So lassen sich Unternehmensfusionen erfolgreich gestalten

Wenn zwei Unternehmen fusionieren, prallen stets zwei gewachsene Kulturen aufeinander. Diese lassen sich schwerer als Prozesse und Strukturen harmonisieren. Zudem übersehen die Verantwortlichen oft: Auch in den Prozessen und Strukturen einer Organisation spiegelt sich deren Kultur wider.

Wenn zwei Unternehmen fusionieren, steht hierfür außer dem Ziel Wachstum, oft auch der Wunsch Pate, durch ein Senken der Kosten höhere Erträge zu erzielen. Entsprechend zwiespältig fühlen sich die Verantwortlichen, wenn sie vor die Mitarbeiter treten, um die Fusion zu verkünden – denn nicht selten geht mit ihr (zumindest mittelfristig) ein Stellenabbau einher. Entsprechend viel Wert legt das Top-Management in seinen Verlautbarungen darauf zu unterstreichen

  • „Die Fusion ist nötig und unumgänglich“,
  • „Wir können diese Veränderung meistern“ und
  • „Wir werden aus ihr – aufgrund der gebündelten Kräfte – gestärkt hervorgehen und so auch die verbleibenden Stellen sichern.“

Umso ernüchternder ist oft der graue Alltag nach dem Verkünden der Fusion. Denn häufig unterschätzen die Verantwortlichen die Tücken des damit verbundenen Integrationsprozesses – speziell auf der kulturellen Ebene. Denn die Kultur einer Organisation lässt sich anders als deren Strukturen und Prozesse nur begrenzt mit solchen Instrumenten wie Organigrammen und Ablaufdiagrammen erfassen. Ihre Entwicklung lässt sich auch nur bedingt am „Reißbrett“ planen. Deshalb verdrängt das Top-Management nicht selten ihre Bedeutung.

Unsicherheiten und Ängste ernstnehmen

Große Veränderungen lösen bei den Mitarbeitern stets Unsicherheiten und Ängste aus – unter anderem, weil es bei ihnen neben Gewinnern auch Verlierer gibt. Oder zumindest Personen und Bereiche, die sich als solche empfinden. Diese meist diffusen Ängste und Befürchtungen müssen aufgefangen werden. Sonst verdichten sie sich zu Widerständen.

Folgende Ängste können bei Fusionen unter anderem zu Widerständen führen:

  • Angst vor einem Arbeitsplatzverlust,
  • Angst vor neuen Aufgaben,
  • Angst vor dem Verlust wichtiger persönlicher Beziehungen (zum Beispiel aufgrund einer Versetzung),
  • Angst vor einem Verlust an Einfluss, Sozial-Prestige und
  • Angst vor geringeren Entwicklungs-/Karriere-Chancen.

Diese Ängste werden umso größer, je länger die Mitarbeiter nicht wissen: Was kommt auf mich zu? Deshalb sollten die Verantwortlichen in den betroffenen Organisationen diese Fragen so schnell wie möglich beantworten. Sonst brodelt die Gerüchteküche, und der Veränderungsprozess erscheint für die Mitarbeiter in einem stets negativeren Licht, weshalb sich sogar Personen gegen ihn stellen, die faktisch zu den Gewinnern zählen.

Ausreichend informieren und intensiv kommunizieren

Studien zeigen, dass Fusionen oft aus folgenden Gründen scheitern bzw. nicht die damit verbundenen Ziele erreichen:

  1. Die Mitarbeiter werden zu spät integriert. Und:
  2. Die Mitarbeiter werden fehlerhaft und ungenügend informiert.

Eine zentrale Ursache hierfür ist, dass viele Top-Executives der Überzeugung sind: „Wir sollten die Mitarbeiter erst informieren, wenn alles ‚in trockenen Tüchern‘ ist und ein für allemal feststeht – sonst erzeugen wir Unsicherheit.“

Fusionsprozesse lassen sich jedoch nicht im Voraus im Detail planen. Viele Entscheidungen haben einen vorläufigen Charakter – unter anderem, weil nicht alle Einflussfaktoren und Wechselwirkungen präzis erfasst werden können. Zudem betritt die Organisation oft Neuland. Sie hat noch keine oder wenig praktische Erfahrung mit Fusionen. Deshalb führt die Angst davor, falsch zu informieren, nicht selten dazu, dass die Betroffenen fast keine offizielle Information erhalten. Dieses Informationsvakuum nährt Gerüchte und Halbwahrheiten, die wiederum Ängste und Unsicherheiten schüren.

Deshalb sollte im Vorfeld jeder Fusion ein Kommunikationskonzept erstellt werden – mit folgenden Zielen:

  1. Verständnis für die Notwendigkeit der Fusion schaffen,
  2. Vertrauen für die damit verbundenen Entscheidungen aufbauen,
  3. Akzeptanz bei den Mitarbeitern (und Geschäftspartnern) erzeugen,
  4. Motivation für die einzelnen Schritte erzeugen und
  5. eine Basis für die Identifikation mit der neuen Organisation schaffen.

Kulturelle Unterschiede wahr- und ernstnehmen

Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte und Kultur. Fusionieren zwei Organisationen, entbrennt meist eine Kampf um das neue Leitbild. Diesen gewinnt, sofern der Prozess nicht gesteuert wird, in der Regel die besser positionierte Organisation, selbst wenn offiziell eine „Hochzeit unter gleichen“ verkündet wird. Dies verstärkt die Ressentiments der Mitarbeiter der „unterlegenen“ Organisation, was zu unnötigen Widerständen führt. Daher empfiehlt es sich, bei Fusionen eine Analyse durchzuführen, welche Elemente in den Kulturen der beiden Organisationen die Zielerreichung fördern und deshalb in die neue Kultur einfließen sollten.

Beim Versuch, die Kultur zu verändern, spielt das obere Management eine Schlüsselrolle. Es muss die neue Kultur vorleben. Jeder Versuch, Kulturveränderungen ausschließlich über das mittlere Management herbeizuführen, scheitert. Unterschätzt werden darf auch nicht die Langwierigkeit von kulturellen Veränderungsprozessen. Sie dauern in der Regel mindestens drei Jahre.

Trauer akzeptieren und respektieren

Gerade in Unternehmen mit einer langen Historie sind die Mitarbeiter oft stolz auf „ihr Unternehmen“. Bei einer Fusion bricht nicht selten ein Teil dieser Identität weg. Vielen Mitarbeitern, insbesondere denen, die schon lange für das Unternehmen arbeiten, fällt es schwer, sich von bisherigen Gewohnheiten, Ritualen und Gepflogenheiten zu verabschieden. Sie trauern. Im Privatleben gehen wir selbstverständlich davon aus: Ein „Abschiednehmen“ erfordert Zeit und dieser Prozess kann kaum forciert werden. Im beruflichen Kontext existiert hierfür oft kein Verständnis. Ein vorübergehend lethargisches (und manchmal sogar aggressives) Verhalten wird häufig nicht als Ausdruck von Trauer interpretiert und respektiert.

Grafik 1 zeigt, wie der Prozess des Sich-Lösens verläuft und dass Menschen zumeist erst wieder eine neue Bindung eingehen können, wenn die alte „verdaut“ ist. Das gilt es beim Planen von Integrationsprozessen zu bedenken.

Unternehmensfusionen Grafik

Vorhandene Energien kanalisieren

Bei Fusionen leben die Mitarbeiter bis zum Übergang in die neue Struktur oft in einem Schwebezustand:

  • Wie geht es weiter?
  • Was wird aus mir?
  • Gibt es meinen Job nachher noch?

Solche Fragen bewegen sie. In dieser Situation zeigen Mitarbeiter oft folgende Verhaltensmuster:

  • Winterschlaf: Sie identifizieren sich nicht mehr mit der Organisation, machen nur noch Dienst nach Vorschrift, folgen nur noch bedingt den Anweisungen ihrer Vorgesetzten usw.
  • Operative Hektik: Sie verfallen in Aktionismus. Es werden zahllose Projekte generiert. Die Mitarbeiter wollen überall mitmischen, um in einem guten Licht zu erscheinen. Nicht die Qualität der Arbeit, die „Show nach oben“ zählt.

Deshalb ist es wichtig, dass die Unternehmensführer den Führungskräften in ihrer Organisation und deren Mitarbeitern in der Übergangszeit eine Orientierung bieten, damit diese wissen, wie sie sich verhalten sollen. Ansonsten verpufft viel Energie wirkungslos.

Eine gewisse Überparteilichkeit wahren

Bei Fusionen werden meist in sehr kurzer Zeit folgenschwere Entscheidungen getroffen – zum Beispiel über das künftige Führungs- oder IT-System. Häufig setzt sich dabei nicht das bessere, sondern das Konzept der stärkeren Organisation durch. Felder werden besetzt und Territorien neu verteilt, wobei auch Eigeninteressen eine große Rolle spielen. Deshalb sollte die Führungsebene auf eine gewisse „Überparteilichkeit“ achten, damit insbesondere in der schlechter positionierten Organisation keine überflüssigen „Verlierer“ produziert werden, die den Prozess blockieren.

Fusionen sind ein schwieriges Geschäft – auch weil die eigentliche Arbeit erst nach dem Verkünden der Fusion beginnt. Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen sich bewusst sein: Eine gelungene Integration gibt es nicht zum Nulltarif. In den Monaten und Jahren nach dem Verkünden der Fusion müssen sie viel Energie in das Gestalten dieses Prozesses investieren. Zudem sollte dieser Prozess professionell gesteuert und durch externe Experten begleitet werden – auch um sicher zu stellen, dass bei den (Folge-)Entscheidungen stets die drei Aspekte „Strategie“, „Struktur“ und „Kultur“ beachtet werden. (Grafik 2).

Unternehmensfusionen Grafik 2

Dies ist wichtig, weil diese sich wechselseitig beeinflussen. Das wird bei Fusions- bzw. Post-Merger-Integrationsprozessen leider oft übersehen.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, die im Juni 2019 zum achten Mal in Folge als „Top Consultant Mittelstand“ ausgezeichnet wurde. Der Autor mehrerer Change- und Projektmanagement-Bücher hat eine Professur an der Technischen Universität Clausthal und ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe und der IAE in Aix-en-provence.

Was ist Ihre Meinung? Schreiben Sie einen Kommentar:

Please enter your comment!
Please enter your name here