Storytelling für wirkungsvolle Präsentationen und für nachhaltige Wissensvermittlung generell nutzen. Geschichten zu erzählen gehört zu den Grundbedürfnissen aller Menschen auf Erden. Sie berühren und bewegen Menschen. Und ermutigen zur Weiterentwicklung.
Reflexionsfähigkeit ist eine der wichtigsten sozialen Kompetenzen. „Erkenne Dich selbst“ kann man im Apollontempels in Delphi lesen. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Der Dunning-Kruger-Effekt wurde mit dem satirischen Nobelpreis ausgezeichnet, weil er zunächst zum Schmunzeln und dann zum tieferen Nachdenken führt: die beiden Forscher erkannten, dass inkompetente Menschen teilweise mehr Selbstvertrauen haben als kompetente. Unbewusst Inkompetente überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und unterschätzen die der Kompetenten. Viele Zuseher von Fußballspielen sind überzeugt, besser zu wissen als der Trainer, was das Team zum Erfolg führt. Es bracht bereits Kompetenz, um die eigene Inkompetenz zu erkennen. Bei diesem fundamentalen Lernschritt sind Geschichten äußerst hilfreich. In ihrem Spiegelbild kann man augenzwinkernd und damit leichter verdaulich die eigenen Stärken und Defizite erkennen. Wir alle kennen den Effekt, dass die uns zu den Problemen Anderer viel eher Lösungsstrategien einfallen. Selbst haben wir oft blinde Flecken. Geschichten sind eine kreative Form, diese zu beleuchten.
Darin besteht auch die Faszination von Märchen: sie lassen uns die Archetypen unserer Seele verstehen. Die tiefenpsychologische Märcheninterpretation von C.G. Jung bietet faszinierende Einsichten in die Herausforderungen und Lösungsstrategien in der eigenen Lebensgeschichte.
Abgesehen davon fördern Geschichten die sinnliche Vorstellungskraft und damit die Leistungs- und Merkfähigkeit unseres Gehirns.
Eine wesentliche Botschaft guter Geschichten ist auch: ich stehe mit meinen Problemen nicht alleine da. Ich fühle mich mit meinen Herausforderungen verstanden. Geschichten mit Extrembeispielen relativieren auch die eigenen Sorgen und Nöte. Wenn z.B. Führungskräfte im Sandwich über die inneren Loyalitätskonflikte zwischen dem eigenen Vorgesetzten und dem Team klagen, erzähle ich ihnen ein konkretes Beispiel aus der Baubranche: Dort fährt die Führungskraft mit dem Team am Montag von Linz nach Wien und erst wieder am Freitag nach Hause. Tagsüber ist der Chef auf der Baustelle und er übernachtet gemeinsam mit dem Team in der Firmenwohnung. Neugierde ist geweckt, die Problemstellungen und Herausforderungen kommen noch klarer heraus und ich kann mir entspannt denken: zum Glück teile ich nicht das Badezimmer mit meinen Kollegen!
Mit Geschichten Aufmerksamkeit erzeugen und Menschen fesseln
Storytelling erhöht die Präsenz und fokussiert die Aufmerksamkeit der Teilnehmer. Die Geschichten sollen möglichst viele Menschen abholen, Neugierde wecken und gute Emotionen erzeugen. Das funktioniert umso besser, je glaubwürdiger und authentischer die Geschichten sind. Von daher erzähle ich fast ausschließlich Geschichten aus dem eigenen Leben: Neutralisierte berufliche Erfahrungen, Geschichten von Kindern, die Verhaltensweisen viel unmittelbarer und direkter zeigen, Episoden aus Sport und Hobbys. Gegenüber den Teilnehmern oute ich mich meist am Beginn, dass mein didaktisches Prinzip der Loriot’sche Fliegenspray ist: der deutsche Komiker hat einen Spray erfunden, durch den die Fliegen kaninchengroß werden, damit man sie besser fangen kann. Die satirische Überzeichnung wirkt wie ein Vergrößerungsglas, durch das man entscheidende Details menschlichen Verhaltens leichter erkennen kann. Und durch die merk-würdige Verpackung entstehen hirngerechte Eselsbrücken, die das nachhaltige Merken wesentlich fördern.
Super Geschichten sind auch intelligente Witze.
Erfolgsfaktor: Vielversprechender Einstieg
Wie beim Fliegen sind Start und Landung besonders erfolgsentscheidend: Im Radiosender Österreich 1 hat es eine eigene Sendung gegeben, in denen 1. Sätze von Romanen vorgestellt wurden. Einstiegssätze zu Lieblingsgeschichten von mir sind zum Beispiel: „Ich war das artigste Kind von Österreich und habe mich weiterentwickelt.“, „Ich habe mit meinem Sohn irrtümlich eine Radtour für sportliche Radfahrer gebucht.“ „Ich hab unabsichtlich das Weltbild einer AKH-Mitarbeiterin nachhaltig erschüttert und erweitert.“ oder „Mein Kreuzband im Knie ist bei einem Freudentanz in der Arbeitszeit gerissen.“ Einstiegssätze sollen Spannung erzeugen, Neugierde und Interesse wecken. Er soll überraschend sein und darf auch irritieren. Eine Regisseurin hat mir auf die Frage, was ein guter Beginn eines Theaterstücks sei, geantwortet: „Der Beginn muss immer etwas sein, wo sich die Zuschauer aufrichten und zu sich sagen ‚Das ist jetzt nicht wahr. Das darf es nicht sein.‘“
Eine wesentliche Rolle spielt auch Humor. Über sich und eigene Pannen schmunzeln und lachen zu können, ist eine sympathische menschliche Fähigkeit von Trainern und Vortragenden und erleichtert wesentlich den Transfer.
Bei funktionierenden Geschichten kippen die TeilnehmerInnen in die Geschichte. Sie erleben sie sinnlich mit. Das geht nur dann, wenn menschliche Grundemotionen wie z.B. der Wunsch nach Akzeptanz, Gemeinschaft, Ängste etc. angesprochen werden. Bei Geschichten die Vorstellungskraft mit vielen sinnlichen Eindrücken zu wecken ist zielführend. In den Zuhörern sollen Bilder, Filme, Klänge, Gerüche entstehen. Sie sollen miterleben und mitzittern. Naheliegend ist, körperliche Empfindungen mit Gestik, Mimik, Körpersprache zu untermauern und zu stärken.
Geschichten erzeugen Spannung und bleiben in Erinnerung
Der Philosoph Martin Buber hat gemeint: „Wo ein Gespräch gelungen ist, ist uns etwas geblieben,
das uns verändert hat.“ Jede gute Präsentation soll eine Wirkung erzielen, die vorher wohlüberlegt geplant werden muss, und ganz wesentlich vom Zielpublikum abhängt. So gut wie immer geht es dabei nicht nur um Zielsetzungen auf der Sachebene fachlicher Inhalte sondern auch um die emotionale Ebene. Häufig möchte ich mit einer Präsentation Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflussen. Ich möchte z.B. Akzeptanz und Vertrauen der Zuhörer gewinnen, vielleicht sogar eine Entscheidung herbeiführen. Professor Samy Molcho hat gemeint: „Sesseln kann ich auf der Sachebene verrücken. Menschen kann ich nur auf einer emotionalen Ebene bewegen.“ Emotionen und Vorstellungskraft sind mit Geschichten viel wirkungsvoller zu fördern als mit Fakten. Selbst wenn ich die Messwerte und Testergebnisse eines Prototypen präsentiere, ist es sinnvoll diese mit Geschichten zu unterfüttern. Ich kann z.B. erzählen, was für mich selbst überraschend war – bzgl. der Herausforderungen oder der Ergebnisse. Das steigert das Interesse der Zuhörer. Ich kann mich an keine Präsentation in meinem Leben erinnern, die ich ohne Geschichten gehalten habe.
Spannung halten
Der Spannungsbogen ist entscheidend. Ausgangspunkt ist ein starker, überraschender Einstieg, bei dem im Kleinen schon alles enthalten ist. (siehe oben.) Besonders wirkungsvoll ist es, wenn sich Geschichten in mehreren Episoden durch den gesamten Vortrag ziehen. Zum Beispiel die Geschichte meines gerissenen Kreuzbands, die bei den einen Assoziationen zu ihren eigenen sportlichen Aktivitäten bzw. Unfällen und bei den anderen Mitgefühl weckt. Ich nutze sie, um einerseits zu erzählen, dass mir mein Missgeschick in der Arbeitszeit bei einem Freudentanz passiert ist, was eine AKH-Mitarbeiter aus der Fassung gebracht hat. Freude in der Arbeitszeit war für sie nicht vorstellbar. Später erzähle ich, dass wir bei Stress in alte Verhaltensmuster zurückfallen, wie z.B. ich, als ich nach der OP mein Bein nicht bewegen konnte. Oder in einer anderen Trainingspassage, wie wichtig es ist, Druck herauszunehmen: das Wissen, dass ich mir einen Rollstuhl ausgeborgt habe, war mein Sicherheitsnetz. Mein Popo hat den Rollstuhl nicht berührt – und die Leihgebühr war dennoch super investiert. Wieder später, um zu belegen wie kontraproduktiv Mitleid oder wie wichtig Siegerlaune ist.
Geschichten auch für „trockene“ Fakten
Ich habe als 22-jährige Frau nach Abschluss meines Doppelstudiums in der Erwachsenenbildung an einer Höheren Technischen Lehranstalt abends dreißig Männer in Mathematik und Physik, später auch in statistischen Methoden der Qualitätssicherung unterrichtet. Teilweise hatte ich die undankbare Aufgabe in den letzten Stunden den relativ trockenen Stoff zu vermitteln. Damals habe ich intuitiv begonnen, statistische Aufgaben in lustige Geschichten zu verpacken, um so die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Ich habe mir damals marketingtechnisch in meiner Fantasie einen Ur-Ur-Ur-Großvater zugelegt, der Hofnarr war. Mit diesem wertschätzenden Humor konnte ich mein fundiertes Wissen so vermitteln, dass es auch deutlich ältere Menschen als ich gut gesichtwahrend annehmen konnten. Ich habe dann sogar begonnen, die Gaußsche Glockenkurve der Normalverteilung im Ausdruckstanz zu verdeutlichen. „Sigma ist in Brusthöhe.“ wissen meine ehemaligen Schüler auch noch nach 30 Jahren.
Später habe ich meine unbewussten, intuitiven Kompetenzen des Geschichtenerzählens auf professionelle Beine gestellt, indem ich es mit Ausbildungen nachträglich fundiert habe. Unter Anderem habe ich mir von Regisseuren Feed-back geben lassen, warum meine Geschichten so gut funktionieren und wie ich sie noch verfeinern kann.
Eine zentrale Erkenntnis der Hirnforschung besteht auch darin, dass der Lustmodus High Performance und kreatives Lernen ermöglicht. In der Kombination zwischen analytischem Denken mit der Schubkraft positiver Emotionen liegt der nachhaltige Erfolg. Die Kombination von neuersten Erkenntnissen der Neurowissenschaften, mit glaubwürdigen, mitreißenden Geschichten, ansprechenden Bildern und einfachen, wirksamen Tools sind die Säulen von nachhaltig, hochwirksamen Trainings.
Vom Theater lernen
In meiner Freizeit bin ich Gründungsvorstand des Fördervereins Club Max Reinhardt Seminar. Von daher ist es naheliegend, von der Schauspielkunst zu lernen. Die zentrale Aussage von Max Reinhardts berühmter „Rede über den Schauspieler“ ist „Nicht Verstellung ist die Aufgabe des Schauspielers, sondern Enthüllung.“ In der Laienvorstellung geht es zentral um die Verkleidung. In der Schauspielkunst liegt die Herausforderung darin, unterschiedliche Rollen authentisch zu verkörpern. Storytelling lebt von der Präsenz. Ich selbst erlebe gerade diese Geschichte. TrainerInnen haben die gleiche Herausforderung wie Theaterschauspieler: sie erzählen immer wieder eine Geschichte – und sie muss immer wieder so funktionieren als würde ich sie das 1. Mal ganz spontan erzählen. Mein rettender Gedanke aus diesem Dilemma: ich erzähle zum 1. Mal diesen Menschen die Geschichte, den Witz, die Pointe. Ich selbst schlüpfe ganz in die Geschichte, durchlebe sie im Hier & Jetzt. Wenn ich die Episode so verinnerliche, dann verkörpere ich sie auch automatisch.
Geschichten im Business-Kontext zu erzählen, kann man lernen und trainieren. Dazu gestalte ich 2 x jährlich gemeinsam mit Professorin Rosee Riggs vom Max Reinhardt Seminar das Training „Regie führen auf beruflichen Bühnen – mit Geschichten Menschen bewegen“.
Über die Autorin:
Mag.a Monika Herbstrith-Lappe,
Die Business-Taucherin für langen Atem in den Strömungen der Wirtschaftswelt, Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, ursprünglich Mathematikerin und Physikerin mit Schwerpunkt Erkenntnistheorie, jetzt High Performance Coach, Keynote-Speaker, mehrfach ausgezeichnete Top-Trainerin und Consultant Management Consultant.
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