Warum Sie mit Herz und Verstand noch erfolgreicher verkaufen
Die Jagd nach dem Kaufknopf des Kunden hat in den letzten Jahren zu einem regelrechten Hype um das Neuromarketing geführt: Unternehmen glauben fest daran, nun den besagten Schalter des Kunden entdeckt zu haben, weil die Hirnforschung wirklich spannende Erkenntnisse über unser Kaufverhalten herausgefunden hat. Aber gibt es ihn wirklich diesen Kaufknopf? Reicht es aus, über Reaktionen im Kundenhirn Bescheid zu wissen, um erfolgreich zu verkaufen?
Der dänische Marketingexperte Martin Lindstrom beschreibt in seinem Buch „Buyology“, wie die amerikanische Modekette Abercromby & Fitch (mittlerweile auch in Deutschland bekannt) die neuesten Erkenntnisse des Neuromarketing umsetzt. Im Schaufenster sieht man stylish gekleidete und modelmäßig geformte Puppen, die die neuesten Kreationen zur Schau tragen. Im Laden selbst habe man das Gefühl, dass diese Puppen zum Leben erweckt wurden, da das Personal – männlich wie weiblich – ebenfalls mit Laufstegmaßen versehen ist. Es tönt laute Trancemusik aus den Boxen, indirekte Beleuchtung taucht den Shop in angenehmes Licht und es duftet. Es duftet nach einem ganz speziellen Abercromby & Fitch–Parfum, das in jedem Laden der Kette permanent versprüht wird. Und auf der Fläche vor den Shop bewegen sich halbnackte und gut trainierte junge Menschen, die die Kunden „anziehen“ sollen.
Spiegelneuronen für Coolness
Was das Ganze soll? Nach eingehenden Versuchen mit Makaken, einer dem Menschen ähnlichen Affenart, hat man herausgefunden, dass unser Gehirn ganz
automatisch Dinge imitiert, die „es“ sieht. Es werden die sogenannten Spiegelneuronen aktiviert, die dann – vereinfacht ausgedrückt – unser Handeln insofern beeinflussen, dass wir gewisse Bewegungen imitieren wollen, manchmal sogar müssen Ich erinnere an den Fußball-Fan auf dem Sofa, der jeden wichtigen
Elfmeter mitschießt. In diesem Fall also sollen die Spiegelneuronen den Kunden erzählen, dass sie ebenfalls so cool und gut aussehend sein werden, wenn sie denn gefälligst hier und nur hier einkaufen.
Kundenbindung durch Duft?
Der zweite nachweislich wirkungsvolle Effekt aus der Hirnforschung lässt nicht lange auf sich warten: Wenn wir dann diese schicken Klamotten gekauft haben, wenn unser Unterbewusstsein so lange an unserem Ärmel gezupft hat, bis wir dem Kaufimpuls nachgegeben haben, dann meldet sich unser Belohnungszentrum: „Klasse! Gut gemacht! Endlich siehst Du mal cool aus!“
Nun treibt die Modekette es noch auf die Spitze: Dadurch, dass in jedem Shop derselbe Parfumduft in der Luft hängt, will man sich einen weiteren Effekt zu Nutze machen: Das Priming oder deutsch: die Bahnung. Das bedeutet, dass ein gewisser emotionaler Erst-Reiz zukünftig immer wieder vergleichbare Emotionen auslöst, wenn der Reiz gesetzt wird. Allerdings gibt es hier eine wichtige Einschränkung: Der erste Reiz muss laut Neuro-Psychologie so intensiv sein, dass er einen Gedächtnisinhalt auslöst.
Erinnerung an ein erhebendes (Kauf)erlebnis
Sie sitzen in Ihrem Traumurlaub abends an der Strandbar, schlürfen Ihren Lieblings-Cocktail und während dieses Abends läuft mehrere Male ein stimmungsvolles Lied, das Sie noch nie gehört haben – Erst-Reiz mit Gedächtnisinhalt. Drei Wochen später sitzen Sie im Büro und hören aus dem Radio Ihres Kollegen genau dieses Lied wieder. Woran denken Sie jetzt wohl? Wie fühlen Sie sich?
Genau diesen Effekt machen sich Werber und geschickte Verkäufer zu Nutze, wie eben Abercromby & Fitsch. Sie sollen, wenn alles wie geplant läuft, noch Wochen nach dem Kauf vor einer x-beliebigen Eingangstür eines Shops dieses Unternehmens an diesen tollen Moment, an dieses erhebende Kauferlebnis zurückdenken, nur weil Sie z. B. diesen Geruch wiedererkennen.
Faktor Mensch versus konstruiertes Ideal
Was passiert, wenn der Faktor Mensch hinzukommt? Wenn die Verkäufer von der Einstellung und vom Gesichtsausdruck her nicht diesem konstruierten Ideal entsprechen? Dann kann der Laden noch so cool sein, dann kann die Verkaufstaktik noch so ausgefuchst sein, der tolle Eindruck, der durch das Priming entstehen sollte, ist ganz schnell dahin.
Was, wenn der Kunde absolut zufrieden und glücklich war, bis er eine Reklamation hatte und dabei ziemlich schroff abgewiesen wurde? Auch das ist Priming, allerdings negatives!
Was, wenn der Verkäufer nicht authentisch ist und es nicht schafft, beim Kunden Vertrauen aufzubauen? Was, wenn er authentisch ist, aber mit seiner Persönlichkeit nicht zum jeweiligen Geschäftsmodell passt?
Die Maßnahmen, die aus den sinnvollen und spannenden Forschungsergebnissen der Neurowissenschaften abgeleitet werden, sind häufig zu durchschaubar, zu stark manipulierend und oft noch von vielen weiteren Faktoren abhängig und dadurch unkalkulierbar. Der Mensch ist zu kompliziert, als dass wir an ihm einen „Kaufknopf“ drücken könnten! Es werden Milliarden an Euros und Dollars in neue Kundenhirnerforschungs-Projekte gesteckt, anstatt dem Kunden die richtigen Fragen zu stellen, wirklich hinzuhören, um dann die folgerichtigen Schlüsse aus diesen Informationen zu ziehen.
Vertrautheit schafft Vertrauen
Noch wichtiger sind Verkäufer, die vertrauenswürdig und authentisch sind, die den Kunden die Sicherheit geben, die sie zum Kauf benötigen. Dazu braucht es neben hohem Fachwissen und freundlichem Auftreten vor allem eins: Eine Verkäuferpersönlichkeit mit Emotionen, die die Gefühle und den Nutzen für den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Auch das lässt sich mittels Hirnforschung erklären: Wenn ein Mensch eine neue Situation wahrnimmt, einen fremden Menschen kennenlernt oder mit einem neuen Produkt konfrontiert wird, sucht das Gehirn automatisch nach bekannten und vertrauenswürdigen „Links“, nach Verbindungen in seiner Erinnerung. Das geschieht in Bruchteilen von Sekunden im Unterbewusstsein. Je mehr starke und vertrauenswürdige Verbindungen es findet, umso größer wird das Vertrauen sein. Also sollten Sie als Verkäufer Ihre komplette authentische Persönlichkeit einbringen, damit das Hirn Ihres Kunden genügend Ansatzpunkte findet, um Sie als vertrauenswürdig zu erachten.
Der individuelle Nutzen zählt
Denken Sie bitte nicht, Ihr Kunde würde seinen eigenen, individuellen Nutzen selber erkennen, das tut er in den seltensten Fällen. Zeigen Sie ihm seinen Nutzen auf, halte Sie ihm den mentalen Spiegel vor. Das bedingt, dass Sie wirklich zugehört haben und wissen, was ihn antreibt, welche inneren Kaufmotive er hat.
Wie das funktioniert, erkennen Sie an diesem Beispiel: Ein Versicherungsmakler hat sich die Unterschrift des Kunden dadurch gesichert, dass er sagte:
„Mit dieser Vorsorgeplanung sind sie vier Jahre früher in ihrer Finca auf Mallorca.“
Der Makler hatte durch gezieltes Fragen herausgefunden, was sein Kunde in spe wirklich will, nämlich seinen Lebensabend frühestmöglich auf Mallorca in einer eigenen Finca zu verbringen. Nachdem er ihm den Plan erstellt und die sachlichen Vorteile dargestellt hatte, präsentierte er seinem Gesprächspartner dieses emotionale Argument. Mit Erfolg! Das kann niemals alleine einen Abschluss garantieren, es ist allerdings immer der letztendliche Auslöser.
Das positive Kauferlebnis
Ein positives Kauferlebnis kann eine Präsentation oder eine Beratung sein, bei der Sie komplizierte Zusammenhänge mit bildhafter Sprache oder mit Symbolen erläutern. Ein Finanzmakler erzählte mir, dass er seinen Job als „Lotsen im Tarifdschungel“ erklärt. Ein anderer ist der „Leuchtturm auf dem Weg zum Lebenstraum“. Zu bildhaft für Sie? Für Ihre Kunden nicht: Unser Gehirn funktioniert über Bilder, bei diesen Beispielen läuft sofort ein Film auf dem inneren Projektor ab.
Nutzen Sie Priming auf diese Weise: Wenn Sie Ihren Kunden bei jedem Besuch oder Gespräch einen Tipp geben, den er sonst nicht ohne weiteres bekommen würde, wird er sie bald mit Kompetenz und Offenheit verbinden. Und das stärkt sein Vertrauen in Sie.
Die richtige Mischung aus Herz und Verstand
Wenn alle Aspekte miteinander verknüpft sind, wenn Mensch und Marketing zusammenpassen, wenn das Neuromarketing als Ziel hat, den Kunden zu begeistern und ihm den Kauf zu erleichtern, wenn mehr in die Weiterbildung der Verkäufer investiert wird, dann lohnt sich für alle Seiten der finanzielle Einsatz.
Egal, was Ihnen andere Experten empfehlen: Es kommt darauf an, wie Sie mit Ihren Kunden umgehen, wie emotional Sie auf Ihre Kunden eingehen. Denn am Ende sind es stets die vermeintlich kleinen Dinge, die über Ihren Erfolg entscheiden.
Verkaufen Sie mit Herz und Verstand, nehmen Sie Ihre eigenen Emotionen wahr und stellen Sie die des Kunden in den Mittelpunkt Ihrer Bemühungen: Dann werden Sie noch erfolgreicher verkaufen und noch mehr Spaß an und mit Ihren Kunden haben.
Über den Autor:
Lars Schäfer ist Speaker und Trainer und gilt als führender Experte zum Thema „Emotionales Verkaufen“. Nach Ausbildungen zum Industrie-Kaufmann und Fachkaufmann Marketing war er 15 Jahre erfolgreich im Innen- und Außendienst tätig. Seit 2004 ist er selbständiger Verkaufs- und Kommunikationstrainer mit dem Spezialthema “ Emotionales Verkaufen“. Er bietet Verkaufstrainings für den Außendienst, Shopmitarbeiter und Vertriebsingenieure. Seine Trainings zeichnen sich durch einen ausgeprägten Motivationsfaktor, Humor und hohe Praxisorientierung aus. Seine unterhaltsamen und lehrreichen Vorträge zum Thema „Emotionales Verkaufen“ überzeugen durch ihre Authentizität und Emotionalität. Im Februar 2012 erschien sein erstes Buch „Emotionales Verkaufen – Was Ihre Kunden WIRKLICH wollen.“