so können wir die visuellen Vokabeln auch tatsächlich abspeichern.
Grammatik und Stil.
Mit Grammatik ist dann die Verlinkung der einzelnen Symbole unter einander gemeint. In welcher Beziehung sollen sie zueinander stehen? Oft werden hierfür beispielsweise Pfeile eingesetzt. Die Art des gezeichneten Pfeiles ist dabei für die Qualität der Beziehung ausschlaggebend. Es macht eben einen großen Unterschied, ob die Linie durchgezogen wird, strichliert oder gepunktet ist!
Eine weitere Möglichkeit, um Struktur und damit Klarheit in die Visualisierung zu bekommen ist die Anordnung der einzelnen Elemente. Die Bilder können beispielsweise
systematisch,
prozesshaft oder
vergleichend
organisiert sein.
Und auch der Stil trägt das seine zur Wirkung bei: Entweder halten Sie sich beim Zeichnen wortwörtlich an die Idee oder Sie übertragen die Bilder beispielsweise in Metaphern! Oft reicht es auch vollkommen aus, nur mit Abstraktionen (zum Beispiel Dreiecken, Kreisen usw.) zu arbeiten. Sie entscheiden, welchen Stil das jeweilige Thema am besten verträgt!
Das Ergebnis.
Haben Sie erst einmal das Visualisieren wieder für sich entdeckt, nimmt der Erfolg exponentiell zu! Mit jeder Zeichnung sammeln Sie neue Erfahrungen. Sie bekommen Feedback und Anerkennung – sie werden klarer und damit wirkungsvoller. Ob Sie am Flipchart, der Pinnwand, dem Whiteboard, in einem Notizbuch oder am Tablet zeichnen ist dabei vollkommen unerheblich.
Experimentieren Sie und finden Sie Ihren bevorzugten Zugang. Eine Kollegin hat einmal geschrieben: „Es gibt zwar eine Rechtschreibung, aber keine Rechtzeichnung!“ – das fand ich amüsant und es sollte Ihnen auch Mut machen, dran zu bleiben.
Lernen.
Besuchen Sie für den Anfang ein entsprechendes Training. Zeichnen Sie auch von anderen ab. – Denn, Visualisieren ist etwas, dass man immer mit anderen teilen sollte. Natürlich können Sie auch nur Ihre eigenen Gedanken für sich selbst ordnen, aber letzten Endes geht es um Kommunikation. Und je mehr Sie visuell kommunizieren, umso sicherer und erfahrener werden Sie.
Und der schönste „Nebeneffekt“: Ihre Kreativität lebt neu auf! Ihre Bilder werden Sie selbst und andere inspirieren und zum Nach-Denken bringen. Also: Zeichenstifte entstauben und loslegen – der Erfolg wird Ihnen recht geben! Viel Freude damit!
Über den Autor:
Harald Karrer ist ein international tätiger Visualisierungs-Spezialist und Inhaber von www.visualsforbusiness.com. Er begleitet Vorträge, Kongresse, Meetings uvm. mit LIVE gezeichneten Visualisierung und gibt KURSE zum Erlernen der einfachen Bildsprache (Flipchartgestaltung, Sketchnoting uvm.) Außerdem arbeitet er als Unternehmensberater und Coach mit individuell gezeichneten „Landkarten“ und Storyboards.
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