Das wollen die Mitglieder der Generation Y. Sinnvoll heißt in diesem Zusammenhang eine Laufbahn einschlagen, die einen erfüllt. Viele junge Berufstätige merken erst mitten drin, dass sie den eingeschlagenen Kurs ändern müssen, weil sie das gewählte Ziel zu viel Energie kostet. Sie können aber den Kurs nicht aus eigener Kraft ändern, weil sie sich aus dem selbst gebauten Gefängnis von gesellschaftlichen Regeln, familiären Erwartungen nicht befreien können. Der Einsatz von Pferden im Coaching hilft, aus dem Gefängnis auszubrechen.
Ich will hier raus
Miriam T. 35 Jahre jung, Marketingmanagerin bei einem großen, mittelständischen Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet, bittet um ein Coaching, weil sie sich verändern möchte. Auf die Frage hin, was denn genau ihr Ziel sei, kam eine erstaunliche Antwort: „Ich will einfach nur raus, es macht alles keinen Sinn, ich fühle mich irgendwie leer.“
So macht man Karriere
Von außen betrachtet hat Miriam T. alles richtig gemacht. Sie hat Karriere gemacht, wie man sich das vorstellt. Ihre erfolgreiche Laufbahn begann mit einem guten Abitur, das BWL-Studium folgte auf den einjährigen Auslandsaufenthalt, danach absolvierte Miriam T. erfolgreich ein Assessment Center und stieg über ein hochgelobtes Trainee Programm in die Firma ein.
Nach ein paar Jahren ist die junge Frau bereits Abteilungsleiterin Marketing mit allen möglichen Nebenwirkungen. Sie arbeitet täglich zwischen 10 und 12 Stunden. Sie ist stets die Erste im Büro und sie verlässt stets als letzte das Büro. Miriam T. fühlt sich eingeengt, ausgenutzt und pfeift aus dem letzten Loch. Ständig wird sie von Freunden, Verwandten und Eltern beschwichtigt: „Alles halb so schlimm.“, oder „So ist das nun mal. Das Leben ist kein Ponyhof.“
Verändern ja – aber wie?
Miriam T. steht in der Reithalle und betrachtet entspannt drei Pferde, die dort frei herumlaufen. Sie bekommt eine herausfordernde Aufgabe gestellt: Miriam T. soll in die Mitte der Reithalle gehen und die Pferde im Kreis um sich herum laufen lassen, wie ein Zirkusdirektor in der Manege.
Energiegeladen und voller Zuversicht schreitet Miriam T. auf die kleine Pferdeherde zu. Sie fühlt sich sicher, da sie als Kind schon Kontakt zu Pferden hatte. Alle drei Pferde schauen die mutige Frau aufmerksam an. Plötzlich kommt Bewegung in die Tiere. Sie laufen in drei verschiedene Richtungen davon. Miriam T. ist verwirrt: „Warum laufen sie denn davon – ich habe doch gar nichts gemacht.“ Sämtliche weiteren Versuche von Miriam T., die drei Pferde in einer Reihe anzuordnen, scheitern. Resigniert steht sie in der Mitte der Reitbahn. Auf die Frage hin, was sie denn jetzt am liebsten tun würde, antwortet Miriam T.: „Das was ich gerne tun würde, macht man nicht mit Pferden. Deshalb kann ich es nicht tun.“
Der innere Kritiker
„Kennen Sie das? Wir sind der Meinung, etwas habe so und nicht anders abzulaufen. Es gebe keinen anderen Weg. Es könne nicht anders sein…“ schreibt Petra Bock in ihrem Buch Mindfuck – Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (2011, S. 57). Wir alle kennen diesen inneren Kritiker, der gut und wichtig ist. Er hindert uns aber oft daran, etwas Neues auf ungewohnte Weise anzupacken. Wenn der innere Kritiker zu laut wird, sind wir gefangen und können nicht mehr ausbrechen. Angestrebte Veränderungen, wie ein Jobwechsel, sind dann nicht möglich. Wir finden tausend Ausreden, warum wir den neuen Weg nicht beschreiten können. Lieber bewegen wir uns weiter auf ausgetretenen Pfaden, wir könnten auf den neuen Wegen ja stolpern. Jeder Stolperstein, der uns fast zu Fall bringt, gibt dem inneren Kritiker außerdem noch Recht und feuert ihn an.
Den inneren Kritiker überlisten
Den inneren Kritiker können wir nur dann überlisten, wenn wir bewusst im Hier und Jetzt eine Verhaltensweise ändern. An jede Situation, die uns herausfordert, ist ein bestimmtes im Körper spürbares Gefühl gebunden. Dieses Gefühl sagt uns entweder mach weiter, alles gut, oder aber stopp, das geht nicht.
Miriam T. lässt immer noch resigniert die Schultern hängen auf die Frage hin, was sie denn gerne tun würde. Schließlich antwortet sie:“ Am liebsten würde ich schreiend hinter den Pferden herrennen und wild mit den Armen fuchteln. Aber Pferde darf man nicht erschrecken, also geht das nicht.“ Auf die Frage hin, welches Gefühl sie daran hindere es trotzdem zu tun, sagt sie:“ Ich habe einen dicken Kloß im Hals, ich kann gar nicht schreien.“
Nach einer kurzen Denkpause rennt Miriam T. einfach los und fuchtelt wild mit den Armen, ohne einen Laut von sich zu geben. Schließlich schnalzt sie mit der Zunge und dann setzen sich die Tiere motiviert in Bewegung. Alle Tiere laufen in die gleiche Richtung. Nach zwei Runden in der Reitbahn, bleibt Miriam T. erschöpft, aber glücklich lächelnd gemeinsam mit der Pferdeherde stehen.
Sinnvolle Entscheidungen treffen
Miriam T. bestätigt im anschließenden Gespräch, dass sie sich nie wagt, einen anderen als den sichtbar vorgegebenen Weg einzuschlagen. Sie hat Angst vor dem inneren Kritiker und ihrem Umfeld, das sie vergisst in ihre Veränderungswünsche mit einzubeziehen. In der Vergangenheit hatte sie immer wieder die totale Veränderung gewagt und ist damit grandios gescheitert, weil die Veränderungswünsche nie etwas mit ihren wahren Talenten zu tun hatten. Ihre logische Schlussfolgerung war: „Ich muss das was ich mache jetzt aushalten, es gibt keinen anderen Ausweg.“
Miriam T.s Talente liegen tatsächlich im Marketing. Sie wollte jedoch immer einen komplett anderen Job machen, nur um den anstrengenden 12 Stunden Arbeitstagen in der jetzigen Firma zu entgehen. Nachdem sie mit Hilfe der Pferde ihren inneren Kritiker überlistet hatte, war sie auch in der Lage, ein neues Ziel für sich zu formulieren: „Ich möchte Marketing machen für Organisationen, die sinnvolle Produkte an die Menschen verkaufen und raus aus dem Hamsterrad in der jetzigen Firma.“, sagt Miriam T. Kurz danach formulierte sie schon erste Minischritte in Richtung ihres gewählten Ziels. Sie überlegte, zum Beispiel, ein paar Internetrecherchen zu unternehmen und nach Organisationen zu suchen, die sinnvolle Produkte anbieten.
Eine sinnvolle Karriere anstreben
Berufliche Laufbahnen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie anstreben. In vielen Fällen jedoch werden junge Menschen von ihrem Umfeld in Schablonen gezwungen, die nicht zu ihren Talenten und besonderen Fähigkeiten passen. Stellt sich der äußere Erfolg ein, fühlen sich alle bestätigt. Die Person hat den richtigen Weg gewählt. Eine weitere gern gesehene Variante ist, von einem Studium ins nächste zu hopsen, oder von einem Job in den nächsten, immer auf der Suche nach Erfüllung. Erfüllung finden, bedeutet aber inne zu halten und herauszufinden, um was es mir persönlich wirklich im Leben geht. Danach fällt die Wahl leicht, welchen Weg man einschlägt. Die möglichen Stolpersteine auf dem gewählten Weg, wie zum Beispiel lange Arbeitszeiten gehören dann einfach dazu. Langfristig wird die Person dafür sorgen, dass sich eine Lösung für den Stolperstein findet, ohne dass die Sinnhaftigkeit der selbst gewählten Karriere in Frage gestellt wird.
Über die Autorin:
Friederike Anslinger-Wolf, M.A. ist Coach & Prozessbegleiterin und Expertin für das Thema sinnvoll und glaubwürdig führen. In kleinen Gruppen sowie in Einzelcoachings mit dem Coaching Partner Pferd gibt sie ihre Kenntnisse an Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte weiter. Spezialisiert ist sie auf die Erstellung von stimmigen, persönlichen Führungsleitbildern.
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