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Wie viele Mitarbeiter und welche Kompetenzen benötigen wir in fünf oder gar zehn Jahren? Das wissen aufgrund der Schnelllebigkeit der Wirtschaft die meisten Unternehmen heute nicht. Deshalb wird ihre Personalentwicklung rasch zur Irrfahrt – wenn sie keinen Kompass zum Überprüfen des Kurses haben.

Unternehmen müssen heute dafür sorgen, dass ihnen mittel- und langfristig die Mitarbeiter mit der benötigten Kompetenz zur Verfügung stehen. Das ist leicht gesagt – doch im Betriebsalltag immer schwieriger zu realisieren. Denn in der sogenannten VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) von heute können Unternehmen nur noch bedingt einschätzen,

  • wie sich ihr Markt in den nächsten fünf oder gar zehn Jahren entwickelt,
  • welche Problemlösungen dann aufgrund des technischen Fortschritts möglich sind und
  • welche Auswirkungen sich hieraus für ihr Geschäftsmodell ergeben.

Deshalb können sich viele personalpolitische und -strategische Entscheidungen, die heute sinnvoll erscheinen, in zwei, drei Jahren als falsch erweisen.

Mit diesem Problem kämpfen fast alle Unternehmen. Trotzdem müssen sie eine vorausschauende Personalpolitik betreiben – auch weil absehbar ist: In einigen Jahren werden gute Fach- und Führungskräfte noch rarer sein, als sie es heute bereits in vielen Bereichen sind. Entsprechend begehrt und umworben werden sie sein. Und entsprechend schwer und teuer wird es für Unternehmen sein, sie am Arbeitmarkt einzukaufen. Also liegt die Idee nahe, die benötigten Kompetenzen – soweit möglich und sinnvoll – selbst zu entwickeln.

Die Zukunft gedanklich vorweg nehmen

Doch wie dabei vorgehen? Zunächst gilt es zu ermitteln beziehungsweise zu definieren: Welche Ziele will unser Unternehmen mittel- und langfristig erreichen? Denn daraus können Sie als Personalverantwortlicher ableiten: Welche Ziele und Kernaufgaben ergeben sich hieraus für die Personalarbeit? Einfach ist diese Zieldefinition nicht. Denn hierbei sind unter anderem folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  • Wie entwickelt sich unser Markt?
  • Mit welchen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen müssen wir rechnen? Und:
  • Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?

Diese Fragen beziehen sich alle auf die Zukunft; entsprechend viele Annahmen fließen in die Antworten ein. Und mit entsprechender Vorsicht sind sie zu genießen. Dessen ungeachtet ist diese Basisarbeit nötig, damit die Kompetenzentwicklung nicht zur Fahrt ins Blaue wird.

Die möglichen Engpässe identifizieren

Sind die Ziele des Unternehmen und der Personalarbeit definiert, können Sie hieraus ableiten: Wie viele Mitarbeiter mit welcher Qualifikation benötigt unser Unternehmen voraussichtlich in drei, fünf oder gar zehn Jahren? Damit ist aber noch nicht klar, welcher Handlungsbedarf besteht. Um dies zu klären, sollten Sie zunächst ermitteln:

  • Wie sieht unsere Personalstruktur beispielsweise in fünf Jahren voraussichtlich aus, wenn wir unsere bisherigen Personalaktivitäten fortschreiben?
  • Welche Altersstruktur hat dann unsere Belegschaft?
  • Welche Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen haben wir dann?

Diese Daten können Sie mit den Daten abgleichen, welche Qualifikationen Ihr Unternehmen voraussichtlich braucht. Aus diesem Soll-/Ist-Vergleich ergibt sich der akute Handlungsbedarf.

Zeigen kann sich zum Beispiel: Wenn wir nichts tun, haben wir in drei Jahren zu wenig Fachkräfte, die sich mit der Produktion von Sensoren oder Leuchtdioden auskennen. Oder: Ohne zusätzliche Anstrengungen und Initiativen können wir in fünf Jahren nur noch einen Bruchteil der altersbedingten Abgänge bei den Führungskräften mit eigenem Nachwuchs kompensieren.

Sind die möglichen Engpässe identifiziert, gilt es Handlungsalternativen zu entwerfen, um diese zu vermeiden. Die Kernfrage lautet hierbei: Welche Wege könnten wir beschreiten, um sicherzustellen, dass unser Unternehmen künftig über die voraussichtlich benötigen Kompetenzen verfügt? Zum Beispiel in den Bereichen Personalmarketing sowie Mitarbeiterrekrutierung, aber auch Aus- und Weiterbildung.

Die Handlungsalternativen bewerten

Die Handlungsalternativen sind meist schnell formuliert, denn mehr als ein Dutzend haben Unternehmen in der Regel nicht. Schwieriger ist es, die Alternativen zu bewerten, denn hierbei gilt es neben Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten auch die voraussichtliche Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen.

Hierfür ein Beispiel. Ein Unternehmen bildete bisher 50 Prozent der benötigten ITler und Techniker  selbst aus. Den Rest heuerte es extern an, denn dies war günstiger als den Bedarf rein über eigene Ausbildungsaktivitäten zu decken. Diese Strategie kann heute richtig sein. Doch in fünf Jahren? Dann kann sie völlig falsch sein. Zum Beispiel, wenn das Angebot an Technikern mit der benötigten Qualifikation knapp wird – sei es, weil deren Gesamtzahl sinkt oder weil auch die anderen Unternehmen mehr Techniker benötigen. Dann wird es für das Unternehmen nicht nur schwieriger, die erforderlichen Techniker zu akquirieren. Es muss auch damit rechnen, dass ihm Mitbewerber mehr Techniker abwerben.

Deshalb könnte für die Zukunft die richtige Personalstrategie zum Beispiel lauten: Wir

  • erhöhen unsere Ausbildungsquote auf 60 Prozent,
  • starten ein Qualifizierungsprogramm für unsere angelernten Kräfte, damit sie künftig auch Technikeraufgaben übernehmen können, und
  • zeigen unseren Technikern neue, attraktive Karrierewege in unserem Unternehmen auf, um sie stärker an uns zu binden.

Sich für eine Strategie entscheiden

Sind die Handlungsalternativen bewertet, gilt es zu entscheiden: Welchen Weg schlagen wir ein? Danach gilt es, erneut unter Qualitäts- und Effizienzgesichtspunkten die einzelnen Maßnahmen zu planen. So kann zum Beispiel eine Grundentscheidung lauten:

  • Wir bilden die zusätzlich benötigten Techniker nicht selbst aus, sondern übertragen diese Aufgabe einem externen Dienstleister, damit wir nicht die Infrastruktur hierfür aufbauen müssen. Oder:
  • Wir setzen beim Weiterbilden unserer angelernten Kräfte primär auf Blended Learning, also ein Kombination von Seminarlernen und E-Learning, damit die Kosten überschaubar bleiben. Oder:
  • Um unsere Techniker nicht nur über die Vergütung an uns zu binden, bieten wir den Spitzenkräften künftig die Chance, ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren.

Ausgehend von den Zielen und Grundentscheidungen wird nun also ein Maßnahmenbündel geschnürt. Dieses steht aber stets unter folgenden Vorbehalten:

  • Durch die Maßnahme x erzielen wir die Wirkung y. Und:
  • Unser Unternehmen und der (Arbeits-)Markt entwickeln sich wie folgt: …..

Den Kurs regelmäßig überprüfen

Das heißt: Auch in die Maßnahmen fließen viele Annahmen und Vermutungen ein. Deshalb sollten Sie im Verlauf des Personalentwicklungsprozesses regelmäßig überprüfen.

  • Waren unsere Annahmen richtig? Und:
  • Sind wir noch auf dem richtigen Weg, die definierten Ziele zu erreichen, oder müssen wir die Maßnahmen überdenken oder ergänzende Maßnahmen ergreifen?

Denn nur dann kann der Erfolg gesteuert werden und ist bei Bedarf ein Gegensteuern möglich. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es Ihnen bei der Personalentwicklung wie Kolumbus ergeht, als er einen neuen Seeweg nach Indien suchte. Sie landen stattdessen in Amerika. Das ist nicht schlimm – sofern Sie dies wissen und sich bewusst für das neue Ziel entschieden haben.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist u.a. Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

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