Die Bedeutung von Kommunikation und Gesprächen zeigt sich vor allem in Krisenzeiten. Wenn Aufträge wegbleiben, die Stundenzahl reduziert werden muss und insgesamt große Unsicherheit herrscht, kommen Führungskräfte um einen regelmäßigen und offenen Austausch mit ihren Mitarbeitern nicht herum.
Jedes Unternehmen durchlebt gute und schlechte Zeiten. Für die meisten Unternehmen waren die letzten Jahre eine sehr gute Zeit. Und in guten Zeiten läuft vieles wie von selbst: Die Auftragslage ist hervorragend und die Mitarbeiterführung stellt Führungskräfte vor wenige Herausforderungen. Das kann dazu führen, dass manche Aufgaben nicht mehr regelmäßig und zuverlässig ausgeführt werden. In vermeintlich einfachen Zeiten wird beispielsweise schnell einmal vergessen, dass regelmäßige Gespräche mit Mitarbeitern ein wertvolles Führungsinstrument sind.
Unsicherheiten entgegenwirken – vom ersten Tag an!
In den letzten Wochen haben viele Unternehmen den Übergang von einer guten Zeit in eine Krise auf dramatische Art erfahren müssen. Verheerend dabei ist: Umso länger die „fetten Jahre“ anhielten und umso plötzlicher die Krise aufkommt, desto schwieriger ist es für Führungskräfte, damit umzugehen. Ein Paradebeispiel dafür ist die aktuelle Krise, ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie. Diese stellt Unternehmen und ihre Führungskräfte vor große Herausforderungen: Aufträge bleiben aus, der Umsatz bricht ein, Mitarbeiter müssen in Kurzarbeit gehen oder vielleicht sogar entlassen werden. Zwangsläufig und mehr denn je führt die aktuelle Situation zu vielen ungeplanten Veränderungen. Die Ungewissheit über den weiteren Verlauf ist enorm, genauso wie die mittelfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das wirft die Frage auf: Wie können Führungskräfte der Unsicherheit im Unternehmen und der ganz individuellen Angst bei den Mitarbeitern bestmöglich entgegenwirken? Die Antwort lautet: Vor allem durch einen offenen und regelmäßigen Austausch – nicht morgen oder in einer Woche, sondern jetzt sofort und dann bitte regelmäßig.
Mitarbeiter in stürmischen Zeiten durch Gespräche mitnehmen
Ein Mitarbeitergespräch ist das wichtigste Instrument, Mitarbeiter mitzunehmen, sie offen über aktuelle Veränderungen zu informieren und auch auf anstehende Veränderungen vorzubereiten. Ob von Angesicht zu Angesicht oder digital – es ist ein Führungsinstrument, das Führungskräfte auf jeden Fall beherrschen sollten. Besonders in stürmischen Zeiten ist ein vertrauensvoller Umgang im Team wichtig. Und richtig geführte Mitarbeitergespräche zahlen viel auf das Vertrauenskonto zwischen Mitarbeitern und Führungskraft ein. Entscheidungen der Führungsetage werden von Mitarbeitern letztendlich nur akzeptiert und mitgetragen, wenn sie offen über Gründe und Hintergründe von bestimmten Entscheidungen informiert werden. Und wenn sie das Gefühl haben, offene Rückfragen stellen zu können. In anderen Worten: Wenn eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen Führungskräften und Mitarbeitern besteht. Dies ist besonders dann wichtig, wenn stürmische Zeiten zwangsläufig zu harten und unbeliebten Entscheidungen führen. Diese sollten – wenn es einen einzelnen Mitarbeiter betrifft – immer ohne Verzögerung und in persönlichen Gesprächen mitgeteilt werden.
Weil es immer eine Zeit nach der Krise gibt
… dient jedes Mitarbeitergespräch auch der Kalibrierung. Das heißt, Führungskräfte haben die Möglichkeit, sich mit dem Mitarbeiter über Sichtweisen zu Leistung, Anforderungen aber auch Erwartungen und Sorgen in Hinblick auf die Zukunft abzugleichen. Differenzen können so erkannt und beseitigt werden. Leider unterschätzen Führungskräfte diese Faktoren im Rahmen von Veränderungen oft. Aber auch wenn ihnen grundsätzlich bewusst ist, wie wichtig Mitarbeitergespräche sein können, ist es meist eine eher unbeliebte Aufgabe unter Führungskräften. Dennoch: Es gehört zur Rolle als Führungskraft dazu, solche Gespräche zu führen. Und mit etwas Übung gelingt es jeder Führungskraft, Mitarbeitergespräche zielgerichtet und mit einem hohen Maß an Klarheit und Offenheit zu führen.
Tipps für erfolgreiche Mitarbeitergespräche
Damit das Gespräch mit dem Mitarbeiter auch tatsächlich zu mehr Klarheit, Offenheit und gegenseitigem Vertrauen führt, sollten Führungskräfte einige grundlegende Tipps beachten. Die gelten übrigens genauso für digitale Mitarbeitergespräche, zum Beispiel per Videoanruf, wie für klassische Mitarbeitergespräche im Büro.
- Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Führungskräfte sollten sich für die Vorbereitung auf jedes Mitarbeitergespräch genügend Zeit nehmen. Dazu gehören die inhaltliche, die organisatorische und die mentale Vorbereitung. So sollten zum Beispiel Anlass, Ziele, Ort und Zeit des Gesprächs im Vorhinein klar sein. Es ist auch wichtig, dass der Mitarbeiter frühzeitig eine persönliche Einladung zu dem Gespräch erhält.
- Dialog statt Monolog
Ein offener Austausch kann nur stattfinden, wenn die Führungskraft dem Mitarbeiter ausreichend Gesprächszeit einräumt. Der Anteil des Mitarbeiters sollte bei circa 70 % liegen. Das ist schwieriger als es klingt, denn Führungskräfte tappen oft in die Falle, sehr viel zu reden. Damit nehmen sie beiden Gesprächspartnern die Chance auf einen offenen und ehrlichen Austausch.
- In Ich-Botschaften kommunizieren
Besonders bei schwierigen Mitarbeitergesprächen kann es schnell passieren, dass sich der Mitarbeiter persönlich angegriffen fühlt. Um das zu vermeiden, sollten Führungskräfte in Ich-Botschaften kommunizieren. Zum Beispiel „Ich habe das Gefühl, dass Sie diese Situation stark belastet.“ anstatt „Sie sind in den letzten Tagen ziemlich schlecht drauf.“
- Auf Weichmacher verzichten
Gute Kommunikation basiert auf Klarheit. Deshalb sollten Führungskräfte in Mitarbeitergesprächen (und auch beim informellen Austausch mit Mitarbeitern) nicht um den heißen Brei herumreden und auf ihre Sprachschärfe achten. Das heißt, auf Weichmacher – wie „vielleicht“, „manchmal“, „ja, aber“ – zu verzichten.
- Missverständnissen durch Rückkopplungen vorbeugen
Kommunikation ist in den seltensten Fällen eindeutig. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Rückkoppelung schafft Klarheit und stellt sicher, dass Führungskraft und Mitarbeiter nicht aneinander vorbeireden. Dabei helfen zum Beispiel folgende Fragen: „Was genau haben Sie jetzt verstanden?“; „Was genau nehmen Sie aus diesem Gespräch mit?“; „Sehen Sie das auch so?“
Führungskräfte, die diese Tipps bei Mitarbeitergesprächen beherzigen, schaffen optimale Bedingungen für einen offenen Austausch auf Augenhöhe. Sie zeigen, dass sie ihre Mitarbeiter wertschätzen. Und Mitarbeiter können so ein Verständnis für die aktuelle Lage entwickeln, sowie Sorgen und Ängste äußern. Dabei können die meisten Themen durchaus digital mit den Mitarbeitern besprochen werden. Besonders schwierige Inhalte und Kritikgespräche sollten jedoch nur persönlich, und nicht per Videoschaltung, stattfinden.
Was passiert, wenn Mitarbeitergespräche nicht stattfinden?
Trotz zahlreicher Vorteile finden Mitarbeitergespräche in vielen Unternehmen zu unregelmäßig oder sogar gar nicht statt. Ein Grund dafür ist, dass Mitarbeitergespräche – wie eingangs beschrieben – bei vielen Führungskräften unbeliebt sind. Zum Beispiel, weil sie sich schlecht vorbereitet und somit unsicher fühlen. Sieht man allerdings von Mitarbeitergesprächen ab, kann ein Teufelskreislauf entstehen: Mangelhafte oder ausbleibende Kommunikation verkompliziert schwierige Situationen weiter und mündet letztlich in mehr Unsicherheit, Enttäuschung und Misstrauen. Umgekehrt schaffen Mitarbeitergespräche – wenn sie richtig vorbereitet und geführt werden – Vertrauen und ermöglichen Offenheit. Finden diese – aus welchen Gründen auch immer – nicht statt, tritt das Gegenteil ein. Und das führt zu weiteren unerwünschten Folgen: Weil Informationen nicht geteilt werden, entsteht unter den Mitarbeitern das Gefühl von Geheimniskrämerei in der Führungsetage. Sie entwickeln ein grundlegendes Misstrauen gegenüber ihren Führungskräften. Daraus wiederum entwickelt sich Enttäuschung, Angst, Druck, Abspaltung und Egoismus.
Bleiben Mitarbeitergespräche in schwierigen Zeiten aus, kann schnell ein Informations-Vakuum entstehen. Das heißt, im Unternehmen entstehen und kursieren Gerüchte, Tratsch, „Fake-News“. Einige Mitarbeiter nutzen dieses Vakuum gezielt, um es mit „Müll und Unrat“ zu füllen. Sind diese Folgen erst einmal eingetreten, ist es äußerst schwer, das Vertrauen der Belegschaft zurückzugewinnen. Deshalb gilt: Führungskräfte sollten schlechte Nachrichten auf keinen Fall vertagen oder vertrödeln. Umso länger Führungskräfte mit der Verkündung schlechter Botschaften warten, desto schwieriger wird es für alle Parteien, die Krise gemeinsam und erfolgreich zu bewältigen.
Über den Autor:
Ralf R. Strupat ist Umsetzungsexperte für gelebte Begeisterung. Seit fast zwanzig Jahren in Unternehmen beratend, trainierend und aktiv begleitend unterwegs – nah an der Basis bei Themen, die Führungskräfte bewegen. Ganzheitlich, praxis- und lebensnah wie kaum ein anderer – mit Werkzeugen die sofort einsetzbar sind.