Was bedeutet für uns Nachhaltigkeit? Mit dieser Frage müssen sich die Unternehmen befassen – unter anderem weil die Folgen des Klimawandels weltweit immer spürbarer werden.
Wenn Personen und Organisationen über das Thema Nachhaltigkeit sprechen, ist oft vom Drei-Säulen-Modell die Rede. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass eine auf Dauer stabile Entwicklung von Gesellschaften nur möglich ist, wenn die ökologischen, ökonomischen und sozialen (Entwicklungs-)Ziele gleichrangig behandelt werden.
Diesen Denkansatz findet man auch in der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 der Vereinten Nationen. In ihr werden 17 globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), formuliert. Sie sollen allen Regierungen, Gesellschaften und Unternehmen weltweit als Richtschnur für ihr künftiges Handeln dienen.
Beim Thema „nachhaltige Entwicklung“ divergieren die Interessen
Eine solche Richtschnur ist nötig, weil im gesellschaftlichen Diskurs umstritten ist, was unter einer „nachhaltigen Entwicklung“ zu verstehen ist und wie dieses Ziel erreicht werden kann. Deshalb sollten Unternehmen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, sich zunächst fragen, was diese Begriffe für sie bedeuten und hierüber ein Commitment erzielen. Dabei muss den Entscheidern bewusst sein, dass ihre Organisation in ein Umfeld eingebettet ist, das konkrete Erwartungen an sie hat; außerdem, dass die Erwartungen der verschiedenen Stakeholder wie Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Kapital- und Gesetzgeber sich wandeln und oft divergieren. Denn nur wenn ein Unternehmen die verschiedenen Erwartungen kennt, kann es entscheiden: Auf welche wollen, können und müssen wir reagieren?
Hierfür ist wiederum eine Klärung nötig: Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit dem Thema? Tun wir dies aus einer eigenen intrinsischen Motivation – zum Beispiel, weil wir selbst davon überzeugt sind, dass ein nachhaltiges Wirtschaften und Arbeiten überlebensnotwendig ist? Oder ist das Gegenteil der Fall? Beschäftigen wir uns mit ihm primär, weil wir hierzu genötigt werden – zum Beispiel
- weil die für unsere Produktion benötigten Rohstoffe, immer knapper und teurer werden oder
- weil uns der Gesetzgeber durch Vorgaben immer stärker dazu zwingt oder
- weil für die Kaufentscheidung unserer Kunden das Kriterium „Nachhaltigkeit“ immer relevanter wird?
Die Quellen der eigenen Motivation zu kennen, ist wichtig, weil dies einen Einfluss darauf hat,
- wie konsequent das Unternehmen sein bisheriges Denken und Handeln hinterfragt und
- wie ganzheitlich im Sinne des 3-Säulen-Modells die angedachten bzw. praktizierten Lösungen sind.
Frage: Welche Ziele verfolgen wir bei der Beschäftigung mit dem Thema?
So befassten sich zum Beispiel in der Vergangenheit viele Produktionsunternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit primär unter Effizienz-Gesichtspunkten. Sie fragten sich beispielsweise: Wie können wir das Gleiche wie bisher mit weniger Ressourcen produzieren? Und nicht wenige Handelsunternehmen befassten sich dem Thema Nachhaltigkeit primär, weil dieses sich bei ihren Zielkunden zu einem wichtigen Kaufargument entwickelte. Sie erhofften sich durch den Verkauf von Produkten, die umweltschonend produziert und/oder bei deren Herstellung auch Aspekte wie das Tierwohl und eine faire Bezahlung der Rohstoff-Lieferanten (Fair trade) beachtet werden, einen Wettbewerbsvorteil und sahen hierin nicht selten sogar eine Chance zum „Up-graden“ ihrer Produkte und Erzielen höherer Gewinne.
Eine so eindimensionale Herangehensweise an das Thema Nachhaltigkeit wird künftig meist nicht mehr genügen, um die Markterfordernisse zu erfüllen und die Existenz von Unternehmen nachhaltig zu sichern. Diese These ist nicht gewagt, wenn man sieht, in wie vielen Branchen das Thema Nachhaltigkeit heute bereits alle Anbieter zu einem fundamentalen Infragestellen ihrer bisherigen Strategien und einer Neudefinition ihres Geschäftsfelds zwingt – so zum Beispiel in der Automobilindustrie und im Energiesektor. Dies auch, weil sich in der Nachhaltigkeitsdebatte ein Thema zum zentralen Treiber entwickelt hat, das noch vor wenigen Jahren im Bereich Umweltschutz eine eher marginale Rolle spielte: der Klimawandel.
Da die Folgen des Klimawandels weltweit immer spürbarer werden, muss man kein Prophet sein, um zu prognostizieren: In den kommenden Jahren wird der Klimawandel von einem wachsenden Teil der Bevölkerung als eine massive Bedrohung des menschlichen Lebens gesehen werden. Hierdurch wird sich auch das Denken und Kaufverhalten der Kunden weiter verändern. Zudem wird die Politik stärker zu einem regulierenden Eingreifen gezwungen sein. Deshalb ist absehbar: Die Wirtschaft wird mit immer schärferen Vorgaben im Bereich Umwelt- und Klimaschutz konfrontiert sein. Zudem werden mehr Leistungsträger der Unternehmen – also Personen, auf deren Know-how, Können und Engagement sie angewiesen sind – ihren Arbeitgeber fragen, inwieweit dieser klima- und umweltschonend arbeitet und einen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele leistet. Deshalb werden die Unternehmen sich künftig ganzheitlicher im Sinne des Drei-Säulen-Modells mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und die erforderlichen Transformationsprozesse durchlaufen müssen, wenn sie ihre Existenz nachhaltig sichern möchten.
In den Chef-Etagen vieler Unternehmen fand ein Umdenken statt
Dieses Bewusstsein wächst zunehmend auch in den Chef-Etagen der Unternehmen. Deshalb findet in ihnen eine wachsende Zahl entsprechender Projekte statt. In ihnen dienen die von den Vereinten Nationen formulierten Nachhaltigkeitsziele oft als Basis für eine Reflexion:
- Was bedeutet für uns ein nachhaltiges Wirtschaften und Arbeiten?
- Worin zeigt sich ein solches in unserer Alltagsarbeit in all unseren Geschäftsbereichen und -prozessen?
- Welche Entwicklungsziele sind unsererseits damit verbunden – ökonomisch, ökologisch und sozial? Und:
- Welche Veränderungen sind hierfür in unserer Organisation auf der kulturellen, strukturellen und prozessualen Ebene nötig?
Aus den Ergebnissen werden dann Nachhaltigkeitskonzepte abgeleitet und hieraus wiederum Change- und Transformationsprojekte. Zudem werden in immer mehr Unternehmen bereichs- und funktionsübergreifende Projektgruppen installiert, die das Nachhaltigkeitskonzept kontinuierlich weiterentwickeln, denn letztlich gilt: Wenn es um das Thema nachhaltige Entwicklung bzw. nachhaltig wirtschaften und arbeiten geht, sind wir zurzeit alle noch Lernende bzw. Suchende nach dem erfolgversprechenden Weg.
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen verabschiedeten 2015 die Agenda 2030. In ihr sind 17 globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), formuliert. Diese umfassen ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungsaspekte.
Ziel 1: Armut in jeder Form überall beenden – u.a. die absolute, existenzbedrohende Armut vieler Menschen weltweit beseitigen und die relative Armut mancher Bevölkerungsgruppen in zahlreichen Staaten verringern.
Ziel 2: Ernährung weltweit sichern – u.a. durch eine nachhaltige Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen fördern – u.a. allen Menschen den Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung, gesunden Ernährung, sauberem Wasser und reiner Luft ermöglichen.
Ziel 4: Hochwertige Bildung weltweit – u.a. alle Menschen sollen eine chancengerechte, hochwertige Bildung erhalten.
Ziel 5: Gleichstellung von Frauen und Männern – nicht nur rechtlich, sondern auch im Alltagsleben.
Ziel 6: Wasser in bester Qualität – u.a. eine sichere und nachhaltige Versorgung aller Menschen weltweit mit sauberem (Trink-)Wasser.
Ziel 7: Bezahlbare Energie aus nachhaltigen Energiequellen – u.a. als Voraussetzung für eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung und einen effektiven Umwelt- und Klimaschutz.
Ziel 8: Ein nachhaltiges Wirtschaften als Chance für alle – u.a. global für soziale Mindeststandards und ein adäquates (Arbeits-)Einkommen sorgen.
Ziel 9: Innovation und Infrastruktur-Ausbau – u.a. durch intelligente Innovationen, moderne Infrastrukturen und eine leistungsfähige Industrie für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie nachhaltige Bildungs- und Gesundheitssysteme sorgen.
Ziel 10: Weniger Ungleichheiten – u.a. weltweit die Ungleichheit bei den Einkommen, Vermögen und Entwicklungschancen verringern.
Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden – u.a. bezahlbaren Wohnraum schaffen und eine integrierte Stadtentwicklungspolitik betreiben.
Ziel 12: Nachhaltig produzieren und konsumieren – u.a. mit den natürlichen Ressourcen sparsam sowie umwelt-, klima- und gesundheitsschonend umgehen.
Ziel 13: Weltweiter Klimaschutz – u.a. den Klimawandel deutlich begrenzen, so dass Extremwetterereignisse wie Dürren und Überschwemmungen vermieden und nicht Teile der Erde unbewohnbar werden.
Ziel 14: Leben unter Wasser schützen – u.a. eine weitere Verschmutzung der Meere vermeiden und dafür sorgen, dass diese als Lebensraum sowie Nahrungs-, Rohstoff- und Energiequellen bewahrt werden.
Ziel 15: Leben an Land – u.a. dafür sorgen, dass die Ökosysteme intakt bleiben und nicht Umweltkatastrophen eine nachhaltige Entwicklung gefährden und Hunger und Armut bewirken.
Ziel 16: Starke und transparente Institutionen – u.a. nicht korrupte, rechtsstaatlich handelnde Institutionen schaffen und fördern, die gut reagieren, für Frieden und Gerechtigkeit sorgen und eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen.
Ziel 17: Globale Partnerschaft – u.a. durch eine starke, weltweite Partnerschaft dafür sorgen, dass die Nachhaltigkeitsziele erreicht und die damit verbundenen Herausforderungen gemeistert werden.
Deutschland bekannte sich zu einer „ambitionierten Umsetzung“ der Sustainable Development Goals (SDGs). In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2017 hat die Bundesregierung dargelegt, wie die globalen Nachhaltigkeitsziele in Deutschland umgesetzt werden sollen. Die Zielerreichung soll im Vier-Jahres Rhythmus überprüft werden.
(Quelle u.a.: Webseite der Bundesregierung „Globale Nachhaltigkeitsstrategie: Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt“)
Über den Autor:
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.