Strategieentwicklung - Die drei wichtigsten Denk- und Strategie-Schulen

In der Managementlehre gibt es sich viele Ansätze sowie mehrere (Denk-)Schulen zum Entwickeln einer Strategie. Sie zu kennen ist wichtig, um sich bei der Strategieentwicklung für das adäquate Vorgehen zu entscheiden.

Unternehmen benötigen, um mittel- und langfristig erfolgreich zu sein, eine Strategie. Das heißt, die Verantwortlichen in der Organisation müssen – mit oder ohne externe Unterstützung – einen Konsens darüber erzielen,

  • welche (Entwicklungs-)Ziele wollen und können wir als Unternehmen mittel- und langfristig erreichen und
  • wie, also durch welches strategische und taktische Vorgehen, erreichen wir diese Ziele.

Der Prozess der Strategieentwicklung ist oft ein mühsamer, nicht nur weil hierbei viele Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind, sondern auch aus folgenden Gründen:

  • Im Prozess der Strategieentwicklung wird die Zukunft gedanklich vorweggenommen (u.a.: Wie entwickelt sich voraussichtlich der Markt? Welche Problemlösungen sind „technisch“ mittel- und langfristig möglich?). Deshalb fließen in den Strategieentwicklungsprozess auch viele Annahmen ein.
  • Die an der Strategieentwicklung beteiligten Personen haben aufgrund ihrer Biografie, Erfahrung und Funktion in der Organisation oft eine unterschiedliche Einschätzung der Situation und davon, wie sich voraussichtlich die Zukunft gestaltet. Deshalb divergieren auch ihre Meinungen darüber, was strategisch sinnvoll und realistisch ist. Entsprechend schwer lässt sich häufig ein Konsens bzw. Commitment erzielen.

Doch davon unabhängig ist der Prozess der Strategieentwicklung für den Erfolg eines Unternehmens extrem wichtig – u.a. weil ohne eine in sich konsistente Strategie außer den Entscheidern auch den Mitarbeitern im Unternehmen der nötige Kompass für ihre Entscheidungen und Handlungen im Arbeitsalltag fehlt. Entsprechend viele Ansätze und Methoden zum Entwickeln einer „guten“ Strategie, die sich oft nur in Nuancen unterscheiden, wurden schon entwickelt. Diese lassen sich meist folgenden drei Denk- oder Strategie-Schulen zuordnen.

Strategie-Schule 1: die Planschule

Der Planschule ist  der Grundsatz inhärent, dass aufbauend auf Analysemethoden (wie z.B. SWOT, Balanced Scorecard) am Ende des Strategieprozesses ein klares (Entwicklungs-)Ziel mit einem dazugehörigen Umsetzungsplan steht.

Die Planschule zielt darauf ab, nach dem Strategieentwicklungsprozess einen „Gesamtentwurf“ zu haben, mit dem das Unternehmen das Budget und die  Pläne zur operativen Umsetzung erstellen kann.  Prämissen, auf denen die Planschule beruht, sind:

  • Die Strategie ergibt sich aus einem kontrollierten, bewussten Prozess formaler Planung.
  • Die Prozessverantwortung liegt bei der Unternehmensleitung.
  • Damit die Strategie unter detaillierter Betrachtung der damit verbundenen Ziele, Maßnahmen und Pläne implementiert werden kann, muss diese konkret ausgearbeitet und -formuliert sein.

Strategieentwicklungsprozesse, die dem Anspruch der Planschule folgen, laufen in der Regel nach folgendem Schema ab. In einem ersten Schritt wird eine Bestandsaufnahme vorgenommen, dann werden die künftigen Ziele bzw. die strategische Ausrichtung und Positionierung festgelegt, um anschließend die Planung der Maßnahmen und Aktionen zum Erreichen der fixierten Ziele vorzunehmen. Das Ergebnis eines Strategieentwicklungsprozesses ist somit stets ein Gesamtkonzept, das den Anspruch erhebt, gut durchdacht zu sein.

Stärken der Planschule: Ein Vorzug dieser Vorgehensweise ist, dass zunächst viel Energie in das Ermitteln und Definieren der Richtung, in der das Unternehmen sich entwickeln soll, fließt. Das Strategie-Team, also die Personen, die sich damit beschäftigen, investieren viel Zeit und verarbeiten zahlreiche Informationen, um zu dem Gesamtkonzept zu gelangen. Da sich die Beteiligen bewusst sind, dass das Strategieergebnis-Dokument weitreichende Konsequenzen für die Ausrichtung des Unternehmens hat, fließt viel „Hirnschmalz“ in den Prozess. Zudem müssen die Entscheider sich zusammenraufen, um eine Entscheidung über die künftige Ausrichtung des Unternehmens treffen. Dies führt automatisch zu einem „Alignment“, also einer Verständigung der Beteiligten darüber, wohin die Reise des Unternehmens hingehen soll.

Schwächen der Planschule: Ein Nachteil liegt in der Annahme, dass die Zukunft prognostiziert und eine erfolgversprechende Strategie (langfristig) geplant werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zukunft determiniert ist und wie gedacht und geplant eintritt, sinkt in der VUKA-Welt jedoch zunehmend. Auf überraschend oder plötzlich eintretende Veränderungen zum Beispiel im Markt kann die Planschule nur schwer flexibel reagieren – auch weil ein bedarfsorientiertes Anpassen und Revidieren der Strategie von den Beteiligten nicht selten als ein Indiz für die Schwäche der erarbeiteten Strategie interpretiert wird. Deshalb kann es passieren, dass Unternehmen weiterhin am beschlossenen Kurs festhalten, obwohl neuere Indikatoren dafür sprächen, die Strategie zu revidieren.

Strategie-Schule 2: die Unternehmerschule

Speziell im Mittelstand gibt es oft Unternehmerpersönlichkeiten, die z.B. aufgrund ihrer Marktkenntnis und/oder Kenntnis gewisser Kunden-/Zielgruppen intuitiv ahnen, wie sich die Märkte entwickeln werden. Deshalb erfolgt gerade im Mittelstand die Strategieentwicklung häufig in einem inneren Dialog des jeweiligen Unternehmers bzw. Top-Entscheiders. Das heißt: Entscheidungen über die künftige Ausrichtung werden von Einzelpersonen und mit unternehmerischem Mut zum Risiko getroffen.

Gemäß der Unternehmerschule ist die Strategie eine Perspektive der Leader einer Organisation, die mit einer klaren Vorstellung von der Zukunft und der einzuschlagenden Richtung (Vision) einhergeht. Die Strategie speist sich hierbei weitgehend aus der Intuition, dem Urteilsvermögen sowie den Erfahrungen und Erkenntnissen des jeweiligen „Chefs“. Oft kann dieser seine strategischen Entscheidungen nicht mit Zahlen, Daten und Fakten begründen. Er spürt jedoch, dass sich im Markt (z.B. aufgrund der technologischen Entwicklung oder des Verhaltens der Mitbewerber) gewisse Chancen oder neue Wege eröffnen, die er dann als Pionier zu nutzen bzw. gehen versucht – ähnlich wie Christoph Kolumbus dies tat. Als er vorschlug, nach Westen zu segeln, um im Osten anzukommen, hielten ihn in seiner Zeit viele für verrückt Prämissen, die der Unternehmerschule zugrunde liegen, sind:

  • Die Strategie resultiert aus der Vision des Leaders von der Zukunft; sie ist ein Ausdruck seiner Gedankenwelt.
  • Der Prozess der Strategieentwicklung basiert auf der Erfahrung und Intuition der Unternehmensführung – auch wenn diese die Strategie nicht selbst formuliert.
  • Der oder die Leader verfolgen ihre Vision zielstrebig und ihre Strategie mit Nachdruck und können diese im Umsetzungsprozess bei Bedarf, aufgrund ihrer exponierten Position in der Organisation, revolvierend anpassen.
  • Die strategische Vision ist veränder- und entwickelbar, sofern sich die Gedanken-/Erfahrungswelt des Leaders wandelt.
  • Die Organisation ist top-down formbar.

Stärken der Unternehmerschule: Ein Vorteil dieser Schule liegt in der Kraft, neue Wege zu gehen – unter anderem, weil die Strategie nicht ausschließlich auf Fakten und Zahlen basiert (die meist nur die Vergangenheit und/oder Gegenwart widerspiegeln), sondern auch auf einer Vision davon, wie sich die Zukunft gestalten könnte. Zudem existiert mit dem Leader in der Regel ein „Motor“, der die Strategieumsetzung vorantreibt.

Schwächen der Unternehmerschule: Die Bedenken gegen die Unternehmerschule richten sich vorwiegend gegen die Konzentration des Strategieentwicklungsprozesses auf einzelne Personen, die aufgrund ihres Unternehmer-seins und ihrer Persönlichkeit auch eine bestimmte Weltsicht haben. Andere Perspektiven werden nicht selten ausgeblendet.

Der Strategieentwicklungsprozess wirkt von außen oft wie eine „Black Box“, da die Schlüsselentscheidungen im „Kopf“ der Leader getroffen werden. Dadurch mangelt es so entwickelten Strategien häufig an der nötigen Akzeptanz in der Organisation für die Ideen des Chefs. Bei der Unternehmerschule geht es somit vor allem darum, eine „Verständnis-Verbindung“ zwischen dem „Chef“ und dem Rest der Organisation zu schaffen. Nur, wenn die Ideen des visionären Leaders von den Mitarbeitern geteilt werden, entsteht die gewünschte Veränderungs- oder Entwicklungsdynamik.

Strategie- Schule 3: die Lernschule

Der Grundgedanke der Lernschule ist es, dass der Prozess der Strategieentwicklung ein kontinuierlicher Lernprozess ist. Primäres Ziel hierbei ist es, dass sich die Mitglieder der Organisation permanent mit der Zukunft befassen und ihr aktuelles Handeln reflektieren. Das Management soll nicht nur „ausführendes Organ“ sein, sondern sich dauerhaft verantwortlich für die Ausrichtung des Unternehmens fühlen.

Da sich die Umwelt permanent ändert, bedeutet dies, dass vor allem die Führungsmannschaft regelmäßig die neuen Indikatoren aufgreift und analysiert. Hieraus zieht sie dann Schlussfolgerungen für das künftige Geschäft und startet auch entsprechende „Versuchsballons“. Der Satz „Lasst uns mal testen, ob diese Richtung interessant und dieser Weg zielführend ist“, ist bei dieser Schule häufig zu hören. Der Prozess der Strategieentwicklung wird als ein Prozess der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit der Zukunft gesehen.

Prämissen der Lernschule sind:

  • Der komplexe und unvorhersehbare Charakter der Umwelt schließt eine langfristige (Detail-)Planung und bewusste Kontrolle der Entwicklung aus.
  • Das kollektive System als solches ist ein Element des Lernprozesses.
  • Ein das Verhalten und Vorgehen reflektierendes Denken ist ein zentrales Element der Strategieentwicklung und des kollektiven Lernens.
  • Aufgabe der Unternehmensführung ist es, den strategischen Lernprozess zu managen, so dass neue Strategien sich evolutionär entwickeln können.

Stärken der Lernschule: Ein Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der Schaffung einer positiven Grundhaltung der Mitarbeiter gegenüber Veränderungen. Wird diese Strategieschule konsequent verfolgt, kann die Organisation früh Indikatoren aus dem Markt aufgreifen und darauf reagieren. Es besteht eine hohe Flexibilität und Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und damit zu experimentieren.

Schwächen der Lernschule: Ein solches strategisches Vorgehen kann zu einer Orientierungslosigkeit und einem fehlenden „Alignment“ führen, da keine längerfristigen strategischen Vorgaben existieren, die sozusagen „blind“ zu befolgen sind. Vielmehr werden die strategischen Entscheidungen immer wieder hinterfragt und weiterentwickelt. 

Die Bedeutung der Strategie-Schulen

Alle genannten Strategieschulen haben Vor- und Nachteile bzw. Stärken und Schwächen, die abhängig unter anderem vom Geschäftsfeld, der Größe sowie Kultur und Struktur eines Unternehmen sowie dessen Marktposition mehr oder minder relevant sein können. Entsprechend wichtig ist es, die verschiedenen Strategieschulen zu kennen, um sich bei der Strategieentwicklung für das adäquate Vorgehen entscheiden zu können.

Generell lässt sich jedoch sagen: Die Lernschule hat in den zurückliegenden Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, da sich die Rahmenbedingungen unter denen die Unternehmen agieren, immer schneller ändern. Deshalb ist ihre Zukunft immer weniger langfristig planbar.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist Autor mehrerer Change- und Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

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