Bei virtuellen und hybriden Teams sind die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit andere als bei klassischen Teams, deren Mitglieder sich fast täglich persönlich treffen. Eine entsprechend große Rolle spielt bei ihrer Entwicklung der Faktor Vertrauen.

Viele Führungskräfte stehen zurzeit, weil ihre Mitarbeiter vermehrt im Homeoffice arbeiten, erstmals vor der Herausforderung, virtuelle bzw. hybride Teams zu führen, und zu entwickeln – also Teams, deren Mitglieder an verschiedenen Orten arbeiten, weshalb die Kommunikation mit ihnen weitgehend online oder per Telefon erfolgt. Das verunsichert viele.

Dies ist teilweise unbegründet, denn virtuelle und hybride Teams durchlaufen, bevor sie eine Top-Leistung erbringen, trotz der veränderten Rahmenbedingungen dieselben vier Entwicklungsphasen wie klassische. Diese beschrieb der US-Amerikaner Bruce Wayne Tuckman bereits vor mehr als 50 Jahren.

Die vier Phasen der Teamentwicklung

  1. Forming – Orientierungsphase:

In der „Forming-Phase“ beschnuppern sich die Teammitglieder wechselseitig. Sie versuchen zu ermitteln: Wie „ticken“ die „neuen Kollegen“? Was können sie? Welche Interessen verfolgen sie und inwieweit ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen möglich? In dieser Phase empfindet sich das Team noch nicht als Team.

  1. Storming – Konfliktphase:

Die „Storming-Phase“ ist von Auseinandersetzungen geprägt. In ihr werden „Rangkämpfe“ ausgefochten. Es geht unter anderem darum, wer welche Aufgabe und Rolle im Team hat und wie stark die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt werden. In dieser Phase kochen oft unterschwellige Konflikte zwischen den Bereichen und Funktionsgruppen im Unternehmen hoch.

  1. Norming – Organisationsphase:

In der „Norming-Phase“ glätten sich die Wogen allmählich. Nun entwickeln die Teammitglieder unter anderem Spielregeln für den Umgang miteinander. Außerdem vereinbaren sie Maximen, an die sich alle beim Lösen der gemeinsamen Aufgabe halten. Nun entfaltet die Teamarbeit allmählich ihre Vorzüge.

  1. Performing – Integrationsphase:

In der „Performing-Phase“ ist aus den einzelnen Teammitgliedern ein Team geworden, das sich gemeinsamen Werten und Zielen verpflichtet fühlt. Nun werden im Team auch deutlich bessere Ergebnisse erzielt, als wenn seine Mitglieder allein arbeiten würden.

Herausforderung: Konflikte erkennen und bearbeiten

Ein Problem bei Entwickeln virtueller und hybrider Teams ist: In ihnen werden vorhandene und sich anbahnende Konflikte von der Teamleitung aufgrund des Arbeitens an verschiedenen Orten oft später als in traditionellen erkannt. Deshalb bleiben sie auch häufiger in der „Storming-Phase“ stecken. Entsprechend wichtig ist eine Kultur der Offenheit, des Respekts und konstruktiven Feedbacks in ihnen. Denn dann können Konflikte, Interessengegensätze sowie unterschiedliche Wahrnehmungen und Einschätzungen, aus denen Konflikte erwachsen könnten, leichter angesprochen und bearbeitet werden. Doch selbst dann muss die Teamleitung sehr sensibel für eventuelle Unstimmigkeiten sein, denn diese artikulieren sich bei einer virtuellen Zusammenarbeit oft versteckt – zum Beispiel in Mails und Memos.

Erfolgsfaktor Vertrauen

Generell gilt: Der zentrale Erfolgsfaktor beim Führen virtueller und hybrider Teams ist Vertrauen. Denn aufgrund der räumlichen Distanz zumindest zu einem Teil der Mitarbeiter erhält die Führungskraft weniger Detailinformationen und informelle Infos. Also ist auch weniger Kontrolle möglich, was wirklich passiert. Deshalb müssen die Führungskräfte ihre Mitarbeiter an einer „längeren Leine“ führen. Und die Teammitglieder müssen mehr Verantwortung übernehmen. Folglich muss auch die Vertrauensbereitschaft der Führungskraft größer sein.

Hieraus resultieren folgende Anforderungen an die Kompetenz und Persönlichkeit von Führungskräften, die ihre Mitarbeiter weitgehend auf Distanz führen:

  • Sie sollten ein positives Menschenbild und ein niedriges Kontrollbedürfnis haben.
  • Sie sollten eine die Mitarbeiter motivierende Vision haben, wie sich die Zusammenarbeit gestalten und von welchen Werten das Miteinander geprägt sein soll. Und:
  • Sie sollten sensibel für die Wertesysteme und Bedürfnisse anderer Menschen sein – speziell dann, wenn diese in anderen Kulturen oder gesellschaftlichen Milieus zuhause sind.

Aufgabe: Vertrauen auf- und ausbauen

Das gilt zwar auch für das Führen klassischer Teams, doch bei virtuellen und hybriden haben diese Faktoren eine noch höhere Relevanz, denn: Bei einer weitgehend virtuellen Zusammenarbeit ist es schwieriger, Vertrauen aufzubauen.

Beim Vertrauen gilt es, zwischen

  • dem Vertrauen in die fachliche und persönliche Kompetenz der anderen Teammitglieder und
  • dem persönlichen Vertrauen zwischen den Teammitgliedern

zu unterscheiden. Das Vertrauen in die Kompetenz lässt sich durch eine entsprechende Auswahl der Mitglieder sowie (Weiter-)Qualifizierung von ihnen realisieren. Persönliches Vertrauen hingegen entsteht nur, wenn die Teammitglieder sich persönlich kennenlernen und ein Gespür dafür entwickeln, wie der jeweils andere „tickt“: Wie verhält er sich? Was ist ihm wichtig? Wie reagiert er, wenn …?

Deshalb sollte, bevor virtuelle (und hybride) Teams ihre Arbeit aufnehmen, möglichst ein Kick-Off stattfinden, bei dem die Mitglieder sich „beschnuppern“, Auge in Auge miteinander kommunizieren und den jeweils anderen auch als Mensch wahrnehmen. Zudem sollten – sofern möglich – regelmäßig Treffen stattfinden, bei denen die Teammitglieder über die gemeinsame Arbeit sprechen und ihre persönliche Beziehung vertiefen.

Aufgabe: Information und Kommunikation sicherstellen

Vertrauen entwickelt sich stets mit der Zeit und hierfür ist es auch wichtig, sich gut informiert zu fühlen. Deshalb ist es eine Kernaufgabe der Teamleitung, für eine regelmäßige, offene und umfassende Kommunikation zu sorgen. Hierfür gilt es, Kommunikations- und Informationsroutinen zu etablieren, die vom Team angenommen und unterstützt werden. Regelmäßige virtuelle Team-Meetings gehören ebenso dazu wie Vier- und Mehr-Augen-Gespräche. Zudem sollten virtuelle und hybride Teams eine Plattform für die informelle Kommunikation haben. Diese Funktion können soziale Netzwerke, Chat-Tools und ähnliche Instrumente erfüllen.

Generell gilt: Eine virtuelle Zusammenarbeit stellt höhere und teils andere Anforderungen an die Teammitglieder und die Teamleitung als die traditionelle Form der Zusammenarbeit. Das wird vielen Unternehmen, die in den zurückliegenden zwei Jahren das Arbeiten in virtuellen oder hybriden Teams – oft unter dem Label „New Work“ – forcierten, zunehmend bewusst.

Bei den Teammitgliedern für die nötige Reife sorgen

Zudem sammelten sie die Erfahrung, dass die Mitglieder solcher Teams, weil sie eigenständiger und -verantwortlicher arbeiten müssen, eine gewisse fachliche und persönliche Reife brauchen. Deshalb ist zum Beispiel in der Einarbeitungsphase von Mitarbeitern ein Führen auf Distanz meist nur bedingt möglich.

Wird dies bei der Teamzusammenstellung und -führung bedacht, können virtuelle und hybride Teams eine zentrale Säule der künftigen Arbeitsorganisation in den Unternehmen sein, denn sie ermöglichen es den Unternehmen, flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Zudem entsprechen sie oft dem Bedürfnis der Mitarbeiter, bei ihrer Arbeitsgestaltung zeit- und ortsunabhängiger zu sein.

Über den Autor:

Machwurth, Hans-PeterHans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy). Dieses bietet u.a. das Online-Führungskräfteentwicklungsprogramm „360° Leadership Programm“ an, das Führungskräfte auch zum Führen hybrider Teams qualifiziert.

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