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Welchen Charakter hat unser Projekt? Das machen sich Unternehmen vor Veränderungsvorhaben häufig nicht ausreichend bewusst. Das erschwert ihnen das Planen, Managen und Steuern der Projekte.

Zu einem professionellen Projekt- und Change-Management gehört eine Risikoanalyse im Vorfeld des Projekts. Hierbei werden die mit einem Veränderungsvorhaben verbundenen Risiken erfasst und hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und der betriebswirtschaftlichen Folgen ihres Eintretens bewertet – und gegebenenfalls werden anschließend Präventionsmaßnahmen ergriffen.

Im Unternehmensalltag beschränkt sich die Risikoanalyse nicht selten auf die operativen Risiken struktureller Natur. Kulturelle Faktoren, wie zum Beispiel Akzeptanzprobleme bei Umstrukturierungen, werden hingegen vernachlässigt. Die Folgen hiervon können gravierend sein – zum Beispiel weil Reibungsverluste auftreten und somit Zusatzkosten entstehen. Und oft stellen sich auch die geplanten positiven Effekte der Veränderung verspätet oder gar nicht ein.

Veränderungen wirken stets mehrdimensional. Deshalb ist das Ausmaß der Veränderung auf den verschiedenen Ebenen von Projekt zu Projekt verschieden. Projekte lassen sich jedoch hinsichtlich des Ausmaßes der durch sie verursachten strukturellen und kulturellen Veränderungen klassifizieren. Das erleichtert es, die mit ihnen verbundenen Risiken zu identifizieren und passende Change-Maßnahmen abzuleiten.

Die vier Projekt-Typen

Folgende Projektarten lassen sich unterscheiden.

Routineprojekte: Hierbei handelt es sich um Maßnahmen wie zum Beispiel Vertriebsprojekte oder Verkaufskampagnen. Sie haben zwar den Charakter von Projekten im Sinne von zeitlicher Begrenzung und bereichsübergreifender Beteiligung, doch sie verändern die strukturellen und kulturellen Grundlagen der Organisation höchstens punktuell. Typisch für Routineprojekte sind Review-Workshops zum Abschluss, die auf eine strukturelle Optimierung des Prozesses (Standardisierung), auf eine Professionalisierung der Zusammenarbeit (Feedback-Kultur) und somit auf eine Reduzierung der kulturellen Risiken abzielen.

Innovationsprojekte: Sie dienen in der Regel der Weiterentwicklung oder Erneuerung von organisatorischen oder technischen Strukturen innerhalb der bestehenden strategischen Ausrichtung. Bei solchen Projekten liegt der Fokus der Begleitung meist auf dem Herstellen der sachlichen Handlungskompetenz der Betroffenen (Schulungen, Trainings). Wenn hierbei aber beispielsweise die beteiligten Multiplikatoren lernen, den Widerstand gegen Neues als typisches Verhaltensmuster der Betroffenen zu verstehen und angemessen hiermit umzugehen, dann reduziert dies das Risiko von Friktionen, die aus Frust entstehen.

Akzeptanzprojekte: Ihr Gestaltungsschwerpunkt liegt auf der kulturellen Ebene und ihr Erfolg manifestiert sich als echte Verhaltensänderung der Betroffenen – zum Beispiel, indem ein Zielvereinbarungs- oder Leistungsbeurteilungssystem als verbindlicher struktureller Rahmen für einen fairen Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern verstanden und tatsächlich genutzt wird. Bei solchen Projekten sind Maßnahmen wichtig, die frühzeitig Klarheit schaffen, permanent Rückkopplungsmöglichkeiten aus der Organisation ermöglichen und geeignet sind, einflussreiche Verbündete als Multiplikatoren zu gewinnen.

Wandel- oder Changeprojekte: So bezeichnet man tiefgreifende Veränderungsprozesse mit spürbaren Auswirkungen auf allen Ebenen, wie sie zum Beispiel bei Fusionen oder der grundlegenden strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens auftreten. In solchen Projekten geht es nicht selten um existenzielle Fragen auf allen Ebenen. Deshalb ist bei der Gestaltung des Veränderungsprozesses eine hohe Komplexität zu erwarten. Das sollte sich bereits in der Besetzung der Projektleitung niederschlagen. Solche Projekte erfordern einen echten Change-Manager, der sich aller Facetten seiner Aufgabe bewusst ist.

Charakter ändert sich im Verlauf von Projekten

Die obige Klassifizierung von Projekten erleichtert eine integrierte Sicht auf die strukturellen und kulturellen Risiken – unabhängig davon, ob ein Veränderungsprozess in seinem Verlauf die Merkmale eines Projekttyps beibehält oder sich sein Charakter (was oft der Fall ist) im Laufe der einzelnen Phasen verändert.

Ein Projekt kann zum Beispiel als Innovationsvorhaben beginnen und in seinem Verlauf deutliche Züge eines Akzeptanzprojekts annehmen, weil die Implementierung einer neuen technischen Infrastruktur eine Reorganisation ganzer Unternehmensbereiche zur Folge hat. Oder eine Vertriebsoffensive, die üblicherweise den Charakter eines Standardprojekts hat, wird dadurch zum Wandel- beziehungsweise Changeprojekt, dass auch ein neuer Vertriebskanal erschlossen werden soll.

Deshalb ist es wichtig, in den einzelnen Phasen des Wandels eine integrierte Sicht auf die Risiken beizubehalten und alle Maßnahmen unter Rentabilitätsaspekten laufend zu überprüfen und, sofern nötig, anzupassen.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist Mit-Herausgeber des „Handbuch Change-Management“ (Cornelsen Verlag).

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