Beitragsbild Weiterbildungsmarkt.net

Networking – so lautet ein aktuelles Zauberwort. Und insbesondere das Anbahnen von (Geschäfts-)Beziehungen via Internet erlebt einen regelrechten Boom. Dabei ist ein echter persönlicher Kontakt in der Regel hundert Mal mehr wert als ein virtueller.

Kennen Sie die Metzgerei Sinner? Nein! Das überrascht mich nicht! So hieß die Metzgerei im Dorf, in dem ich aufwuchs. Warum ich Ihnen das erzähle? Weil deren Inhaber bereits ein 1A-Networker war, lange bevor das World-Wide-Web und der Begriff Networking erfunden wurden.

Wenn im Dorf etwas gefeiert wurde, ergriff irgendwann stets der Vereinsvorsitzende, Schulleiter oder Pfarrgemeinderatsvorsitzende das Mikrophon und sagte: „Besonders danken möchte ich der Metzgerei Sinner für die Bratwürste, die sie gespendet hat“ oder „…für den Schinken, den sie für die Tombola gestiftet hat“. Woraufhin Metzgermeister Sinner, der selbstverständlich im Saal saß, sich schwerfällig von seinem Platz erhob, sich mit seinen Schweinebäckchen lächelnd nach links und rechts verneigte und sichtlich die wohlwollenden Blicke sowie den Beifall genoss.

Kurz: Im Ort gab es keine Feier, bei der nicht auch die Wurst- und Fleischwaren von Metzgermeister Sinner anwesend waren, und dies obwohl ihr Schöpfer – das vermute ich – kein großzügiger Mensch war. Auf ein Spendenkonto hätte er wohl nie einen Cent überwiesen, denn das sieht ja keiner! „Und was gehen mich die hungerleidenden Kinder in Afrika an? Warum sollte ich für die einen Finger rühren? Da hab’ ich doch nix davon.“

Alter Wein in neuen Schläuchen

Metzgereimeister Sinner praktizierte lange bevor schlaue Marketingexperten die entsprechenden Begriffe erfanden, Networking und Sponsoring in Perfektion. Er war Mitglied in allen örtlichen Vereinen. Und vermutlich wäre er, wenn’s möglich gewesen wäre, auch Mitglied aller „demokratischen“ Parteien im Ort geworden – inklusive der NPD. „Denn auch die essen Worschd.“ Und überall verteilte er seine geräucherten und gepökelten milden Gaben – aber nur, wenn die Empfänger Ortsansässige waren, also zu seinen Zielkunden zählten, und klar war: Möglichst viele Leute bekommen es mit. Denn sonst macht das Schenken ja keinen Sinn. Oder?

Zuweilen habe ich im Kontakt mit Freiberuflern wie Trainern, Beratern und Coaches den Eindruck: Sie sollten mal eine Verkäuferlehre bei Metzgermeister Sinner machen. Oder sich von ihm zumindest erklären lassen, wie Networking funktioniert (selbst wenn er das Wort vermutlich nicht kennt). Denn immer wieder treffe ich Freiberufler, die mir zum Beispiel stolz erzählen, wie viele bestätigte Xing-Kontakte, „fans“ bei Facebook oder „follower“ bei Twitter sie haben und mit welch interessanten Leuten sie im World-wide-web parlieren. Und regelmäßig denke ich dann wie Metzgermeister Sinner: „Ja und? Was hast du davon? Hast du so schon einmal einen Cent verdient?“

Frage ich dies mal laut, dann lautet die Antwort meist: „Nein, aber…“ Denn bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Also chatten und networken besagte Freiberufler weiter ohne Unterlass – ähnlich wie dies meine pubertierenden Töchter in Facebook tun.

Persönliche Kontakte sind wertvoller als virtuelle

Spricht man mit besagten Freiberuflern länger, dann stellt man meist fest: Es gibt handfeste Gründe, warum sie ihre Zeit lieber im Second Life als im Real Life verbringen. In der Regel haben sie keine Strategie, wie sie aus ihren Unternehmungen lukrative Unternehmen machen könnten. Und oft können sie Kunden auch nicht viel mehr anbieten als die Meinungen, die sie im Web verkünden – unter anderem, weil sie aus ihren zahlreichen potenziellen Leistungen keine handfesten Produkte entwickelt haben.

Ein weiterer Grund, warum viele Freiberufler so gerne im Netz verweilen, ist: Sie haben Angst davor, direkt auf andere Leute zuzugehen, ihnen in die Augen zu blicken und zu sagen: „Ich will Ihnen was verkaufen.“ Also gehen sie beim Versuch, Kunden zu fangen, alle möglichen Umwege. Und stets hängen sie sich das Mäntelchen des Wohltäters um, der seinen Kontaktpersonen nichts verkaufen möchte. Er möchte mit ihnen nur kommunizieren und ihnen kostenlos, wertvolle Tipps geben.

Digitale Netzwerke haben gegenüber realen folgenden Nachteil: Die dort hergestellten Kontakte sind virtuelle und keine persönlichen. Entsprechend unverbindlich und wenig tragfähig sind sie.

Persönliche Kontakte pflegen statt im Netz turteln

Einige Leser mögen beim Lesen obiger Zeilen gedacht haben: „Stimmt nicht, ich habe durch das Chatten im Internet schon mal einen Auftrag an Land gezogen.“ Das mag sein. Doch Hand aufs Herz! Wie viel mehr Aufträge hätten Sie vermutlich an Land gezogen, wenn Sie dieselbe Zeit, die Sie im Netz verbrachten, darauf verwandt hätten, nach entsprechender Vorbereitung zum Beispiel Unternehmer in ihrer Region anzurufen und zu ihnen beispielsweise zu sagen: „Herr Müller…“ oder „Frau Mayer, Ihr Betrieb strukturiert, wie ich in der Zeitung las, gerade um. Damit verbunden sind gewiss folgende Aufgaben …. Was halten Sie davon, wenn wir uns mal zusammenzusetzen, um…“ Oder wenn Sie in Kooperation mit der örtlichen Sparkasse oder einem ortansässigen Büroeinrichter einen Infoabend für die regionalen Unternehmer zum Thema „….“ organisiert hätten. Dann hätten Sie nicht nur mehr echte, weil persönliche Kontakte geknüpft, Sie hätten vermutlich auch mehr Aufträge generiert als mit Ihren Netzaktivitäten.

Dies ist kein Votum gegen eine Präsenz im Web. Im Gegenteil! Sie wird immer wichtiger! Tragen Sie bei so vielen Webportalen wie möglich (kostenlos) Ihre Unternehmensdaten nebst Webadresse ein. Denn durch solche Verlinkungen steigt das Ranking Ihrer Webseite. Und optimieren Sie Ihre Online-Portraits (ebenso wie Ihre Webseite) auf die für Ihre Leistungen relevanten „Key-Words“, damit Ihr Zielkunden beim Googeln möglichst oft auf Sie stoßen. Viel mehr Zeit sollten Sie aber auf den Kontaktaufbau via Internet nicht verwenden. Denn ein realer Kontakt ist mehr wert als hundert virtuelle.

Was ist Ihre Meinung? Schreiben Sie einen Kommentar:

Please enter your comment!
Please enter your name here