Viele Projekte nehmen nicht den gewünschten Verlauf, weil die Projektbeteiligten vorab nicht sauber klären: Was ist der konkrete Auftrag? Und: Welche Ziele sollen (nicht) erreicht werden?
Montagmorgen, in einem Industrieunternehmen. Herr Meier, Projektleiter in der Produktentwicklung, trifft Geschäftsführer Huber im Foyer. Huber sagt zu Meier: „Gut, dass ich Sie treffe. Am Wochenende hatte ich eine Idee für ein neues Produkt. Ich weiß noch nicht genau was und wie, aber wir müssen da was entwickeln. Damit kommen wir ganz groß raus – national und international…. Seien Sie bitte so gut und übernehmen Sie das Thema.“ Danach verschwindet Geschäftsführer Huber in seinem Büro.
Und Herr Meier? Pflichtbewusst engagiert er sich gleich nach dem Gespräch für ein gut qualifiziertes Projektteam (bestehend aus einem Vertriebler, Einkäufer, Qualitätsmanager, Controller, Entwicklungsingenieur und Konstrukteur) und nach einigem Hin und Her bekommt er es auch bewilligt. Schließlich kam der Arbeitsauftrag ja von ganz oben.
Das neu formierte Team startet seine Arbeit lehrbuchmäßig mit einem Projekt-Kick-Off, in dem es erste grobe Meilensteine der Produktentwicklung diskutiert. Danach beginnt das Team das Thema zu bearbeiten. Gemeinsam versuchen die Beteiligten umzusetzen, was Herr Meier in dem kurzen Gespräch mit dem Geschäftsführer im Foyer verstand. So richtig begriffen, was er tun soll, hat er zwar nicht. Dasselbe gilt für seine Teamkollegen. Aber der Arbeitsauftrag kam von der Geschäftsführung. Also hat er höchste Priorität. Und dumme Frage stellt man in solchen Situationen nicht, und schon gar nicht äußert man Zweifel – zum Beispiel bezüglich der technischen Umsetzbarkeit.
Vier Monate später. Der anfängliche Elan ist mittlerweile einer allgemeinen Lustlosigkeit und tiefen Frustration gewichen. Denn das Projekt schreitet nicht wie erhofft voran. Und trotz lehrbuchmäßigem Vorgehen erzielt das Team die gewünschten Ergebnisse nicht. Zumindest signalisiert dies die Geschäftsleitung Projektleiter Meier immer wieder.
Nicht vorschnell ja sagen
Solche Prozesse beobachtet man in Unternehmen regelmäßig. Immer wieder werfen in ihnen Auftraggeber irgendwelche Projekte als erste Idee über den Zaun. Und häufig fängt ein noch recht unerfahrener Projektleiter die nebulöse Projektwolke auf und legt, ohne weiter nachzufragen, los. Die Folge: Er wird fortan seines (Projekt-)Lebens nicht mehr froh – unter anderem weil seinem Auftraggeber die präsentierten Lösungsideen oder bereits umgesetzten Lösungen nicht zusagen. „So hatte ich mir das nicht vorgestellt.…“
Deshalb gilt vor einem offiziellen Projektbeginn und der Übernahme einer Projektleiterfunktion die Maxime: Kein Projektstart ohne ausführliche Ziel- und Auftragsklärung. Denn für ein Schiff, das seinen Zielhafen nicht kennt, weht kein Wind günstig und ist keine Route richtig. Nachfolgend einige Tipps, wie Sie solche Pannen vermeiden, wenn Ihnen ein Projektauftrag erteilt wird.
1. Bitten Sie Ihren Auftraggeber um ein Auftragsklärungsgespräch.
Nehmen Sie keinen Auftrag zwischen Tür und Angel an. Bestehen Sie auf ein ausführliches persönliches Gespräch mit Ihrem Auftraggeber und nehmen Sie ihn in die Pflicht. Nur so sind Sie in der Lage, seine Beweggründe, Ideen und Vorstellungen zu verstehen.
2. Lassen Sie sich die Hintergründe und Auslöser erläutern.
Im persönlichen Gespräch sollten Sie sich als erstes die Beweggründe und die Ausgangssituation der Idee beziehungsweise des potenziellen Projekts erklären lassen. So verstehen Sie den Kontext, in dem das Projekt durchgeführt wird, besser und bekommen wichtige Informationen zu Rahmenbedingungen und möglichen externen Einflussfaktoren.
3. Definieren Sie mit dem Auftraggeber messbare Ziele.
Ein Projekt ist erst beendet, wenn die Projektziele erreicht sind und der Auftraggeber den Projektleiter von seinen Aufgaben entbunden hat. Um dies realisieren zu können, ist nötig, zu Beginn die Ziele zu definieren – auch damit Sie wissen, was von Ihnen konkret erwartet wird. Achten Sie dabei auf eindeutige und messbare Zieldefinitionen. Denn nur dann kann am Ende überprüft werden, ob Sie die Ziele erreicht haben.
4. Legen Sie gemeinsam fest, was nicht zum Projekt gehört.
Mindestens ebenso wichtig wie die Projektzieldefinition ist das Abgrenzen zu den Nicht-Projektzielen und Nicht-Projektinhalten. Dieser Schritt hilft Ihnen Punkt 3. noch weiter zu schärfen und besser heraus zu arbeiten.
5. Dokumentieren Sie das Vorhaben in einem Projektideensteckbrief.
Wer schreibt der bleibt! Diese Regel gilt auch in Projekten. Halten Sie die unter 1. bis 4. diskutieren Ergebnisse fest. Dies hilft Ihnen zum einen nochmals zu prüfen, ob Sie alle wichtigen Infos haben oder noch Lücken bestehen. Zum anderen ist dies eine einfache Methode, um zusammen mit dem Auftraggeber zu prüfen, ob Sie den Auftrag wirklich verstanden haben. Auch wenn es sehr formalistisch klingen mag: Lassen Sie sich Ihren Projektideensteckbrief beziehungsweise Ihr Projektantragsformular vom Auftraggeber unterschreiben. So versichern beide Seiten, der Projektleiter und der Auftraggeber, dass sie zu den festgehaltenen Informationen stehen.
6. Legen Sie regelmäßige Abstimmungsrunden mit dem Auftraggeber fest.
Änderungen und neue Erkenntnisse sind in Projekten an der Tagesordnung. So kann es sein, dass die ursprünglich gesammelten Informationen im Projektideensteckbrief beziehungsweise -antragsformular veralten und einer Aktualisierung bedürfen. Sorgen Sie also dafür, dass Sie auch nach dem Initialgespräch in enger persönlicher Abstimmung mit Ihrem Auftraggeber sind, um Missverständnisse zu vermeiden.
Berücksichtigen Sie die genannten Punkte zu Beginn jedes Projekts. Erst wenn Sie diesbezüglich Klarheit haben und Ihre Erkenntnisse dokumentiert und mit dem Auftraggeber abgestimmt sind, ist es sinnvoll, sich solchen Themen wie dem Projekt-Kick-Off, der Risikoanalyse sowie der Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu widmen.
Und noch ein Tipp: Beherzigen Sie die oben formulierten Tipps auch aus Eigeninteresse. Denn wenn ein von Ihnen geleitetes Projekt nicht den von den Auftragsgebern erhofften Verlauf nimmt, wird niemand am Schluss sagen: „Das Projekt fuhr an die Wand, weil wir zu Beginn den Auftrag und die Ziele nicht sauber geklärt haben.“ Nein, es wird heißen: „Der Müller (oder die Wagner) hat einen schlechten Job gemacht.“
Über den Autor:
Daniel Krones (MBA) arbeitet als Berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist auf das Themenfeld Projektmanagement spezialisiert und begleitet Unternehmen im nationalen und internationalen Kontext bei der Einführen eines professionellen Projektmanagements und beim Durchführen von Projekten.