„Wieso manchmal auch das beste Risikomanagement oft nur auf die technische Umsetzung schaut, obwohl es durchaus angezeigt ist auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu hören.“
Wie schaut es mit Ihrer Fehlerkultur aus?
Winston Churchill sagte einmal, dass ein kluger Mann nicht alle Fehler selber macht, sondern auch anderen eine Chance dazu gibt. Und Thomas A. Edison meinte, dass Erfahrung die Summe aller unserer Irrtümer ist.
Wir alle lernen aus unseren „Fehlern“ oder Missgeschicken. Die besten Erfindungen und Erneuerungen basieren auf unzähligen „trials and errors“ also auf dem Versuch und Irrtum.
Nun ist das eindeutige Ziel des Risikomanagements jedoch alle Risiken zu minimieren oder nach Möglichkeit zu verhindern. Das ist zwar wichtig und für das erfolgreiche und nachhaltige Bestehen von Unternehmen notwendig. Jedoch könnten bei zu enger Auslegung Chancen verloren gehen. Besonders dann, wenn Mitarbeitende dazu „angehalten“ werden Fehler oder Unklarheiten zu verheimlichen, anstatt diese offen anzusprechen.
Standard und Norm
Die ISO Norm 31000:2009 hält fest, dass das Risikomanagement eine Führungsaufgabe ist.
Hierzu sind übergeordnete Ziele, Strategien und Politik der Organisation zum Risikomanagement festzulegen. Im Einzelnen betrifft das die Festlegung von Kriterien, nach denen die Risiken eingestuft und bewertet werden, die Methoden der Risikoermittlung, die Verantwortlichkeiten bei Risikoentscheidungen, die Bereitstellung von Ressourcen zur Risikoabwehr, die interne und externe Kommunikation über die identifizierten Risiken sowie die Qualifizierung des Personals für das Risikomanagement.
Risiken sind untrennbar mit jeder unternehmerischen Tätigkeit verbunden und können den Prozess der Zielsetzung und Zielerreichung negativ beeinflussen. Sie resultieren ursachenbezogen aus der Unsicherheit zukünftiger Ereignisse – wobei dies regelmäßig mit einem unvollständigen Informationsstand einhergeht – und schlagen sich wirkungsbezogen in der Möglichkeit negativer Abweichungen von einer festgelegten Zielgröße nieder. Werden Risiken nicht rechtzeitig erkannt und bewältigt, können sie die erfolgreiche Weiterentwicklung der Unternehmung gefährden, sogar in Krisen im Sinn von überlebenskritischen Prozessen einmünden.
Risikomanagement im weiteren Sinn beinhaltet den Umgang mit allen Risiken, die aus dem Führungsprozess und den Durchführungsprozessen in einer Unternehmung entstehen können und beschränkt sich nicht nur auf die Handhabung versicherbarer Risiken. Während die Unternehmungsführung grundsätzlich die Realisierung der generellen Unternehmungsziele verfolgt, will das generelle Risikomanagement als ein Bestandteil der Führung eine Abweichung von diesen Zielen verhindern. Dr. Ulrich Krystek, Gablers Wirtschaftslexikon
In der Fachliteratur wird immer wieder darauf hingewiesen, wie sehr Risikomanagement eine Führungsaufgabe und mit dem Verhalten von Menschen verbunden ist. Eine kommunizierte Fehlerkultur für ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Risikomanagement Voraussetzung.
Theoretische Grundlage
Drei wesentliche Bereiche gilt es kontinuierlich zu bearbeiten:
Risiken erfassen, analysieren und gestalten
Identifizierung der möglichen Gefahren, die detaillierte Beschreibung der Art,
Ursachen und Auswirkungen
Analyse der Gefahren hinsichtlich von Eintrittswahrscheinlichkeit und weiterer
theoretischer Auswirkungen
Festlegen von unternehmensrelevanten Kriterien der Risikoakzeptanz
Risiken systematisieren und leben!
Maßnahmen beschreiben und umsetzen, die die Gefahr und/oder die Ein-trittswahrscheinlichkeit reduzieren und die möglichen Folgen „beherrschbar“ machen
Aufstellen von Parametern, die über die aktuellen Risiken Aufschluss geben, Einsatz von unterstützenden, tlw. technischen Maßnahmen
Risiken kommunizieren und die „Verhinderung“ optimieren
Aufzeichnung und Dokumentation
Dazu ist es notwendig die richtigen Fragen zu stellen um die richtigen Antworten zu erhalten, bzw. auch zu finden.
Praktische Umsetzung?
Schon der erste Punkt, die Erfassung und Analyse kann sich als sehr schwer und trügerisch herausstellen. Besonders dann, wenn im Unternehmen wenig Transparenz, Vertrauen und Offenheit vorherrscht und Kommunikation nur von „oben nach unten“ stattfindet.
Ein Beispiel aus der Praxis regt zum Überlegen an:
In einem fahrzeugproduzierenden Industriebetrieb fällt die Lackieranlage aus. Es scheint ein Fehler in der Hydraulik zu sein.
Für die Fehlerbehebung gibt es erfahrene Mitarbeiter und ein klar festgeschriebenes Prozedere. Damit sollte die Lackierstraße innerhalb weniger Stunden wieder einsatzbereit sein.
Leider hilft auch das genaue Vorgehen und Überprüfen nach „Vorschrift“ nicht die Ursache zu finden. Selbst die teilweise langjährige Erfahrung der Haustechniker ist wenig nützlich.
Mittlerweile sind schon viele Stunden vergangen und in der Zwischenzeit musste auch die Produktion gestoppt werden, da ja ein Produktionsschritt nicht passierbar war.
Nach beinahe 2 Tagen kommt ein Haustechniker auf die Idee die gesamte Anlage nach Ungewöhnlichem zu untersuchen. Und er findet in einer Transportschiene eine verlorengegangene Schraubenmutter.
Lassen wir den wirtschaftlichen Schaden außer Acht und stellen wir einige Überlegungen zu Situationen wie dieser an:
Fehler passieren und sind als Risiko zumeist bereits gut eingeplant.
Aber wie sind die Mitarbeiter seit dem Bekanntwerden in der Produktion damit umgegangen und hat jemand über die sichtlich fehlende Schraube Rückmeldung gegeben?
In diesem konkreten Fall leider nicht. Denn die Ursache wurde nur durch Zufall entdeckt.
Und sie konnte sowohl vor wie auch dem Passieren eines Fahrzeugteils in der Lackierstraße entdeckt werden.
Wer immer auch diese Schraube nicht fest mit der Mutter verbunden hat, sei es weil er ab- gelenkt wurde oder sei es auch, weil er sich mit einer annähernd großen Mutter begnügen musste, weil die exakte nicht vorrätig war. Dieser Mitarbeiter hätte seinen Verdacht aussprechen können.
Aber auch der Mitarbeiter, der den lackierten Fahrzeugteil weiterbearbeitet hat, musste die fehlende Mutter bemerkt haben. Hat er nun diese wortlos ergänzt oder hat er aktiv rückgemeldet, dass etwas nicht in Ordnung war?
Fehlerkultur fördert Qualität und senkt Risiko
Der positive Umgang mit Fehlern muss gelebt und vorgezeigt werden. In vielen Firmen gibt es „Briefkästen“ für Verbesserungsvorschläge und meist auch ausgeklügelte Belohnungssysteme. Fehler wollen jedoch die wenigsten eingestehen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in ihrer Berufslaufbahn die Erfahrung gemacht, dass man dafür gerügt und kaum gelobt wird.
„Das geht mich nichts an“ oder „Ich war’s nicht“ oder auch „Der Nächste wird’s schon richten“ scheint eine weit verbreitete Haltung zu sein.
Aber auch die Vorstellung, dass man ohnehin nicht gehört oder abgekanzelt wird, hindern die Mitarbeitenden an der Bekanntgabe von Fehlern.
Wer als Führungskraft überzeugend einen neuen Umgang mit Fehlern initiieren will, sollte man auch sein Bild davon reflektieren. Nur wer selbst gut mit eigenen Fehlern umgehen kann, ist ein Vorbild für die anderen.
Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen mehr Unterstützung und Motivation, andere freuen sich, wenn sie aktiv und eigenverantwortlich an einer für dieses Unternehmen passenden Fehlerkultur arbeiten können.
Coaching in Anspruch zu nehmen kann der erste Schritt für eine neue Kultur sein
Jede Unternehmenskulturänderung zieht sofort Widerstände an. Darauf kann sich die Führungskraft gut vorbereiten. Denn rein wirtschaftlich gesehen ist eine gelebte Fehlerkultur ein großer Gewinn.
Der Weg dazu kann recht steinig werden und mit vielen Hindernissen gepflastert sein.
Das Führungskräftecoaching versteht sich als Unterstützung und Begleitung in Entscheidungssituationen und in komplexen Veränderungs-Prozessen. Gemeinsam mit dem Coach werden die Anforderungen und das entsprechende Vorgehen bzw. das förderliche Verhalten reflektiert, um so zu klaren Antworten und Umsetzungsschritten zu kommen.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer?
Natürlich kann eine Führungskraft alleine noch keine großen Änderungen bewirken. Allein das gute Beispiel macht Schule!
Die Installation einer Fehlerkultur ist ein Veränderungsprozess und sollte auch von Organisationsberaterinnen und Beratern begleitet werden.
Denn nur wenn alle Einheiten daran arbeiten wird diese erfolgreich gelebt.
Und wer weiß, vielleicht gibt es dann „die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter des Monats“ für die Fehlermeldung mit nachhaltigstem Nutzen!
Erfahrene Wegbegleiterinnen und Begleiter für Ihr Unternehmen/für sich als Führungskraft finden Sie unter Experts Group WirtschaftsTraining und Coaching.
Über die Autorin:
KommR Isabella Weindl, MSc CMC
Isabella Weindl ist Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Organisations- und Personalentwicklung. Als Wirtschaftstrainerin und Wirtschaftscoach ist sie davon überzeugt, dass hard facts nur mit soft facts erreicht werden können.