Schon kleine Preisnachlässe können den Gewinn eines Unternehmens empfindlich schmälern. Das erfuhren B2B-Verkäufer bei einem Seminar der IHK Akademie München und Oberbayern.
Langsam lehnt sich Peter Schreiber auf dem Stuhl zurück. Dann fragt er Karl Kübler[i], der bei seinem Co-Trainer Horst Bayer, einem Ex-Einkaufsleiter in der Industrie, gerade fiktiv Regensensoren für Autos kaufte: „Wissen Sie, was Sie soeben getan haben?“ „Ja, ich führte mit Herrn Bayer eine Preisverhandlung und bekam den Auftrag“, erwidert der Key-Account-Manager eines Elektronikherstellers stolz.
„Stimmt“, kontert Schreiber, „doch nur, weil Sie auf den größten Teil Ihres Gewinns verzichtet haben.“ Dann sagt der Inhaber des Trainingsinstituts Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld: „Ihr Unternehmen hat bei Regensensoren eine Gewinnspanne von etwa 20 Prozent. Wenn Sie einem Kunden 12 Prozent Preisnachlass gewähren, verzichten Sie auf 60 Prozent Ihres Gewinns – egal, aus welchen Gründen Sie dies tun.“ Kübler blickt betroffen. Ebenso die anderen Seminarteilnehmer. Denn sie räumten Bayer in den fiktiven Verkaufsgesprächen, die sie mit ihm in dem Seminarraum der IHK Akademie München und Oberbayern führten, ähnlich hohe Preisnachlässe ein. Deshalb mahnt der B2B-Vertriebsberater Schreiber nachdrücklich: „Leute, kämpft um eure Preise. Sie entscheiden über den Gewinn eurer Unternehmen.“
Nicht unbedacht möglichen Gewinn verschenken
Welche Relation zwischen dem erzielten Preis und dem Gewinn besteht, verdeutlicht Schreiber dann am Flipchart. Als Beispiel dient das Unternehmen, für das Kay Kliro arbeitet. Es produziert Zerspanungswerkzeuge und erzielt pro Jahr einen Umsatz von 100 Millionen Euro. Die Umsatzrendite beträgt 10 Prozent. Also erzielt das Unternehmen jährlich 10 Millionen Euro Gewinn. Gesteht Vertriebsleiter Kliro den Kunden ein Prozent Preisnachlass zu, sinkt der Umsatz zwar nur um ein Prozent, der Gewinn aber um 10 Prozent, also 1 Million Euro. Um diesen Gewinnverlust auszugleichen, müssten Kliro und seine Mitarbeiter circa 10 Millionen Euro Neuumsatz erzielen (siehe Grafik 1). „Und was ist leichter“, fragt Schreiber, „einem Bestandskunden ein Prozent weniger ‚Rabatt’ zu gewähren oder neue Aufträge für 10 Millionen Euro an Land zu ziehen?“ Weniger Rabatt gewähren, betonen alle Seminarteilnehmer.
Flansch ist Flansch und Rohr ist Rohr?
Mit einer Ausnahme: Sven Nerlinger. „Unsere Kunden interessiert nur der Preis“, seufzt der Vertriebsleiter eines Unternehmens, das Flansche und Rohre fertigt. „Ist Ihren Kunden wirklich nur der Preis wichtig?“, fragt Schreiber nach. „Flansch ist Flansch und Rohr ist Rohr“, erwidert Nerlinger lakonisch. Doch Schreiber fragt weiter: „Wie hoch ist Ihr Stammkunden-Anteil?“ „80 Prozent“, antwortet der Maschinenbauingenieur. Schreiber: „Dann interessiert Ihre Kunden nicht nur der Preis.“
Die Verkäufer analysieren, warum die Kunden bei Nerlingers Unternehmen kaufen, obwohl dieses angeblich so teuer ist. Heraus kommt: Das Unternehmen ist rund um die Uhr erreichbar – sieben Tage pro Woche. Am Telefon sitzen erfahrene Techniker. Aufgrund seiner hohen Produktionskapazität kann das Unternehmen schnell liefern. Und es gibt keine Transportprobleme. Alles Punkte, von denen Nerlinger, ganz Ingenieur, nie dachte, dass sie für Kunden wichtig sein könnten. Und schon gar nicht, dass sie hierfür mehr Geld bezahlen.
Doch Nerlinger bleibt skeptisch. Seit Jahren versucht er, bestimmte Kunden zu knacken. Und immer wieder hört er „Ihr seid zu teuer“. Doch liegt es wirklich am Preis, dass er von diesen Kunden nie einen Auftrag erhält? Die Seminarteilnehmer gelangen zur Erkenntnis: Nein. Es besteht keine persönliche Beziehung zwischen Nerlinger und den potenziellen Kunden. Also bitten sie ihn zwar um Angebote, doch nur um den Markt zu sondieren. Nerlinger daraufhin: „Dann nenne ich denen beim nächsten Mal halt einen Dumpingpreis. Daran sollen sich unsere Mitbewerber die Zähne ausbeißen.“ Ein gefährliches Ansinnen, denn auch Nerlingers Stammkunden holen Vergleichsangebote ein. Reagiert er wie angekündigt, schreiben seine Mitbewerber in ihre Angebote ebenfalls Fantasiepreise. Die Folge: ein ruinöser Preiskampf.
Auch mal auf ein Angebot verzichten
Schreiber empfiehlt Nerlinger: „Sprechen Sie die Kunden direkt auf Ihr Problem an. Sagen Sie: Ich habe Ihnen schon mehrere Angebote unterbreitet, bei denen ich preislich bis zum Äußersten ging. Deshalb meine Frage: Was können wir tun, damit wir eine reale Chance haben, Ihren Auftrag zu erhalten?“ Antwortet der Kunde: „Nichts, außer die Preise senken“, soll Nerlinger ihm kein Angebot unterbreiten. Nennt der Kunde hingegen Faktoren, wie zum Beispiel den Zahlungstermin verlängern, ist Nerlinger als Anbieter wieder im Boot.
Nerlingers Verhalten zeigt: Viele Verkäufer haben das Credo „Wir sind zu teuer“ verinnerlicht. Deshalb denken sie, wenn ein Einkäufer sagt „Der Preis entscheidet“, unmittelbar: Dann bekommen wir den Auftrag nie. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Einkäufer fragt, „Ist das Ihr letztes Wort?“. Dann denken sie: „Verflucht, wenn ich dem Kunden keinen höheren Rabatt gewähre, verliere ich den Auftrag.“ Dabei möchten sich die Einkäufer, wie Horst Bayer erläutert, mit dieser Frage oft nur vergewissern, ob sie preislich alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. „Ich habe das auch oft getan“, gesteht Bayer, der 30 Jahre Einkaufsleiter in der Fertigungs- und Investitionsgüterindustrie war.
Sich taktisch so klug verhalten wie der Einkäufer
Dass viele Verkäufer nicht hinter den Preisen ihrer Unternehmen stehen, zeigt sich oft schon zu Beginn der Verkaufsgespräche. Zum Beispiel, wenn der Kunde, nachdem er seinen Bedarf skizzierte, fragt, „Was kostet so was?“. Dann beginnen viele Verkäufer herumzueiern. Dabei möchte der Kunde zu diesem Zeitpunkt meist nur eine grobe Orientierung haben. Schreiber empfiehlt, in solchen Situationen eine Preisspanne zu nennen – „dann ist das Thema vorerst vom Tisch“.
Psychologisch ungeschickt ist es auch, dem Kunden, wie üblich, zunächst die preisgünstige Lösung zu präsentieren. Dann müssen die Verkäufer, wenn der Kunde spezielle Wünsche äußert, stets sagen: Das kostet aber mehr. Der Preis steigt also zusehends vor den Augen des Kunden. Das verdirbt ihm die Laune. Sinnvoller ist es, dem Kunden zunächst die „Top-Lösung“ zu präsentieren. Dann können die Verkäufer im Gespräch durch ein Abspecken der Leistung den Preis allmählich senken. Und der Kunde ist erleichtert, dass das Ganze nicht so teuer wird, wie es zunächst schien.
Wie wirken sich Preisnachlässe auf den Gewinn eines Unternehmens aus? (Musterrechnung)
Jahresumsatz | 100 Millionen € | |
Umsatzrendite | 10 % | |
Gewinn | 100 Millionen € x 0,1 | 10 Millionen € |
Verkäufer gewähren im Schnitt 1 Prozent Preisnachlass | ||
Neuer Jahresumsatz | 100 Millionen € x 0,99 | 99 Millionen € |
gewährter Preisnachlass | 1,0 % | 1 Million € |
verbleibender Gewinn | 10 Millionen € – 1 Million € | 9 Millionen € |
Nötiger zusätzlicher Umsatz, um Gewinnverlust auszugleichen | ||
zu erzielender Gewinn | 1 Million € | |
Umsatzrendite | (ca.) 10 % | |
nötiger Neuumsatz | 1 Million € : 0,1 | 10 Millionen € |
Bei einem Preisnachlass von im Schnitt nur 1 Prozent muss der Umsatz bei einer Umsatzrendite von 10 Prozent um mindestens 10 Prozent stiegen, um den Gewinnverlust auszugleichen. Beziehungsweise: Wenn 1 Prozent höhere Preise erzielt werden, steigt der Gewinn um circa 10 Prozent.
Quelle: PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld
www.schreiber-training.de
Autorin: Janne Siemens
[i] Die Namen der Seminarteilnehmer wurden geändert.