Verkaufen ist verkaufen. Diesen Eindruck vermittelte noch vor wenigen Jahren der Weiterbildungsmarkt. Doch zunehmend findet in der Gilde der Verkaufstrainer und -berater eine Spezialisierung und Professionalisierung statt.
Samstagmorgen in einem Seminarhotel. Ein Verkaufstrainer steht vor den Gebietsvertretern eines Nahrungsmittelherstellers. Er soll sie im Führen von Vertragsverhandlungen schulen. Deutlich spürt man: Die erfahrenen Verkäufer könnten sich Schöneres vorstellen, als am Wochenende in einem stickigen Tagungsraum zu sitzen. Doch was sein muss, muss sein. Schließlich spüren sie Tag für Tag den heißen Atem der Mitbewerber im Nacken. Also lauschen sie dem „Win-win-Geplapper“ des Trainers, das sie „schon 100 Mal gehört haben“. Unruhig werden sie erst, als er verkündet: „Nur wenn Sie Ihre Ziele offen legen, entsteht eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kunden.“
„Da freut sich der Einkäufer aber, wenn ich ihm gleich zu Beginn sage, wie viele Paletten ich ihm verkaufen möchte und welchen Preisnachlass ich ihm gewähren kann“, sagt ein Außendienstler. Der Trainer spürt die Ironie in diesen Worten nicht. Er erklärt weiter, warum das Spiel mit offenen Karten so wichtig ist. Ein, zwei Minuten später verlässt der erste Teilnehmer den Raum, weitere folgen. Und zur Mittagszeit, also nach knapp drei Stunden, ist das Zwei-Tages-Seminar beendet. Der letzte Teilnehmer hat erkannt: Der Mann mag ein guter Paarberater sein, davon, was im Handel abgeht, hat er jedoch keine Ahnung.
Neu ist der Vorwurf „mangelnder Praxisbezug“ an Trainer nicht. Neu ist aber, dass Seminarteilnehmer hiergegen rebellieren. Der Grund: Auf vielen Verkäufern lastet ein so hoher Erfolgsdruck, dass sie von den Trainern eine konkrete Hilfe beim Lösen ihrer Alltagsprobleme erwarten. Zu Recht! Auch ihre Kunden erwarten dies von ihnen.
Verkaufen ist nicht gleich verkaufen
„Wenn man heute über den Verkauf spricht“, sagt Peter Schreiber, Inhaber des auf die Investitionsgüterindustrie spezialisierten Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld, „muss man sehr genau zwischen den einzelnen Branchen differenzieren.“ Denn die Arbeitssituation von Bäckereifachverkäuferinnen, „die Brötchen über die Theke reichen“, Handelsvertretern, „die mit ausgebufften Einkäufern um Konditionen feilschen“, und Sales-Managern, „die in jahrelanger Kleinarbeit mit Expertenteams komplexe Problemlösungen für ihre Kunden erarbeiten“ sei völlig verschieden. „Die darf man nicht über einen Kamm scheren.“
Solche Töne sind neu. Lange vermittelte der Weiterbildungsmarkt den Eindruck: Verkaufen ist verkaufen. So konnte man zum Beispiel noch vor wenigen Jahren bei der Lektüre der Titel der in den Weiterbildungsmagazinen angekündigten Seminare zur Überzeugung gelangen: Es ist völlig egal, ob ein Verkäufer Räucheraale auf dem Fischmarkt oder Industrieanlagen nach China verkauft. Warum? Titel wie „Erfolgreich verkaufen“ dominierten. Nur selten war der Bezug zu einer Branche und Problemlage erkennbar. Dies hat sich geändert. Heute stößt man in den Seminarübersichten zuweilen schon auf Titel wie „Ingenieure als Verkäufer“ oder „Altersvorsorgeprodukte an junge Erwachsene verkaufen“.
Keine Patentrezepte, Problemlösungen sind gefragt
Und diese Entwicklung wird fortschreiten. Davon ist Walter Kaltenbach, Böbingen (bei Aalen), überzeugt. Der auf den technischen Vertrieb spezialisierte Vertriebstrainer registriert, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter immer seltener auf Vorrat trainieren. „Ausgangspunkt der meisten Trainingsaufträge ist heute, dass ein Unternehmen erkennt: Wir haben ein Problem. Dann erhält der Trainer den Auftrag: ‚Entwickeln Sie ein Konzept, wie wir das Problem lösen können’.“
Was dies bedeutet, erläutert Klaus Kissel, Geschäftsführer des Instituts für Salesmanagement (ifsm), Urbar (bei Koblenz), an einem Beispiel: „Angenommen ein Einzel- oder Fachhändler klagt über sinkende Umsätze. Dann gilt es zunächst zu analysieren, was die Ursache des Problems ist. Ist die Kundenfrequenz oder der Pro-Kopf-Umsatz zu niedrig? Hat das Geschäft zwar viele Schau-, aber wenige Kaufkunden? Liegt etwas mit dem Sortiment oder der Preisgestaltung im Argen? Denn erst wenn der Berater die Ursache kennt, kann er die richtige ‚Medizin’ auswählen. Sollte das Unternehmen seine Werbung überdenken oder seine Schaufenster neu gestalten? Oder sollte es seine Verkäufer darin schulen, Chancen für Zusatzverkäufe zu erkennen und zu nutzen?“
Unterstützung beim Umsetzen erwünscht
Für Trainings- und Beratungsunternehmen bedeutet dies: Sie müssen analytisch sehr fit sein und zudem ein branchenbezogenes Vertriebs-Know-how haben – zumal ihre Kunden zunehmend handfeste Resultate wünschen. Der Vertriebstrainer und -berater Peter Schreiber erläutert das an einem Beispiel: „Früher stand in den Trainings die Wissensvermittlung zentral. Heute lautet die Zielvorgabe zum Beispiel: Die Teilnehmer sollen nach der Maßnahme zehn Prozent mehr Abschlüsse erzielen. Wie das Trainingsunternehmen dies erreicht, ist den Kunden meist egal.“ Der Trainer wird also in die Mit-Verantwortung genommen. Er kann sich nach dem Seminar nicht mehr mit einem flotten „Tschüss“ verabschieden. Er muss die Teilnehmer beim Umsetzen des Gelernten begleiten.
„Berufsbegleitendes Coaching“ lautet denn auch ein aktuelles Zauberwort. Hier hat sich in den vergangenen Jahren laut Klaus Kissel, dessen Institut unter anderem Salescoachs ausbildet, ein ganz neuer Markt entwickelt. Und er wird in den kommenden Jahren weiter wachsen. Davon sind alle befragten Experten überzeugt. Unter anderem, weil viele Unternehmen die Erfahrung gesammelt haben: Unseren Verkäufern fällt es alleine schwer, das, was sie im Verkaufsseminar gelernt haben, in ihrem Arbeitsalltag umzusetzen. Also benötigen sie hierbei eine Unterstützung – sei es von ihrem Vorgesetzten oder einem erfahrenen Coach.