Menschen wollen Leistung erbringen! Aber nur, wenn im Unternehmen die persönliche Entwicklung im Mittelpunkt steht, wird auch das Engagement der Mitarbeiter wachsen. Nur wenn Befähigung statt Überforderung die Prämisse ist, steigt die Motivation und Arbeitsmoral. Nur wenn das Thema Leistung nicht nur einmal im Jahr besprochen wird, sondern ein kontinuierlicher Prozess ist, können Unternehmen ihr Potential tatsächlich voll ausschöpfen, ohne dass das Fass irgendwann leer ist. Wichtig dafür ist die Erkenntnis, wie eng das Prinzip des Performance-Managements mit der Selbstbestimmungstheorie verbunden ist.
Die Theorie von Deci und Ryan beschreibt die grundlegenden psychologischen Bedürfnisse, die beim Menschen eine hohe Motivation und ein hohes Wohlbefinden bewirken, und wie diese in verschiedenen sozialen Kontexten gefördert werden können. Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit stehen hier an erster Stelle. Ein wesentlicher Treiber des Menschen ist also tatsächlich von Natur aus sein Bedürfnis nach Kompetenz – die positive Erfahrung, eine Tätigkeit zu beherrschen und effektiv zu sein. Am Arbeitsplatz drückt sich dies meistens als grundlegender Wunsch nach (guter) Leistung aus. In anderen Bereichen ist es manchmal auch der Reiz der Herausforderung.
Ein selbstwirksames Umfeld schaffen
Dabei unterscheidet die Selbstbestimmungstheorie zwischen Verhaltensweisen, die dem eigenen Selbstverständnis entspringen, also selbstbestimmt sind, und solchen, die nicht repräsentativ für das eigene Selbst sind. Während es sich bei ersteren um freiwillige Verhaltensweisen handelt, die mit einer Erfahrung von Autonomie einhergehen, werden letztere stattdessen oft mit Kontrolle und Druck assoziiert. Den damit zusammenhängenden Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation kennen wir alle. Für Unternehmen und deren Performance-Management ist es demzufolge entscheidend, ein Umfeld zu schaffen, das die psychologischen Bedürfnisse des Menschen unterstützt, um die richtige Motivation zu nähren.
Keine Diskussion über Motivation wäre vollständig, ohne das Thema der Selbstwirksamkeit angesprochen zu haben. Dabei handelt es sich weniger um ein Bedürfnis als vielmehr um eine Eigenschaft, die die Leistung und zugleich das Wohlbefinden jedes Menschen ganz entscheidend beeinflusst. Sind Mitarbeiter von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt, setzen sie sich erfahrungsgemäß höhere Ziele, sind in der Lage, größere Mühen auf sich zu nehmen, um diese Ziele zu erreichen, halten auch bei Schwierigkeiten länger durch und stecken – sollte der Fall eintreten – Misserfolge leichter weg. Auch deshalb, weil sie ebenfalls davon überzeugt sind, Leistung erbringen und damit ihr Leben beeinflussen zu können.
Das traditionelle Performance-Management hat ausgedient
Im heutigen Arbeitsumfeld ist eine Kultur gefragt, die veränderungsfähig und experimentierfreudig ist, die durch kontinuierliches Lernen eine persönliche Entwicklung des Einzelnen sowie die kollektive Entwicklung eines Teams ermöglicht. Eben jene Anreize, die durch ein traditionelles Performance-Management nicht mehr gegeben sind oder sogar zunichtegemacht werden. Der Taylor´sche Ansatz der industriellen Effizienzsteigerung sowie alles und jeden einzeln messbar zu machen, widerspricht der zunehmenden Autonomie und dem wachsenden Teamgefüge, inklusive Projektarbeit, Netzwerkstrukturen und Solidarität. Die Probleme mit aktuell gängigen Methoden im Performance-Management-Review- Prozess lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
- Die Bewertung von Menschen für vergangene Leistungen stehen möglichen Verbesserungen in „Echtzeit” gegenüber.
- Jährliche Leistungsbewertungen sind nachweislich nicht hilfreich, weil Menschen sich gedanklich meist auf die letzten Ereignisse (4-6 Wochen) beziehen und nicht die Entwicklungen und Leistungen davor.
- Welche Ziele vom Anfang des Jahres machen im letzten Quartal überhaupt noch Sinn, um darauf hinzuarbeiten?
- Der Prozess ist für alle Beteiligten (insbesondere Führungskräfte) sehr zeitaufwändig.
- Allerdings gilt auch: Performance-Bewertungen sind NICHT Performance-Management!
All das half in der Vergangenheit zu kontrollieren (ursprünglich der Sinn und Zweck), ist inzwischen aber wenig hilfreich, wenn es darum geht, das tatsächliche und so wertvolle Potential von Mitarbeitern zu entfalten. Agile Prinzipien sind also auch im Performance-Management gefragt. Der Bedarf verändert sich von Produktivität und Output hin zu Kreativität, Innovation und „Knowledge Working“. Demzufolge braucht es mehr Raum für die eigene Autonomie, den Sinn und dafür, in bestimmten Dingen eine Meisterschaft zu erreichen, die uns als Menschen, als Führungskräfte und als Mitarbeiter, sowie als Leistungsträger voll und ganz erfüllt.
Mitarbeiter befähigen, ohne sie zu überfordern
Wenn heutzutage von Agilität, Selbstorganisation oder Teal die Rede ist, scheint Empowerment der Kern vieler Konzepte zu sein, die in Unternehmen verwendet werden – und doch scheinen viele noch immer mit „echter Befähigung“ zu kämpfen. Betrachtet man die Oxford-Definition, so sollte es recht einfach sein: Die Menschen übernehmen in ihrem Arbeitsbereich die Kontrolle und entscheiden über alles, was damit zusammenhängt. Klingt doch leicht, oder? Ist allerdings einfacher gesagt als getan! Weil viele Führungskräfte „ihre“ Mitarbeiter nicht wirklich als Erwachsene mit bestimmten Fähigkeiten sehen und behandeln. Dabei wäre genau das wichtig, und heißt übrigens nicht, dass sie alles können (müssen), sondern Erfahrung in bestimmten Fertigkeiten haben und in der Lage sind, weiter zu lernen. Im Kern bedeutet das vielbesagte Empowerment also nichts anderes, als ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem sich die Menschen ermutigt fühlen, neue Dinge auszuprobieren, Entscheidungen zu treffen und keine Angst zu haben, dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn etwas nicht funktioniert.
Wichtig ist dabei: Der Aufbau und die Pflege dieses Umfelds sind keine einmalige Angelegenheit, sondern ein fortlaufender Prozess, der nie endet. Führungskräfte sind also immer gefordert und können sicher sein: Probiert ein mutiges Teammitglied etwas aus und bekommt keine Unterstützung, hält dies höchstwahrscheinlich andere davon ab, es überhaupt zu versuchen. Hier ist Verantwortung gefragt! Also die Situation erkunden, in der sich der Mitarbeiter gerade befindet und gemeinsam schauen, wo sich das Hindernis befindet. Führungskräfte sind dann aber nicht dazu da, das Problem für den Mitarbeiter zu lösen, sondern allenfalls Hinweise zu geben, wie er oder sie es selbst überwinden kann. Sind Dinge gut gelaufen, spricht auch bei erwachsenen Mitarbeitern übrigens nichts gegen eine Bestätigung. Gerne öffentlich und bei besonderen Erfolgen vielleicht sogar im Rahmen einer kleinen Feier, um auch dem Rest des Teams zu zeigen, dass gute Arbeit anerkannt wird.
Sieben kleine Dinge, die Führungskräfte sofort tun können
Bei jeder Interaktion mit dem Team können und sollten Führungskräfte beweisen, dass ihnen die „Befähigung der Mitarbeiter“ wirklich am Herzen liegt – beispielsweise mit folgenden sieben kleinen Anregungen:
Hören Sie Ihrem Team zu und machen Sie es zum Teil der Lösung!
Geben Sie regelmäßig Feedback und zeigen Sie Mitarbeitern, dass Ihnen ihr Einfluss wichtig ist und dass Sie ihre Meinung schätzen. Aber Vorsicht: Eine zu hohe Taktzahl beim Feedback kann auch den Druck erhöhen und einen gegenteiligen Effekt erzielen. Die Kultur bei Amazon mit ständigem Feedback führte über einen bestimmten Zeitraum dazu, dass Mitarbeiter-Zufriedenheit und Produktivität negativ beeinflusst wurden. Außerdem ist Feedback eben nur Feedback und kann demzufolge auch ignoriert oder nicht umgesetzt werden. Sie müssen also in jeder Hinsicht loslassen können von eigenen Ideen. Die Verantwortung ist und bleibt beim Team!
Seien Sie sich bewusst, dass Ihre Emotionen Auswirkungen auf Ihr Team haben!
Es kann sein, dass etwas schief geht – das ist ein natürlicher Bestandteil der Schaffung von etwas Neuem und Großem. Angenommen, etwas klappt nicht wie geplant oder erwartet, bleiben Sie positiv und optimistisch – aber bitte nicht nur um des Optimismus willen. Ihre Emotionen und die Bedeutung, die Sie den Dingen beimessen, spiegeln wider, wie Ihr Team danach über die Dinge denkt. Trotzdem dürfen und sollen Sie natürlich auch sachlich analysieren, was schief ging. Wichtig aus Sicht der Führungskraft sind Fragen wie: „Wie hätte ich besser unterstützen können?“ oder „Welche Einblicke – oder welche Skills – haben allenfalls gefehlt?“ etc.
Seien Sie dankbar und zeigen Sie Wertschätzung!
Es ist nur ein kleines Wort, aber das kann einen großen Unterschied machen: „Danke“. Wenn Sie Ihrem Team zeigen wollen, dass Sie ihm vertrauen und es wertschätzen, sagen Sie Danke. Im Idealfall mit einer kurzen Begründung, wofür Sie sich bedanken – je spezifischer, desto besser. Übrigens ist ein „Danke“ manchmal gerade dann angebracht, wenn etwas schief gegangen ist. Solange Ihr Team etwas daraus gelernt hat. Zeigen Sie jedem Mitarbeiter, dass Sie den individuellen Beitrag anerkennen. Dies wird langfristig dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen, weil die Menschen sehen und spüren, dass sie Teil von etwas sind.
Unterstützen Sie Ihr Team dabei, seine Leidenschaft zu finden!
Jeder Mensch hat Stärken, und wenn er oder sie sich dieser Stärken bewusst ist und bereit ist, sie zu entfalten, unterstützen Sie ihn oder sie dabei, sich zugehörig und erfolgreich zu fühlen. Unterstützen Sie Ihr Team dabei, seine individuellen Stärken zu erkunden, und geben Sie ihm am Arbeitsplatz die Möglichkeit, sie zu nutzen. Dies wird die Motivation steigern und das Wohlbefinden fördern.
Seien Sie ein Vorbild für das Verhalten, das Sie in Ihrem Team sehen wollen!
Es kommt darauf an, dass Sie es vorleben, also seien Sie ein lebendiges Vorbild für das Verhalten, das Sie von Ihrem Team erwarten.
Geben Sie Ihrem Team Freiheiten, ermutigen Sie es, „seinen Weg“ zu finden!
Auch, wenn dieser Weg nicht Ihrem Weg oder Ihren Erfahrungen entspricht. Nur so entsteht Innovation! Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der immer mehr aus der Ferne, in virtuellen Teams, gearbeitet wird. Das ist eine großartige Gelegenheit für Sie, Ihrem Team zu zeigen, dass Sie ihm vertrauen. Es kann frustrierend sein, nicht immer den Überblick zu haben, aber Mikromanagement ist das Gegenteil von Befähigung der Mitarbeiter. Zeigen Sie ihnen, dass Sie ihnen zutrauen, die Arbeit rechtzeitig zu erledigen, und dass sie sich an Sie wenden können, wenn sie nicht weiterkommen oder Hilfe brauchen.
Schaffen Sie unterstützende Strukturen!
Klarheit, Transparenz und Leitplanken helfen den Mitarbeitern, sich einen Überblick zu verschaffen, und unterstützen sie dabei, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Ein definierter Prozess, in dem ausdrücklich erklärt wird, wer wozu befugt ist, ist für die Menschen von großer Bedeutung. Nicht wichtig ist hingegen ein Konsens über den Entscheidungsfindungsprozess an sich. Probieren Sie verschiedene Strukturen aus und finden Sie heraus, welche am besten zu Ihnen und Ihrem Team passen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Es macht gerade jetzt Sinn, den Review-Prozess zu überdenken und erste Schritte in Richtung agiles Performance-Management zu gehen. Auf klassische Leistungsbewertungen zu verzichten, sollte den Effekt erzielen, von „die Vergangenheit rechtfertigen” hin zu „über aktuelles Wachstum & zukünftige Entwicklung nachdenken” zu gelangen. Die Mitarbeiter sollten sich befähigt und bestärkt fühlen und die Führungskräfte mehr Zeit haben, um sich auf „Kultur” und die Verhaltensweisen sowie Werte zu fokussieren statt nur auf strategische Ziele. Pilotprojekte helfen, um experimentierfreudig zu werden und anstatt „überall auf einmal” zu sein lieber gezielt vorwärtszukommen. Davon profitieren sowohl die Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters als auch die Gesamt-Performance des Unternehmens.
Über den Autor:
Timm Urschinger ist Mitgründer und CEO von LIVEsciences. Nach dem Studium sowie einigen Jahren bei einem bekannten Pharma-Konzern in der Schweiz und im Consulting beschloss er ein eigenes Unternehmen zu gründen. Seine Erfahrung im Management globaler Programme und Transformation hat in ihm die Leidenschaft geweckt, pragmatische und innovative Lösungen zu entwickeln – für das eigene Unternehmen und für Kunden. Neue Organisationsmodelle wie Teal spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die Selbstführung und dass Menschen endlich wieder Sinn und Spaß im Berufsleben erfahren.