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„Selbstständige arbeiten selbst und ständig“ – so lautet ein bekanntes Bonmot. Leider ist dies oft tatsächlich so. Dabei brauchen Unternehmer regelmäßige Auszeiten, wenn sie langfristig erfolgreich sein möchten.

„Weihnachtszeit, besinnliche Zeit“ – darüber können viele Selbstständige nur lachen. So zum Beispiel fast alle Fachhändler. Denn in den Wochen vor Weihnachten machen sie die Hauptumsätze im Jahr. Und nach Weihnachten? Dann fluten die Kunden ihre Geschäfte – weil sie ihre Weihnachtsgeschenke umtauschen möchten oder weil sie endlich mal Zeit und Muße haben, um sich zum Beispiel nach dem Sofa umzuschauen, das sie schon lange haben möchten.

Ähnlich ergeht es fast allen Notaren. Sie müssen, bevor die Silvesterraketen gen Himmel steigen, noch schnell viele Beurkundungen vornehmen – damit ihre Mandaten die erworbene Immobilie noch bei der Steuer geltend machen können. Ähnlich verhält es sich bei vielen B2B-Dienstleistern, deren Kunden im Dezember plötzlich  merken „Ups, wir haben in diesem Jahr zu viel Gewinn erzielt“, weshalb sie noch schnell eine neue Büroeinrichtung oder Computer-Anlage kaufen, damit ihre Steuerlast sinkt.

Den Angehörigen aller vorgenannten Berufsgruppen bzw. Branchen sei gesagt: „Ihr Markt tickt halt so! Das können Sie nicht ändern.“ Trotzdem brauchen auch sie wie alle Berufstätigen – egal, ob Angestellte oder Selbstständige – regelmäßige Auszeiten von der zunehmenden Hektik des Betriebsalltags (selbst wenn dies manche Hyper-Aktive in der FDP, die seit Jahrzehnten nach mehr Flexibilisierung schreien, anscheinend nicht glauben).

Auszeiten auch zum Be- und Durchdenken

Auszeiten werden in unserer von einer immer schnelleren Veränderung und einer sinkenden (langfristigen) Planbarkeit geprägten Welt zunehmend wichtig – nicht nur um die Energietanks wieder aufzufüllen, sondern auch um Dinge zu „be-denken“ und zu „durch-denken“.

Die FDP plakatierte im jüngsten Bundestag-Wahlkampf zwar „Digitalisierung first! Bedenken second“. Doch wer als Unternehmer so verfährt – zum Beispiel, wenn wichtige Weichenstellungen anstehen, fährt den Karren schnell an die Wand. Als Unternehmer sollte man, komplexe Sachverhalte zunächst durch-denken und die möglichen Auswirkungen be-denken, bevor man Entscheidungen trifft. Sonst verfällt man in einen blinden Aktionismus, der zu einer Verwendung von Zeit und Geld führt und nicht zielführend ist.

Mindestens vier Wochen Auszeit pro Jahr

Dieses „Be-denken“ und „Durch-Denken“ erfordert Muße und Zeit. Auch deshalb sind Auszeiten für Selbstständige und Unternehmer extrem wichtig, denn sonst können sie das Schiff Unternehmen nicht steuern – und ihnen schwatzen solche Berater wie ich jeden Mist, der gerade „en vogue“ ist, auf. Zum Beispiel einen Blog? Oder wie wäre es mit ein paar Videos für Ihre Webseite? Oder mit einer Portion Social-Media-Marketing?

Zumindest den gesetzlichen Mindest-Urlaub von vier Wochen sollten Sie sich auch als Jung-Unternehmer, der vor Tatendrang strotzt, gönnen. Und als Selbstständiger, dessen Schläfen – wie bei mir – schon graue Haare zieren? Als solcher sollten Sie zumindest darauf hinarbeiten, dass Sie eine Auszeit von sechs Wochen/Jahr haben – gerade weil Sie ansonsten vermutlich eine 50plus-Stunden-Woche haben. Denn machen wir uns nichts vor: Das Energie-Level von uns „Silber-Füchsen“ ist niedriger als vor 20 oder 30 Jahren. Und wir brauchen längere Regenerationszeiten – selbst wenn wir die Jungen leistungsmäßig, was die Input-Out-Relation betrifft, noch locker in die Tasche stecken, aufgrund unserer Routine und Erfahrung.

Unternehmer-Urlaub in Preise einkalkulieren

Wie Sie sagen, Sie können sich vier beziehungsweise sechs Wochen Urlaub pro Jahr nicht leisten – wegen des Verdienstausfalls. Dann befindet sich Ihr Unternehmen entweder noch in der Aufbauphase oder Sie haben etwas falsch gemacht! Denn grundsätzlich sollten Ihre Preise und Umsätze so kalkuliert sein, dass Sie sich den verdienten Urlaub problemlos gönnen können. Wenn Sie Mitarbeiter einstellen, kalkulieren Sie deren Urlaub doch auch ein. Warum tun Sie dies für sich als Unternehmer nicht?

Schwerer wiegt das Argument vieler Selbstständiger, insbesondere von Klein- oder Einzel-Unternehmern: Ich kann nicht zwei, drei Wochen am Stück in Urlaub fahren, denn bei meinen Kunden gibt es immer wieder Notfälle. Das ist zum Beispiel bei einem Unternehmer so, der mit seinen Mitarbeitern Aufzüge in Hochhäuser einbaut und wartet. Wenn in einem Hochhaus der Aufzug ausfällt, muss binnen ein, zwei Stunden jemand da sein, der ihn repariert. Ebenso verhält es sich bei vielen IT-Dienstleistern. Wenn bei deren Kunden das Computersystem nicht funktioniert, ist nicht selten der gesamte Betrieb lahmgelegt, … und die Mitarbeiter drehen Däumchen. Also muss auch hier ein Notdienst existieren.

Doch muss dies stets der Firmeninhaber sein? Genügt es nicht, wenn er in absoluten Notfällen telefonisch erreichbar ist oder sich bei Bedarf in das System aus der Ferne einloggen kann? Kann ansonsten in Notfällen nicht ein erfahrener Mitarbeiter als Stellvertreter fungieren oder ein anderer IT-Dienstleister, mit dem der Anbieter kooperiert – gemäß dem Motto: „Wenn Du in Urlaub bist, vertrete ich dich und umgekehrt.“ Als Unternehmer muss man auch mal loslassen können.

Echte Notfälle bei Kunden sind sehr, sehr selten

Für die meisten Selbstständigen gilt jedoch: Bei ihren Kunden gibt es eigentlich keine echten Notfälle! Wenn bei ihnen etwas sehr eilig und dringlich ist, dann liegt das meist an ihrer schlechten Planung. So ist dies zum Beispiel in meinem Business: der Marketing-Beratung und -Unterstützung. Hier gilt: Wenn ein Unternehmen im Marketing-Bereich jahrelang schlief (und dies überlebte), dann kann es auch noch zwei, drei Wochen länger schlafen. Und wenn eine Webseite seit Jahren ungepflegt ist, dann hat es auch noch zwei, drei Wochen Zeit, bis diese ein „face-lifting“ erfährt oder für Suchmaschinen optimiert wird.

Unternehmer erzieht Eure Kunden

Hier kann der Apell nur lauten: Unternehmer erzieht Eure Kunden. Macht ihnen klar, dass ihr zwar ihr Dienstleister, doch nicht ihr Sklave seid. Bezogen auf den verdienten Urlaub hat sich in meinem Betrieb zum Beispiel folgendes Vorgehen bewährt:

  • Ich informiere meine Stamm- bzw. Schlüssel-Kunden bereits zu Jahresbeginn darüber, wann ich im Verlauf des Jahres (voraussichtlich) länger als drei, vier Tage Urlaub mache (für ihre Planung).
  • Ich sende ihnen, da die meisten Kunden vergesslich sind, drei, vier Wochen vor dem Urlaub nochmals eine Erinnerungsmail (für den Fall, dass sie noch etwas Dringliches haben).

Doch wenn ich in Urlaub bin, dann bin ich auch wirklich weg – also für meine Kunden nicht erreichbar (jedoch im Bedarfsfall für meine Mitarbeiter). Und wenn Kunden dann doch (meist aufgrund ihrer schlechten Planung) etwas Dringliches haben? Dann müssen sie eben mit einem Mitarbeiter von mir Vorlieb nehmen oder warten. Probleme hatte ich deshalb noch nie!

Kunden möglichst selten Handy-Nummer geben

Grundsätzlich sollten Sie sich als Selbstständiger sehr genau überlegen, wem Sie Ihre Handy-Nummer geben. Denn mit dem Besitz der Handy-Nummer ist meist die Erwartung verknüpft: Mein Dienstleister ist rund um die Uhr erreichbar beziehungsweise ruft rasch zurück – und zwar 365 Tage im Jahr.

Auch diesbezüglich gilt: Sie sollten Ihre Kunden erziehen! Wenn Sie ohnehin von Montag bis Freitag im Schnitt 12 Stunden pro Tag sowie teils samstags im Büro sitzen, dann haben Ihre Kunden mehr als genug Zeit Sie zu erreichen. Dann müssen Sie Ihnen nicht auch noch Ihre (private) Handynummer geben, damit sie Sie auch noch nachts im Schlaf stören können. Ansonsten machen Sie sich zum Sklaven Ihrer Kunden, von denen manche zwar viel von einem wertschätzenden Umgang schwatzen – doch nur solange es um ihre Bedürfnisse geht. Bei ihrem Umgang mit Dienstleistern ist von Wertschätzung wenig zu spüren.

Wer auch mal „nein“ sagt, wird mehr gewertschätzt

Angst, dass Sie Kunden verlieren, weil Sie zu Kundenanliegen auch mal „Nein“ sagen, müssen Sie nicht haben. Zwar kann es sein, dass Sie – wenn Sie sich zum Beispiel den „Luxus“ gönnen, zwei Mal pro Jahr für zwei Wochen in Urlaub zu fahren – von einem Kunden mal  einen Spruch hören wie „Sind Sie schon im Vorruhestand?“, doch Kunden verlieren Sie nicht. Zumindest unter folgender Voraussetzung: Sie erbringen ansonsten eine Top-Leistung für Ihre Kunden, und diese wissen, welchen Mehrwert verglichen mit Ihren Mitbewerbern Sie ihnen bieten. Zum Beispiel im Bereich fachliche Beratung. Oder im Bereich persönlicher Umgang/Handling. Oder im Bereich Service. Diesen Mehrwert Ihren Kunden aufzuzeigen, ist ohnehin ein Teil Ihres Jobs – auch damit Sie endlosen Preis-Feilschereien entgehen.

Gelingt ihnen dies, dann wollen selbst die größten Stinkstiefel (die es selbstverständlich auch unter Kunden gibt) auf Ihre Leistung in der Regel nicht verzichten. Denn sie wissen: Mit jedem Dienstleister- bzw. Lieferanten-Wechsel sind auch Risiken verbunden. Und wirklich gute Dienstleister sind rar.

Im Gegenteil: Wenn Sie Kunden auch mal die Grenzen Ihrer Verfügbarkeit und Servicebereitschaft aufzeigen, steigen Sie meist sogar in deren Wertschätzung – weil sie spüren: Mir gegenüber ist ein selbstbewusster Partner, der von sich und seiner Leistung (zu Recht) überzeugt ist. Sagen Sie hingegen nie „nein“, dann werden manche Kunden stets maßloser – mit der Konsequenz, dass Sie irgendwann nur noch nach deren Pfeife tanzen und gar keine Auszeiten mehr haben.

Autor: Bernhard Kuntz

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