Die Top-Manager von Großunternehmen haben in ihrer beruflichen Biografie schon oft bewiesen, dass sie leistungsfähiger und -bereiter sowie durchsetzungsstärker als ihre Mitbewerber um Top-Positionen sind. Entsprechend selbstbewusst sind sie. Deshalb akzeptieren nicht jede „x-beliebige“ Person als Berater.
Wer wird Vorstand eines multinationalen Konzerns? Oder Geschäftsführer eines großen Unternehmens? Solche Top-Jobs bekommen nur Personen, die extrem schnell im Aufnehmen, Analysieren und Verarbeiten von Informationen sind; Männer und Frauen zudem, die schon oft bewiesen haben, dass sie Außergewöhnliches leisten können.
Entsprechend selbstbewusst sind die Top-Entscheider in den Unternehmen, betont Dr. Georg Kraus, Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (D). Meist zu Recht! Trotzdem scheitern zum Beispiel immer mehr Vorstände. Das heißt, sie müssen entweder vorzeitig ihren Hut nehmen oder ihr Kontrakt wird nicht verlängert. Und immer öfter werden aus Top-Managern, die vor kurzem noch von den Wirtschaftsmagazinen und Aktionären gefeiert wurden, scheinbar über Nacht „Versager“.
Top-Karrieren erfordern Durchsetzungskraft
Eine Ursache hierfür ist laut Kraus: Die Aufgaben der Top Executives in den Unternehmen sind heute „so komplex und vielfältig, dass sie nur noch bedingt gemanagt werden können“. Die Top-Entscheider können häufig „nur noch die Risiken minimieren, indem sie die Dilemmata, vor denen sie bei ihrer Arbeit stehen, stets neu auszubalancieren“. Dasselbe gilt für die oft widersprüchlichen Interessen der Stakeholder wie Anteilseigner und Banken, Kunden und Mitarbeiter.
Das setzt voraus, dass die richtigen Leute in den oberen Führungspositionen des Unternehmens sitzen. Außerdem müssen die Top-Entscheider mit ihren Kollegen im Top Team sowie den Leitern der Unternehmenseinheiten ein Hochleistungsteam bilden. Denn allein können sie die Erwartungen der Stakeholder nicht erfüllen.
Und hier beginnt laut Managementberaterin Sabine Prohaska, Wien, oft das Problem. In die Top-Etagen von (Groß-)Unternehmen gelangen in der Regel nur „Alpha-Tiere“ – Menschen also, die
- aktiv Führungsverantwortung suchen und
- auf ihrem Weg nach oben wiederholt bewiesen haben, dass sie Organisationen erfolgreicher führen können als ihre Konkurrenten – aufgrund ihrer analytischen Intelligenz, ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie Durchsetzungsstärke.
Das prägt „ihr Selbstbild, ihre Sicht auf Menschen, Situationen und Konstellationen sowie ihr Verhalten“.
Top-Manager sind „Alpha-Tiere“
Doch dann sind sie an der Unternehmensspitze. Und ihre engsten Mitstreiter sind wie sie „Alpha-Tiere“. Das heißt, sie verfügen weitgehend über dieselben Persönlichkeitsmerkmale und zeigen dieselben Leitwolf-Attitüden. Und mit diesen Männern und Frauen müssen sie kooperieren und ein High-Performance-Team bilden, um die Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen.
Hierfür benötigen die Top Executives laut Dr. Franz Metz, Geschäftsführer der Beratergruppe Palatina, Rülzheim (D), „teils andere Fähigkeiten, als diejenigen, die sie auf dem Weg nach oben zeigten“. Denn statt wie bisher primär dafür zu sorgen, dass die aus dem Tagesgeschäft sich ergebenden Aufgaben erfüllt werden, müssen sie nun andere Menschen inspirieren. Und statt wie bisher weitgehend das Erreichen der operativen Ziele zu überwachen, müssen sie nun Menschen motivieren, sofern nötig, „gewohnte Pfade zu verlassen, damit Quantensprünge möglich sind“.
Das haben die Top Executives, so Metz, zwar auch in der Vergangenheit getan – zum Beispiel als Leiter einer Unternehmenseinheit. Doch nun ist dies eine ihrer Kernaufgaben. Und ihre Gegenüber sind wie sie „Alpha-Tiere“, die ihnen nicht vorbehaltlos folgen. Entsprechend vielfältig sind die Reibungspunkte auf der Top-Ebene von Unternehmen – „auch weil sich die Mitglieder der Top-Teams oft ähnlich misstrauisch beäugen wie konkurrierende Rüden in einem Wolfsrudel“. Trotzdem müssen sie im Unternehmensalltag kooperieren, obwohl die meisten Alpha-Tiere eher Einzelkämpfer als Teamplayer sind.
Ziel: die Performance des Top-Teams erhöhen
Das erschwert es Top Executives oft, (gemeinsam) die Wirkung zu entfalten, die zum Erfüllen der Erwartungen der Stakeholder und speziell Shareholder nötig wäre. Doch das ist ihnen meist nicht bewusst. Entsprechend selten kontaktieren sie laut Kraus externe Berater mit Anfragen wie: „Können Sie mich und meine Kollegen dabei unterstützen, mehr Teamspirit zu entfalten?“ Der offizielle Anlass für die Kontaktaufnahme ist stets ein betriebliches Problem – zum Beispiel: „In unserem Unternehmen kooperieren die Bereiche nicht optimal. Entsprechend langsam werden …“. Nach entsprechenden Kriterien erfolgt auch die Auswahl der Berater. Die Top Executives müssen ihnen zutrauen, dass sie
- die Herausforderungen, vor denen ihre Organisation steht, kennen und verstehen, und
- einen realen Beitrag dazu leisten, diese zu meistern.
Diese Kompetenz schreiben viele Top-Manager nur Männern und Frauen zu, die ähnliche Biografien wie sie haben. Das heißt zum Beispiel für einen Berater, der auf der CEO-Ebene von multinationalen Konzernen agieren möchte: Seine Biografie sollte eine gewisse Internationalität aufweisen. Und sein Curriculum Vitae sollte Stationen enthalten, die aus Sicht der Top-Entscheider für „Excellence“ stehen. Denn viele Top-Entscheider wollen, dass sich in der Biografie des Beraters sozusagen ihre Biografie widerspiegelt, betont Metz. „Weitgehend egal ist ihnen hingegen, ob er eine Coach- oder Beraterausbildung absolviert hat. Hauptsache, er hat von ihrem und seinem Geschäft eine Ahnung.“
Alpha-Tiere wollen gefordert werden
Eine solche Biografie sorgt, laut Metz, aber nur dafür, dass das Alpha-Tier an der Unternehmensspitze „dem Berater fünf oder zehn Minuten Aufmerksamkeit schenkt“. In dieser Zeit muss der Consultant dem Top-Entscheider das Gefühl vermitteln: Diese Person ist in ihrem „Business“ absolut fit, spricht mein Sprache und ist ähnlich „tough“ wie ich – deshalb kann sie mir beziehungsweise meiner Organisation einen Nutzen bieten
Dies gelingt Beratern nicht, indem sie Top-Managern nach dem Mund reden, betont Prohaska. Im Gegenteil! „Top-Entscheider wollen spüren: Mein Gegenüber hat Rückgrat.“ Denn nur dann entsteht bei ihnen das Gefühl: Dieser Berater kann mich und meine Kollegen (heraus-)fordern und die gewünschte Entwicklung auslösen.
Nur wenn ein Top Executive diesen Eindruck hat, schenkt er einem Berater mehr als fünf Minuten seiner wertvollen Zeit. Denn Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten und gecoacht werden. Nur Menschen mit einer solchen Ausstrahlung sind für sie akzeptable Sparringpartner, deren Aussagen sie Bedeutung beimessen. Und das tun sie, wenn dies der Fall ist, auch. Denn Alpha-Tiere wollen etwas bewegen. Sie wollen Spuren hinterlassen. „Deshalb sind sie an einer klaren Rückmeldung interessiert, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen könnten“, betont Prohaska. Sie akzeptieren jedoch nur Personen als Feedbackgeber, die sie „entweder als gleichrangig oder als Autoritäten auf ihrem Themengebiet erachten“.
Ziel: die Wirksamkeit erhöhen
Beim Beraten und Coachen von oberen Führungskräften geht es meist nicht darum, individuelle Schwächen zu beseitigen. „Denn als Individuen sind die Top Executives bereits spitze – sonst hätten sie ihre Position nicht erreicht“, betont Kraus. Vielmehr soll ihre Wirksamkeit in der Organisation erhöht werden. Das ist nur möglich, wenn klar ist:
- Wie wirkt der Top-Manager auf sein Umfeld? Und:
- Welche Verhaltensweisen schmälern seine Wirksamkeit?
Deshalb sollte, wenn es darum geht, die Wirksamkeit eines Top Executives zu erhöhen, stets das Feedback seiner Kooperationspartner eingeholt werden. Zudem sollte ihnen mitgeteilt werden, an welchen Punkten und mit welchem Ziel die betreffende Person ihr Verhalten ändern möchte. Denn nichts verunsichert Kollegen und Mitarbeiter so sehr, wie wenn ein CEO oder Geschäftsführer plötzlich, scheinbar unmotiviert sein Verhalten ändert. Hierdurch wird er für sie unberechenbar.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Wirksamkeit eines Top Teams erhöht werden soll. Dann sollte den Teammitgliedern laut Metz schnell vermittelt werden: „Wir machen das nicht zum Vergnügen. Vielmehr soll ihre Wirksamkeit als Team so erhöht werden, dass zum Beispiel die vorgegebene Umsatzrendite von 15 Prozent erreicht wird.“
Im Fokus steht die „business challenge“
Der Anlass, initiativ zu werden, ist also eine „Business Challenge“. Und das Ziel des Prozesses ist es, die Dynamiken zu durchbrechen, die ihrer Bewältigung im Weg stehen. Hierfür ist es oft auch nötig, die individuellen und kollektiven Verhaltensweisen der Top Team-Mitglieder zu thematisieren, die die Performance schmälern.
Hierzu sind die meisten Top-Manager bereit – selbst wenn es ihnen schwer fällt, mit Kollegen oder gar Untergebenen zum Beispiel darüber zu sprechen, warum sie deren Tun mit Misstrauen beäugen und so viel Energie darauf verwenden, sich abzusichern. Als Alpha-Tiere haben sie jedoch die Maxime „No pain, no gain“ verinnerlicht, betont Georg Kraus. Deshalb springen sie auch über ihren Schatten, wenn dies für das Erreichen der übergeordneten Ziele nötig ist. Und genau dies muss der Berater ihnen vermitteln.
Über den Autor:
Andreas Lutz arbeitet unter anderem als (PR-)Journalist für die PRofilBerater GmbH, Darmstadt. Er ist auf Personalführungs- und -entwicklungsthemen spezialisiert.