Transformation durch inneres Wachstum

Wir leben in einer Gesellschaft des Wachstums. Immer darauf bedacht, etwas zu schaffen, zu meistern, zu optimieren. Zumindest nach außen. Dass äußeres Wachstum seine Grenzen hat, haben uns die letzten Jahre deutlich vor Augen geführt. Und auch, was wir – bei allen guten Absichten – dabei zerstören … neben der Umwelt auch ein Stück weit uns selbst. Wir verraten unsere Ideale und Werte, streben nach Erfolgsmustern, die uns vorgelebt oder von außen als sinnvoll präsentiert werden. Sowohl für Organisationen als auch für Menschen ist es höchste Zeit, sich nicht mehr auf das zu konzentrieren, was alle tun, und nach äußerer Bestätigung zu suchen, sondern sich auf inneres Wachstum zu konzentrieren.

Genau dieses innere Wachstum beginnt stets bei uns selbst. Nachhaltigkeit steht dabei an erster Stelle, sowohl was die Ressourcen unserer Umwelt als auch unser eigenes Potenzial anbelangt. Wir müssen (wieder neu) lernen, nicht nur zu verändern, und zwar möglichst schnell, sondern das vor allem so zu tun, dass wir als Menschen und Menschheit anhaltend davon profitieren. Hilfreich können dabei die sogenannten Inner Development Goals, kurz IDGs, sein, die anhand von 5 Kategorien (Sein, Denken, Beziehungen, Zusammenarbeit, Handeln) und 23 Skills zeigen, wie es uns gelingt Transformationskompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung zu erlangen – als Mensch, aber letztendlich auch als Unternehmen und Gesellschaft.[1]

Innere Entwicklungsziele – warum sollte jeder Mensch sie haben?

Es liegt in der Natur des Menschen, sich weiterzuentwickeln. Das Streben nach „mehr“ ist tief in uns verwurzelt. Allerdings sollte dieses Streben nicht im Sinne „immer größer, schneller, weiter oder besser“ sein, sondern vielmehr in die Tiefe gehen – verbunden mit der Frage: Was schlummert noch in mir und in dieser Welt? Das sind die Momente, in denen wir einen neuen Blickwinkel entdecken, anfangen, uns selbstkritisch zu hinterfragen und dabei feststellen, dass da draußen noch sehr viel mehr existiert und möglich ist, als das, was wir kennen oder durch unsere persönliche Brille sehen. Es gibt einen guten Grund, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, sich einzulassen, auf das, was die Welt und andere Menschen zu bieten haben. Unsere Welt ist farbenfroh und lebendig. Letztendlich entscheiden wir selbst, wie wir diese Welt sehen, unser näheres sowie weiteres Umfeld wahrnehmen und Situationen bewerten.

Ein Ansatz der Inner Development Goals liegt darin, dass wir zunächst bei uns selbst anfangen. Welche Entscheidungen treffe ich Tag für Tag, die vorerst mich persönlich positiv beeinflussen. Und das hat nichts damit zu tun, dass jemand egoistisch ist. Aber wie könnte die Welt vielleicht aussehen, wenn jeder Einzelne sich selbst wertschätzend behandelt? Wir den inneren Kritiker und Perfektionisten auf die Ersatzbank verweisen. Wir einfach mal stehen bleiben, tief durchatmen und überlegen, ob wir überhaupt in die für uns „richtige“ Richtung laufen. Wie fühlt sich das an? Habe ich schon am Morgen einen Knoten im Bauch, bevor ich zur Arbeit gehe oder fühlt es sich leicht an, meiner Beschäftigung nachzugehen? Ich bin davon überzeugt, wenn jeder Einzelne es schafft, in sich selbst ein Zuhause zu errichten, in dem er/sie sich wohl fühlt, dem zu folgen, was das eigene Herz einem sagt, dann wird es automatisch auch im Umfeld Wellen schlagen. Dann werde ich meine Familie, meine Freunde, meine Kollegen und die Umwelt mit der gleichen Wertschätzung behandeln, wie ich es auch bei mir selbst ausübe.

Entscheidungen treffen – unser Leben und die Welt positiv beeinflussen

Wir alle kennen Menschen, bei denen man auf den ersten Blick merkt: Ja, der/die ist wirklich bei sich angekommen! Der/die ist am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Der/die ist einfach mit sich selbst und der Welt im Reinen. Das Gute daran ist: So jemand kann gar nichts Negatives in diese (also auch unsere) Welt bringen! Was passiert mit uns, wenn wir solchen Menschen begegnen? Ich persönlich spüre meist eine positive, zufriedene Energie, eine unbeschreibliche Leichtigkeit, wenn man mit ihnen zu tun hat oder zusammenarbeitet, und habe das Gefühl, dass ich von all dem ein Stück abbekomme. Übrigens inspirieren uns diese Persönlichkeiten oft dabei, unseren eigenen individuellen Weg zu gehen. Indem wir also nicht mit dem Finger auf andere zeigen oder von anderen etwas fordern, sondern bei uns anfangen, in unsere persönliche positive Energie kommen, können wir diese auch mehr und mehr weitergegeben. So kann jeder einzelne von uns zu einem Multiplikator werden. Entscheidend ist, sich nicht von all den negativen Geschehnissen auf dieser Welt überwältigen zu lassen. Sonst verfallen wir schnell in eine Art Schockstarre. Aus der heraus wird es schwer, etwas Positives in diese Welt zu bringen. Lasst uns also Schritt für Schritt bei uns selbst beginnen und dann in unserem kleinen Universum Wellen schlagen. Wir können nicht verhindern, dass die Kreise, die sich daraus entwickeln, größer werden.

Eine wichtige Rolle bei dieser persönlichen Reise spielen dabei die eigenen Werte. Zunächst einmal sind die eigenen Werte etwas, das wir persönlich für „gut“ erachten. Dinge, die für uns „nicht verhandelbar“ sind. Das alles entsteht teilweise aus unserer Geschichte, also der Welt, aus der wir kommen; ein Teil ist allerdings bereits in uns veranlagt. Aber wie findet man diese Punkte heraus und wie gelingt es, sie in das eigene Leben (privat, beruflich) zu integrieren? Wir können unsere Werte, sofern wir uns nicht darüber im Klaren sind, mit Hilfe von Selbstreflexion[2] entdecken. Unzählige Online-Tools unterstützen dabei, die eigenen Werte zu ergründen und sich darüber bewusstzuwerden, was für uns im Leben wirklich wichtig ist, was zählt, wofür wir „brennen“. Einmal gefunden, helfen Post-it am Bildschirm bei der Arbeit, zuhause am Spiegel oder digitale Erinnerungen per Smartphone – wichtig ist, dass wir unsere Werte immer vor Augen haben! Besonders in Situationen, in denen wir „feststecken“, in denen wir uns nicht entscheiden können, oftmals zwischen unseren eigenen Vorstellungen und Wünschen und den Erwartungen, die Andere an uns haben, ist es eine große Hilfe. Nimm dir besagte Werte zur Hand und frage dich selbst: Wofür stehe ich? Was ist mir persönlich wirklich wichtig im Leben? Es braucht vielleicht etwas Übung, aber Stück für Stück schaffen wir es so, weiter zu uns selbst zu finden.

Herausforderungen oder Hindernisse auf dem Weg

Wir alle wissen, wie schnell wir uns wieder in und von unserem Alltag fangen lassen. Wie wir im Hamsterrad strampeln und weiterrennen, ohne innezuhalten. Wie oft wir hier und da ein Feuer löschen müssen und gleichzeitig unserem Beruf, unserer Arbeit, aber auch allem rund um Familie, Freunde und im Verein gerecht werden müssen. Hilfreich ist es dann, sich regelmäßig Ruheräume zu schaffen: 10 Minuten Meditation am Tag, zwei Stunden in der Woche zur freien Verfügung, ein Wochenende im Jahr ganz für mich alleine. Ich persönlich habe einen Zettel an meinem Bildschirm kleben, der mir Auswege aus den oben beschriebenen Situationen zeigt. Dort steht: Tanze, gehe spazieren, spreche mit jemandem, sag „nein“, frag jemanden um Hilfe, atme langsam ein und aus … das kann für jeden anders aussehen. Was sind also die Dinge, die dich aus dem Hamsterrad aussteigen lassen? Nimm dir die Zeit, darüber nachzudenken. Such dir vielleicht einen Coach zur Unterstützung. Und dann heißt es üben, üben, üben – so können wir Schritt für Schritt mehr Freude in unser Leben bringen – und verbreiten.

Fakt ist: Wir alle müssen für unsere Welt (mit)denken! Dabei sollten wir allerdings nicht nur auf das schauen, was um uns herum passiert, sondern immer wieder den Blick nach innen richten. Denn das Außen ist für uns alle längst zu überwältigend geworden. Diese Welt ist so komplex, dass wir sie nicht mehr verstehen können. Dinge passieren so rasch, dass wir den Entwicklungen nicht mehr folgen können. Informationen fließen so schnell und auf so vielen Kanälen, dass wir nicht mehr wissen, was wirklich Hand und Fuß hat, was Fakt und was Fake ist. Und die wichtigste Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wo kann ich dabei persönlich eine Veränderung schaffen? Welche Dinge kann ich (noch) beeinflussen und steuern? Das sind genau die Dinge, auf die wir uns konzentrieren sollten!

Die Rolle der Unternehmen: Wie eine neue Führung(-skultur) notwendige Kompetenzen etabliert, ohne die Menschen aus den Augen zu verlieren

Auch wenn wir bei uns selbst beginnen und dadurch viel bewirken können, werden wir scheitern, wenn sich mit den Menschen nicht auch die Unternehmen und Organisationen weiterentwickeln. Und das tun sie! Zumindest ein Teil von ihnen ist auf einem guten Weg, in ihrem Universum – sowohl intern als auch extern – ebenfalls positive Kreise zu ziehen. Ja, Unternehmen müssen mit der Zeit und der Weiterentwicklung der Menschen gehen – auch weil Organisationen merken, dass sie mit ihren klassischen Strukturen an Grenzen stoßen. Mitarbeitende streben längst nach etwas anderem: Mitbestimmung und Sinn, Autonomie und Freiheiten, Vorankommen ja, allerdings nur mit entsprechender persönlicher Flexibilität. Immer weniger geht es um Zahlen, Status oder das Gehalt. Das Ziel von Unternehmen sollte es also sein, eine Umgebung zu schaffen, in der dieses neue Bewusstsein der Menschen seinen Platz finden kann. Im Außen sollten Unternehmen natürlich auch darüber nachdenken, welchen Mehrwert sie in dieser Welt schaffen, in welcher Weise sie – bei allen wirtschaftlichen Aspekten – mehr Freude und Erleichterung in die Welt bringen. Genau diese Aspekte werden zukünftig noch mehr darüber entscheiden, in welchem Unternehmen sich Mitarbeitende bewerben und engagieren.

Fakt ist: Die alten Führungsstrukturen, in denen einem „von oben“ gesagt wird, was und besonders „WIE“ man einen Job zu erledigen hat, passen längst nicht mehr! Es schreit nach einem „Umdenken“ auf beiden Seiten. Bei den Mitarbeitenden, die mit mehr Entscheidungsmacht auch bereit sein müssen, die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Führungskräfte müssen im Gegenzug lernen, loszulassen und zu vertrauen. Es ist schön, dass es heutzutage schon viele Konzepte und Methoden gibt, die uns dabei helfen können, in neuer Führung zu denken und zu handeln: Teal, Holocracy u.a. Bei diesen Konzepten steht der Mensch ganz im Fokus, der nach seinen Stärken, Kompetenzen und Vorlieben in die Rollen hineinwächst, die er am besten ausfüllt. Hier geht es nicht mehr um Titel und Positionen, sondern um Verantwortlichkeiten, die klar verteilt sind. Natürlich passiert das nicht von heute auf morgen, und es bedeutet auch nicht, dass es keine Führung mehr geben wird. Sie wird sich nur weiter wandeln. Es wird Leitplanken geben, in denen sich die Mitarbeitenden frei bewegen können. Regelmäßiges Feedback trägt dazu bei, auf beiden Seiten zu lernen. Führung wird sich also in unterschiedliche Richtungen und auf vielen verschiedenen Ebenen und Wegen ergeben. Die Inner Development Goals haben mich zu den nachfolgenden vier Tipps inspiriert:

Personelle und organisatorische Grundlagen, damit die Reise zu einer verantwortungsvollen Führung gelingt

  1. Den Status quo hinterfragen

Die Reise beginnt damit, dass wir die Art und Weise, wie wir in unserer Führung handeln oder behandelt werden, sowie das System, in dem wir interagieren, hinterfragen. Ist die Art, wie Dinge ablaufen, wirklich in Einklang mit meinen Werten? Stimmt die Richtung, die uns als Team oder Unternehmen langfristig und nachhaltig zum Erfolg führen soll? Oder sind wir damit auf kurzfristiges Wachstum ausgelegt? Vielleicht nur an schnellen Gewinnen interessiert? Oft ist alles, was um uns herum passiert, so selbstverständlich und wir handeln fast schon automatisch, sodass wir gar keinen anderen Weg mehr in Betracht ziehen.

  1. Reflexion und Perspektiven tauschen

Im zweiten Schritt ist es wichtig, das eigene Handeln zu reflektieren: Wie wäre es, wenn wir wirklich in einen Austausch mit unseren Mitarbeitenden gehen? Offen Fragen diskutieren, die bei der Reflexion aufkommen. Herausfinden, was sie von mir als Führungskraft erwarten? Was sie benötigen, um ihrer Tätigkeit mit Freude nachzugehen? Es kann ebenfalls ein spannendes Experiment sein, Mitarbeitende zu fragen, was sie glauben, was man als Führungskraft von ihnen erwartet. In vielen Fällen stimmen die Gedanken nicht überein. Aber genau so schafft man einen Raum zum Austauschen und entdeckt neue Wege.

  1. Ganzheitlich denken

In diesem Prozess sollte das große Ganze nicht aus dem Blick geraten. Was ist unser Beitrag? Warum tun wir, was wir tun? Welchen Einfluss habe ich als Führungskraft auf meine Mitarbeitenden? Haben wir als Unternehmen auf die Welt da draußen? Ist das wirklich das, was ich/wir hier hinterlassen möchte(n)? Natürlich können wir nicht alle Probleme, besonders hinsichtlich der Thematik Nachhaltigkeit, sofort und auf einmal lösen. Aber wir sollten (selbst-)verantwortlich für uns, unsere Gemeinschaft und den Planeten diese Gedanken unbedingt step by step in unsere Entscheidungen einfließen lassen.

  1. Offen bleiben, Neues auszuprobieren – und immer wieder reflektieren

Aber wie könnte ich es anders machen? Vielleicht habe ich schon reflektiert und mir ist klar, welche Dinge sich ändern müssen, um zu einer verantwortungsvollen Führung zu gelangen … aber wie ist die Frage? Es gibt viele Bestrebungen „da Draußen“, die uns bereits Alternativen zeigen: Inner Development Goals, Teal (Reinventing Organisations), kollegial geführte agile Organisationsentwicklung, Holocracy, Sociocracy, New Work u.a. Lass dich inspirieren und fange einfach an, Schritt für Schritt Dinge auszuprobieren. Reflektiere diese Experimente und deine Erfahrungen nach einiger Zeit, passe sie an oder verwerfe sie. Es ist eine REISE und auf dieser Reise dürfen wir durch Höhen und Tiefen gehen und für uns, unser Team, unser Unternehmen, unsere Welt in jedem Fall etwas lernen. In unseren Koffer packen wir allerdings nur das, was wir als wirklich wertvoll und hilfreich erachten.

Fazit: Immer mehr zeigt sich, dass alles in Verbindung steht. Es braucht also das Ankommen des einzelnen Menschen bei sich selbst, um Veränderungen in der Welt zu schaffen. Für eine bessere Arbeitswelt inklusive Nachhaltigkeit etc. braucht es aber auch die Unternehmen und Organisationen, die neue Methoden und Tools aus CSR/SDGs/Agilität/Teal etc. nutzen, um wirklich Bewegung/Veränderung zuzulassen, anstatt in alten Mustern zu stagnieren. Teal beispielsweise greift drei entscheidende Komponenten dafür auf: Zum einen die Selbstorganisation als alternative Methode, wie wir Menschen in dieser komplexen Welt zusammenarbeiten. Zum anderen Ganzheitlichkeit, um als Mensch zu meinen Stärken und Schwächen zu stehen und mich so in der Gemeinschaft weiterentwickeln zu können. Und schließlich der Sinn auf Unternehmensebene, um einem gemeinnützigen Wohl zu dienen und den persönlichen Sinn mit dem Sinn des Unternehmens zu verknüpfen. Allerdings gilt auch: Trägt mein persönlicher Sinn nicht zum Unternehmenssinn bei, ist es Zeit für mich weiterzuziehen, um weiterhin in Ganzheitlichkeit zu sein. Für all das gibt es (leider oder zum Glück) kein Patentrezept! Denn so verschieden wir Menschen sind, so unterschiedlich sind Unternehmen und so individuell diese Welt ist, so individuell wird auch die Reise jedes Einzelnen aussehen, um herauszufinden, was das Richtige für ihn/sie, das Team, ein Unternehmen ist.

Über die Autorin

Dr Britta ButzDr. Britta Butz, Future Work Catalyst bei LIVEsciences, promovierte im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich zum Thema Corporate Social Responsibility. Seitdem fokussiert sie sich darauf, mit ganzheitlichen Ansätzen die Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Umwelt mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen, um so für alle langfristigen, nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Mit neuen Organisationsmodellen, wie Teal, und der Reise zu sich selbst, leitet sie ihre Kunden mit pragmatischen Lösungen aus dem Hamsterrad heraus in eine sinnorientiertere Unternehmenswelt.

[1] https://www.innerdevelopmentgoals.org/

[2] https://karrierebibel.de/selbstreflexion/

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