Im Internet-Zeitalter haben die Kunden oft die Qual der Wahl zwischen vielen Produkten und möglichen Problemlösungen. Und wenn sie sich zum Beispiel im Netz hierüber informieren? Dann werden sie mit Infos meist geradezu überflutet. Das überfordert viele. Deshalb wünschen sie sich einen Berater an ihrer Seite, der sie im Kaufentscheidungsprozess begleitet und unterstützt.
Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie bietet Verkäufern mehr Möglichkeiten, mit ihren Kunden zu kommunizieren. Zugleich bietet sie den Kunden mehr Möglichkeiten, sich zu informieren. Entsprechend gereizt und genervt, reagieren Kunden im B2C- und im B2B-Bereich nicht selten, wenn Verkäufer sie unaufgefordert kontaktieren, um ihnen zum Beispiel die Vorzüge ihrer Produkte anzupreisen.
Bedeutet dies, dass die Kunden im Internet-Zeitalter keine individuelle Betreuung und Beratung mehr wünschen? Nein! Denn nach wie vor stellen sich Kunden, wenn sie vor einer konkreten Kaufentscheidung stehen, unter anderem die Fragen:
- „Was gilt es bei der Kaufentscheidung zu beachten?“ Und:
- „Was ist für uns (kurz-, mittel- und langfristig) das günstigere Produkt beziehungsweise die bessere Problemlösung, weil …?“
Und zwar unabhängig davon, ob sie sich als Privatperson beispielsweise für den Kauf neuer Fenster oder als Entscheider in einem Unternehmen für den Kauf einer neuen Computeranlage interessieren. Denn dann finden sie häufig auf ihre Fragen allein keine Antwort – obwohl ihnen oder gerade weil ihnen das Internet heute so viele Informationsmöglichkeiten bietet. Denn bei komplexen Produkten und Dienstleistungen fällt es ihnen oft schwer, aus der Flut von Infos die für sie relevanten herauszufiltern. Zum Beispiel, weil sich aus ihrer Laien-Sicht die offerierten Produkte wie ein Ei dem anderen gleichen. Oder weil ihnen für dasselbe Problem unterschiedliche Lösungen angeboten werden, sie aber nicht wissen, was all die „technischen“ Daten bedeuten. Oder weil sie eine für ihre speziellen Wünsche und Anforderungen maßgeschneiderte Problemlösung brauchen.
Die Kunden im Kaufentscheidungsprozess führen
„Was ist für mich/uns das beste Produkt?“ beziehungsweise „… die intelligenteste Lösung?“ Beim Beantworten dieser Frage fühlen sich Kunden gerade im Internetzeit, in dem sie bei Fragen oft nur irgendwelche telefonischen Service-Center kontaktieren können, häufig allein gelassen. Also wünschen sie sich einen Berater und Betreuer an ihrer Seite, der sie gleich einem Fremdenführer durch den Angebotsdschungel führt; einen Berater und Begleiter, dem sie vertrauen, weil sie spüren: Er fühlt sich für mich beziehungsweise das Lösen meines Problems (mit-)verantwortlich. Top-Verkäufer wissen das. Deshalb betrachten sie es als ihre Aufgabe, potenzielle Kunden im Kaufentscheidungsprozess zu führen.
Erfolgsfaktor: sich für Menschen interessieren
Das setzt voraus, dass sich die Verkäufer mental vom Produktverkauf verabschieden. Denn Kunden interessieren sich in der Regel nicht für Produkte. Sie haben vielmehr einen Wunsch oder ein Problem, für das sie eine Lösung suchen. Sie wollen zum Beispiel Bilder in ihrer Wohnung befestigen. Deshalb fragen sie nach einem Akkuschrauber und einer Bohrmaschine. Oder sie wollen eine warme Wohnung haben – ohne dass ihnen die Energiekosten die Haare vom Kopf fressen. Deshalb interessieren sie sich für einen neuen Brenner. Ebenso verhält es sich im Business-Bereich. Auch hier kauft kein Kunde ein Produkt oder eine Leistung zweckfrei – unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine Maschine oder Computeranlage oder einen Wartungsvertrag handelt. Vielmehr verfolgt er damit stets konkrete Ziele.
Welche dies sind, das muss der Verkäufer erkunden, denn nur dann kann er für den Kunden die ideale Lösung finden. Ähnlich wie ein Fremden- oder Reiseführer. Auch er erkundigt sich zunächst: Wer nimmt an der Tour teil? Eher ältere Menschen oder junge „Hüpfer“? Wofür interessieren sich die Teilnehmer? Eher antike Gebäude oder das kulturelle Leben? Welche Vorerfahrungen und -kenntnisse haben sie? Erst danach stellt er die Tour zusammen. Ein ähnliches Denken und Verhalten müssen Verkäufer entwickeln. Sie müssen sich sozusagen zu Buying Consultants entwickeln, die ihre Kunden bei deren Kaufentscheidungsprozessen begleiten und unterstützen.
Das setzt zunächst voraus, dass die Kunden eine solche Begleitung und Unterstützung wünschen. Also gilt es im Kundenkontakt zunächst zu klären, ob und wann die Kunden eine solche Begleitung wünschen – und wann sie in Ruhe gelassen werden möchten, weil sie dann die Kontaktaufnahme durch einen Verkäufer nur nervt. Zudem gilt es zu klären: In welcher Form soll die Begleitung und Unterstützung erfolgen? Soll zum Beispiel die Information über neue Produkte und Dienstleistungen des Anbieters nur per Mail erfolgen, während man sich bei einem akuten (Beratungs-)Bedarf persönlich trifft? Hierüber gilt es ein Agreement zwischen dem Kunden und seinem (künftigen) Buying Consultant zu erzielen.
Erfolgsfaktor: Sicherheit ausstrahlen
Ein Fremden- oder Reiseführer wird jedoch erst dadurch zum Führer, dass ihm andere Menschen folgen – also ihm vertrauen. Zum Beispiel, weil sie spüren: „Der Mann (oder die Frau) hat Erfahrung. Er kennt sich in den Bergen und mit dem Bergwandern aus.“ Fremden- und Reiseführer strahlen deshalb in der Regel eine große Gelassenheit und Selbstsicherheit aus.
Entsprechendes gilt für Verkäufer. Auch sie müssen ihren Kunden, wenn diese sie als ihren Buying Consultant akzeptieren sollen, durch ihr Auftreten das Gefühl vermitteln: Sie können mir vertrauen. Das setzt voraus, dass sie mit ihren Kunden auf Augenhöhe kommunizieren. Das heißt, sie sprechen unter anderem deren Sprache. Statt ihnen zum Beispiel technische Daten an den Kopf zu werfen, erläutern sie ihnen mit einfachen, bildhaften Worten die Vorzüge der verschiedenen Lösungen. Und statt ihnen besserwisserisch sofort „die ideale Lösung“ zu präsentieren, sagen sie zum Beispiel: „Lassen Sie uns einmal überlegen, was Ihrem Bedarf entspricht. Wie wichtig ist Ihnen, dass…..“.
Erfolgsfaktor: (Mit-)Verantwortung übernehmen
Ein Buying Consultant bindet also seine Kunden in die Suche der Problemlösung ein. Das tut er nicht nur, weil er dann am ehesten einen Abschluss erzielt. Er interessiert sich vielmehr für Menschen und kommuniziert gerne mit ihnen. Deshalb spult er im Kundenkontakt auch keinen antrainierten Fragenkatalog ab. Er reagiert vielmehr auf die Antworten und Signale seines Gegenübers und checkt zwischenzeitlich immer wieder, ob sein Verhalten noch zielführend ist – ähnlich wie ein Reiseführer. Auch er fragt die Teilnehmer immer wieder: „Laufe ich zu schnell?“ „Haben Sie noch Fragen zu …?“ „Geht es Ihnen gut?“ Dadurch vermittelt er den Teilnehmern das Gefühl: In den Händen dieses Reiseführers bin ich gut aufgehoben, denn er fühlt sich verantwortlich für mich.
Erfolgsfaktor: den Kunden führen
Dessen ungeachtet schreitet ein guter Fremden- und Reiseführer in der Regel voran. Denn er kennt den Weg und ist mit dem Terrain vertraut. Zwar hat er dabei stets die Teilnehmer im Blick, doch er gibt den Weg, die Richtung vor – auch um zu vermeiden, dass seine Schützlinge sich verlaufen.
Ähnlich agiert ein Buying-Consultant: Er hat den Kunden zwar stets im Blick, doch letztendlich weist er ihm den Weg durch den Angebotsdschungel hin zur besten Lösung. Er versucht also, das Heft des Handelns stets in der Hand zu behalten. Deshalb checkt er zwischenzeitlich auch immer wieder: Bin ich noch auf dem Weg zum Ziel? Zum Beispiel mit Fragen wie: „Wie wichtig ist Ihnen dieses Leistungsmerkmal?“ Oder: „Wie gefällt ihnen diese Lösung?“ Denn nur dann kann er im Bedarfsfall den Kurs korrigieren. Deshalb lässt ein Buying Consultant seine Kunden mit ihren Entscheidungen, soweit möglich, auch nicht allein. Das heißt, er schickt ihnen zum Beispiel nicht einfach Angebote. Nein, er überreicht sie ihnen im Idealfall persönlich. Denn dann kann er mit den Kunden über die Vorzüge des Angebots sprechen und ihren Kaufentscheidungsprozess steuern.
Erfolgsfaktor: eine klare Sprache sprechen
Ein guter Reise- und Fremdenführer spricht auch eine klare Sprache. Er redet nicht um den heißen Brei. Fragt ihn ein Teilnehmer „Wie weit ist es noch zum Ziel?“, erwidert er zum Beispiel: „Wir müssen noch ungefähr 200 Treppenstufen empor steigen. Dann sind wir bei der Burg.“ Ein guter Führer macht auch klare Ansagen: „Wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel sein möchten, sollten wir jetzt die Rast beenden.“ Gerade dadurch vermittelt er seinem Gefolge Sicherheit.
Ähnlich ist es bei einem Buying Consultant. Auch er sagt Kunden zum Beispiel klipp und klar, was die Vor- und Nachteile einer Lösung sind und was nötig wäre, um diese zu realisieren. Er nennt Kunden auch, wenn sie ihn danach fragen, ohne zu zögern den (ungefähren) Preis für eine vorgeschlagene Lösung – denn er ist von deren Vorzügen überzeugt. Diese Sicherheit spürt der Kunde, weshalb er dem Verkäufer vertraut.
Erfolgsfaktor: Entscheidungen anstoßen
Ein guter Reise- oder Fremdenführer spornt, die ihm anvertrauten Frauen und Männer auch immer wieder an. Zum Beispiel, indem er sagt: „Leute, Ihr seid klasse. Noch zehn Minuten schwitzen, dann sind wir am Ziel.“ Oder: „Diesen Hügel müssen wir noch erklimmen. Dann gibt es ein kühles Bier.“
Ähnlich agiert ein Buying Consultant. Er sagt zu Kunden beispielsweise: „Herr Huber, mit dieser Tür haben Sie eine gute Wahl getroffen. Jetzt sollten wir uns nur noch für ein Schließsystem entscheiden, dann stets dem Einbau Ihrer neuen Haustür nichts mehr im Weg.“ Und wenn alle für die Kaufentscheidung relevanten Fragen beantwortet sind, und der Kunde dies verbal oder non-verbal signalisiert? Dann steuert ein Buying Consultant auf direktem Weg den Vertragsabschluss an – zum Beispiel, indem er sagt: „Frau Mayer, ich habe den Eindruck, wir haben das passende Altersvorsorge-Produkt für Sie gefunden. Soll ich im Vertrag eine monatliche Zahlung von 100 oder 200 Euro notieren?“ Oder: „Herr Müller, ich bin mir sicher, mit dieser IT-Lösung erreicht Ihr Unternehmen seine Ziele. Sollen wir sie zunächst in Ihrem Vertrieb implementieren, bevor Sie sich dann aufgrund der positiven Erfahrungen eventuell für eine Einführung im gesamten Unternehmen entscheiden?“ Ein Buying Consultant lässt seine Kunden also auch auf den letzten Metern – wenn diese und viele Verkäufer oft schlapp machen – nicht allein. Er fordert sie vielmehr zum Treffen einer Kaufentscheidung auf.
Ein so verkaufsaktives Verhalten stört die Kunden meist nicht – denn vielen Menschen fällt das Sich-entscheiden schwer. Deshalb freuen sie sich, wenn ihr Berater und Begleiter im Kaufentscheidungsprozess in dessen letzter und entscheidender Phase Entschlossenheit zeigt. Denn dies vermittelt ihnen Sicherheit.
Beratung ja – doch bitte nicht wie früher
Auch im Internetzeitalter beziehungsweise digitalen Zeitalter wünschen Kunden oft eine Unterstützung bei ihrer Kaufentscheidung – jedoch eine andere Form der Beratung und Begleitung als im analogen Zeitalter, als die moderne Informations- und Kommunikationstechnik noch nicht existierte. Deshalb müssen die Unternehmen ihre Marketing- und Vertriebskonzepte überdenken und die Funktion ihrer Verkäufer in diesen neu definieren. Zudem muss sich das Selbstverständnis sowie das Kompetenz- und Persönlichkeitsprofil der Verkäufer ändern, damit sie ihre Aufgaben als Buying Consultant professionell wahrnehmen können.
Über die Autoren:
Uwe Reusche und Klaus Kissel sind die Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales & Managementberatung, Urbar bei Koblenz, das Unternehmen u.a. beim (Weiter-)Entwickeln und Realisieren ihrer Vertriebskonzepte unterstützt. Außerdem bildet ifsm zertfiizierte Vertriebs- und Salescoaches aus.