Mitarbeiter reagieren mit Widerstand oder blockieren sogar? Das ist typisch für die Anfangsphase eines Veränderungsprozesses. Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiter auf Unvorhergesehenes vorbereiten und gemeinsam mit ihnen den Change nachhaltig gestalten? Die School of Facilitating stärkt Führungskräfte in ihrer Selbstreflexion, Wahrnehmung und Empathiefähigkeit und setzt mit ihrem Ansatz „Facilitating Change“ auf Partizipation zugunsten tragfähiger Lösungen.
In Zeiten des Umbruchs war Andreas Kowohl oftmals irritiert: Trotz klarer Zielvorgabe zogen seine Mitarbeiter bei Projekten nicht mit. Wie konnte er lernen, sie stärker mit ins Boot zu nehmen und für die Veränderung zu begeistern? Auf der Suche nach entsprechenden Weiterbildungsangeboten stieß der Geschäftsführer der Apex Tool Group GmbH auf die Ausbildung der School of Facilitating. Seit 2007 führen Renate Franke und Barbara Zuber die „Denkschule und Werkstatt“ für Führungskräfte, Entscheider und Berater und bieten ihre Ausbildung in Berlin, Wien und auch über das Bildungswerk der Wirtschaft in Baden-Württemberg an. Das Ziel der beiden Geschäftsführerinnen: Sie wollen den Weg durch Veränderungen initiieren, begleiten und die Wandlungsfähigkeit von Menschen und Unternehmen erhöhen. Hinter deren Ansatz „Facilitation Change“ steht der Grundsatz: Veränderungen werden von Menschen getragen und, wenn ein Großteil dafür gewonnen wird, kann es auch eine gelebte Veränderung geben. Die Methode Facilitation (von facilitare: ermöglichen, vereinfachen), die als eine Facette von zeitgemäßer Führung gesehen werden kann, stammt ursprünglich aus den USA: Die dort vielfach eingesetzte Methode gewinnt auch hierzulande an Bedeutung. Renate Franke ist überzeugt: „Gerade bei zunehmender Komplexität ist es notwendig zu vereinfachen und Ballast abzuwerfen, wo es möglich und sinnvoll ist. Und das ist lernbar!“
Wandel ist lernbar
Mitarbeiter aktiv am Veränderungsprozess zu beteiligen setzt voraus, dass Führungskräfte zunächst ihre eigene Haltung zum Wandel erkunden, um im nächsten Schritt die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter und deren Bedürfnisse zu ergründen. Verschiedene Wahrnehmungsebenen zu trainieren, ist ein Schwerpunkt im ersten Teil der einjährigen Ausbildung in sieben Modulen. In Rollenspielen trainieren Führungskräfte zum Beispiel den Perspektivenwechsel. „Dieser ist ein wichtiger Schritt, um die Wahrnehmung zu öffnen. Man begibt sich quasi in die Schuhe einer anderen Person und fühlt sich in diese ein. „Eine erweiterte Wahrnehmung verändert meine Vision, dadurch wiederum meine Haltung und infolgedessen auch mein Tun“, ist Renate Franke überzeugt.
Das Trainieren der eigenen Radarfähigkeit, die Deeskalation von Konflikten und das Unterbrechen von Gewohnheitsmustern sind weitere wichtige Inhalte der Ausbildung, bei der die Selbstreflexion und die Interaktion in der Gruppe einen hohen Stellenwert haben. Andreas Kowol sind durch die Ausbildung, die er und einige seiner Führungskräfte durchlaufen haben, viele Verhaltensmuster und innere Blockaden der am Prozess beteiligten Mitarbeiter bewusst geworden. Er hat gelernt, seine eigenen Antennen zu schärfen und ist sich stärker bewusst, wer welches Anliegen hat und wer in welche Rolle passt. So kann er seine Mitarbeiter besser auf die Reise der Veränderung mitnehmen.
Das Konzept der Prozessbegleitung
Wissenschaftliche Basis des Ansatzes Facilitating Change ist die „Theorie U“ von Claus Otto Scharmer, Dozent und Mitbegründer des Leadership Lab am Massachusetts Institute of Technology. Sie dient den Ermöglichern als Gerüst für die Begleitung von Veränderungsprozessen. Das Konzept: Wer sich mit der offenen Haltung des Facilitatings auf den Weg des „U´s“ begibt dem wird ermöglicht, Prozesse und die daran beteiligten Mitarbeiter nicht nur aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu führen, sondern vor allem die Möglichkeiten der Zukunft ins Auge zu fassen und zu integrieren.
Weitere Grundsätze des Facilitatings sind:
- Menschen auf Phasen der Veränderung und der „Unordnung“ vorzubereiten. So werden sie befähigt, diese Phasen zu gestalten und sich durch das „Chaos“ zu manövrieren.
- für das Unvorhersehbare und Unplanbare eines Changeprozesses offen zu sein. So können neue Impulse aufgenommen und für den Prozess genutzt werden.
- Nichtwissen einzugestehen. Ein Facilitator bekennt, dass er die beste Lösung nicht weiß und setzt sich dafür ein, dass sie gemeinsam in der Gruppe erarbeitet wird. Das gelingt, indem er den Prozess aktiv gestaltet, alle mit einbezieht und den Themen „eine Stimme“ gibt, denn jeder kann die Lösung hervorbringen und in jedem Moment kann sie entstehen.
- das Wissen liegt im System. Der Prozessbegleiter weiß: Im Prozess wird eine tragfähige Lösung entstehen. Hierfür brauchen die Beteiligten vor allem: Vertrauen in den Prozess, eine erweiterte Wahrnehmung und eine gute Intuition.
- das System in Kontakt mit seinen inneren Ressourcen zu bringen. Eine gute Verbindung mit unseren Stärken hilft durch schwierige Wasser zu segeln und neues Denken zu können.
- Emotionen als Fenster zu Neuem verstehen. In Veränderungsprozessen treten Gefühle wie Angst und Unsicherheit auf. Diese Emotionen dürfen nicht verdrängt oder unterdrückt werden. Sie gilt es wertzuschätzen, damit die Menschen sich für Neues öffnen können.
- Offene Haltung zu vermitteln und den Perspektivenwechsel zu fördern. Der Facilitator ist mit seiner Person Teil des Prozesses und führt ihn. Er unterstützt den Rollenwechsel und achtet darauf, dass vorschnelle Bewertungen anderer Meinungen vermieden werden.
Die Handwerker im Change
Alle Beteiligten in den Veränderungsprozess einzubeziehen, ist dem Prozessbegleiter wichtig: Er gibt quasi die Marschrichtung für die Lösungsfindung vor, nicht die Lösung selbst. Denn er geht wie systemische Berater davon aus: Das Wissen und die Lösung liegen im System. „Unsere Methode ist sehr partizipativ. Wir kommen schnell ins Tun und gelten – wie Kollegen so nett formuliert haben – als die „Handwerker im Change“, sagt Renate Franke. Auch die besondere Betonung der Intuition und der Emotionen unterscheidet den Ermöglichungsansatz von anderen Ansätzen, zum Beispiel der Business-Moderation. Barbara Zuber betont: „Wir ermutigen unsere Teilnehmer, Emotionen als Indikatoren für Bedürfnisse zu verstehen und sie zu artikulieren. Solange sie nicht gehört sind und keine Zufriedenheit oder sogar Begeisterung vorhanden ist, kämpft man gegen Windmühlen und es gibt keinen „Flow“ im Veränderungsprozess. Widerstände und Konflikte sind uns willkommen. Sie aufzulösen beziehungsweise sie ernst zu nehmen und zu integrieren, ist oft der Schlüssel zum Erfolg.“ Reinhard Höfer, Geschäftsführer der Saxonia Textile Parts GmbH und ehemaliger Teilnehmer der erfahrungsorientierten Ausbildung, fällt der Umgang mit Konflikten heute leichter: Treten solche auf, spricht er sie offen an und versucht, sie gemeinsam mit seinem Team zu lösen.
Mitarbeiter am Prozess zu beteiligen, bedeutet für Führungskräfte keineswegs, keine Entscheidungen mehr zu treffen: Sie tragen natürlich weiterhin die Verantwortung, zumal sie die Projektergebnisse gegenüber der Geschäftsleitung kommunizieren und vertreten. Als Begleiter des Prozesses sorgen sie idealerweise dafür, dass jeder einzelne Mitarbeiter die passende Rolle bekommt. Das heißt: Die Rolle, bei der er sich am besten entfalten kann und die für ihn Sinn macht. Die Ermöglicher glauben daran: Wer Sinn bei seiner Aufgabe empfindet, wird den Prozess eher mittragen und erfolgreich sein.
Über die Autoren:
Renate Franke und Barbara Zuber sind die Geschäftsführerinnen des Beratungs- und Ausbildungsinstituts „school of facilitating“ Berlin und Autorinnen von „Facilitating Change – mehr als Change Management“, Beltz Verlag. Die school (www.school-of-facilitating.de) kooperiert in Wien mit promitto Organisationsberatung GmbH (www.promitto.at) zwecks Ausbildungen „Facilitating Change“.
Weitere Informationen über die „school of facilitating“