Wenn Unternehmen ihre Leistung kontinuierlich verbessern wollen, müssen ihre Mitarbeiter lernen, Probleme selbst zu erkennen und zu lösen. Dazu benötigen sie leicht handhabbare Instrumente. Außerdem müssen sie in diesem Lernprozess von ihren Führungskräften unterstützt werden.
Je komplexer bzw. vernetzter die Struktur eines Unternehmens ist, desto schwieriger ist es, eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung bzw. KVP-Kultur zu etablieren: In den Leistungserstellungsprozess sind dann neben den Mitarbeitenden einer Abteilung oder eines Bereiches meist auch Mitarbeitende integriert, die in anderen Unternehmen arbeiten.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz in anderen Unternehmensbereichen oder sogar an anderen Standorten haben, sowie
Kooperationspartner wie z.B. externe Dienstleister.
Deshalb ist es in solchen Projekten wichtig, den Mitarbeitenden und Führungskräften einfach handhabbare Instrumente an die Hand zu geben, um – bereichs- oder gar unternehmensübergreifend – die angestrebten Veränderungen und Verbesserungen parallel zum Tagesgeschäft zu realisieren. Der A3-Report ist ein solches Instrument.
Die Problemlöse-Kompetenz erhöhen
Dieser geht auf den Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran zurück. Er empfahl vor etwa 60 Jahren japanischen Topmanagern, Problemlösungen, Entscheidungsgrundlagen und Strategien aus Gründen der Übersichtlichkeit auf einem Blatt Papier im DIN-A3-darzustellen. Unter anderem Toyota folgte diesem Rat.
Der A3-Report gibt den Mitarbeitern eine Schablone an die Hand, welche Analyse- und Handlungsschritte beim Lösen eines Problems zu durchschreiten sind. Außerdem stößt das Arbeiten mit ihm bei ihnen einen Lernprozess an, der
- zu einem tieferen Verständnis der Probleme führt und
- ihnen die Kompetenz vermittelt, nachhaltige Lösungen zu entwerfen und zu realisieren.
Der A3-Report basiert auf dem aus dem Lean Management bekannten PDCA-Zyklus, demzufolge jedes Problem zugleich eine Verbesserungschance ist. Dieser besteht aus vier Phasen.
Phase 1: Plan. In ihr werden das Problem und der Ist-Zustand beschrieben sowie die (Kern-)Ursachen des Problems analysiert. Außerdem wird der Ziel-Zustand formuliert. Zudem werden Messgrößen für das Erreichen des Ziel-Zustands definiert.
Phase 2: Do. In ihr werden die Maßnahmen zum Erreichen des Ziel-Zustands fixiert.
Phase 3: Check. In ihr wird die Wirksamkeit der Maßnahmen kontrolliert, so dass diese bei Bedarf nachjustiert werden können.
Phase 4: Act. In ihr werden die bei der Problemlösung gesammelten Erfahrungen evaluiert und hieraus Standards für das künftige Vorgehen ableitet, die als Basis für weitere Verbesserungen dienen.
Der Aufbau eines A3-Reports
Über jedem A3-Report steht ein Titel wie zum Beispiel „Die Bearbeitungszeit von Kundenanfragen senken“ oder „Den Ausschuss beim Produzieren des Produkts xy reduzieren“. Er benennt also das zu lösende Problem. Danach folgen sieben Analyse- und Arbeitsschritte, die es beim Lösen des Problems und Implementieren eines neuen Standards zu durchschreiten gilt.
- Hier sollte das Problem so beschrieben werden, dass alle involvierten Personen
- das Problem und dessen Auswirkungen sowie
- die Relevanz einer Problemlösung für das Erreichen der Unternehmensziele verstehen.
- Ist-Zustand/-Situation. Hier wird geschildert, was aktuell „am Ort des Geschehens“ bzw. auf der operativen Ebene tatsächlich passiert. Außerdem wird analysiert, was die Betroffenen abhält, den Soll-Zustand zu erreichen. Der Ist-Zustand sollte möglichst plastisch dargestellt werden. Zudem sollte bei den Report-Nutzern ein faktenbasiertes Verständnis des Problems geschaffen werden – zum Beispiel mit Hilfe von Grafiken und Tabellen.
- Soll- bzw. Ziel-Zustand. Dieser Zustand muss genau spezifiziert werden – auch weil ein Rückwärtsdenken vom angestrebten Ziel in der Regel zu besseren Lösungen führt als eine Lösungssuche ohne definiertes Ziel. Die Beteiligten sollten sich auch fragen:
- Wie messen wir, ob unsere Verbesserungsinitiativen erfolgreich waren? Und:
- Welche Basis (zum Beispiel Kennzahl) nutzen wir als Vergleich?
- Ursachenanalyse. Nun geht es darum, Ansatzpunkte für wirksame Maßnahmen zu erkennen. Dabei hilft ein Ishikawa-Diagramm, auch Fischgräten-Diagramm genannt, mit dem die möglichen Problem-Ursachen gesammelt werden. Ziel ist es, die Faktoren zu ermitteln, die einen direkten Einfluss auf das Problem haben.
- Gegenmaßnahmen. Hier werden die Maßnahmen aufgelistet, um die Performance zu steigern. Wichtig ist es, beim Auflisten der Gegenmaßnahmen klar zu benennen:
- „Welches“ (Teil-)Problem soll durch die Maßnahme gelöst werden,
- „wie“ wird es gelöst,
- „wer“ ist für die Maßnahme verantwortlich,
- „wann“ und „wo“ wird sie durchführt?
- Erfolgsmessung. Überprüft wird, ob die Maßnahmen zum geplanten Ergebnis führten. Zudem werden bei einer Zielabweichung die Gründe hierfür benannt. Die erzielte Wirkung wird dabei quantifiziert, wobei eine graphische Darstellung (Vorher-Nachher-Vergleich) die Verständlichkeit erleichtert.
- Standardisierung und Follow-up. Zum Schluss wird der Gesamtprozess evaluiert. Zudem wird reflektiert, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die erreichten Verbesserungen zu sichern und weiter voranzutreiben. Folgende Fragen gilt es unter anderem zu beantworten:
- Was muss getan werden, um das Erreichte dauerhaft zu sichern?
- Auf welche anderen Aufgaben/Probleme können wir unsere Erfahrungen übertragen?
- Wen sollten wir über unsere Erfahrungen informieren, damit auch andere Bereiche/Teams hiervon profitieren?
Führungskräfte werden Lernbegleiter
Die Arbeit mit dem A3-Report erfordert von allen Beteiligten spezielle Fähigkeiten – speziell den Führungskräften. Sie müssen sich intensiv mit den wertschöpfenden Prozessen befassen; zudem müssen sie sich (auch) als Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter verstehen. Ein solches Selbstverständnis der Führungskräfte ist für den Auf- und Ausbau einer KVP-Kultur in Unternehmen unverzichtbar. Deshalb feilen zurzeit viele Unternehmen an neuen Führungskräfteentwicklungskonzepten. Dabei orientieren sie sich häufig am Lean Leadership-Development-Modell.
Dieses unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen.
Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass es künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.
Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe beinhaltet die Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.
Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.
Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe sind im Idealfall alle Führungskräfte eingebunden. Nun geht es darum, das Silo-Denken zu überwinden und alle Aktivitäten in der Organisation so aufeinander abzustimmen, dass die Unternehmensziele erreicht werden.
Die Innovationskraft der Organisation erhöhen
Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen, dass sich die Innovationskraft und -geschwindigkeit ihrer Organisation erhöht; außerdem, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt. Denn je mehr Kompetenz und Routine ihre Mitarbeiter im eigenständigen Lösen von Problemen haben, umso komplexere Aufgaben können sie ihnen übertragen und umso seltener müssen sie als „Trouble-Shooter“ agieren.
Über den Autor:
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.