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Keine Frage – Mediation hat einen guten Ruf. Einen besseren Ruf als z.B. ein Gerichtsverfahren. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie, die 2016 von PricewaterhouseCoopers herausgegeben wurde. Befragt, welches Verfahren sie in einem Konflikt bevorzugen würden, wählte die Mehrzahl der Unternehmer die Mediation. So sieht es zumindest in der Theorie aus. In der Praxis siegen oft Unkenntnis über den Ablauf und die Methoden einer Mediation. Diese Unsicherheit führt dann dazu, dass sich die Konfliktparteien nach einer gescheiterten Verhandlung dann doch oft vor Gericht sehen (PWC-Studie 2016).

Wenn ich im Folgenden von „Konflikten“ spreche, so meine ich immer dysfunktionale Konflikte. Im Gegensatz zu funktionalen Konflikten, die die Chance zu Wachstum und Entwicklung beinhalten, schwächen dysfunktionale Konflikte die Arbeitsleistung, saugen Energie und behindern die Gruppe im Erreichen ihres gemeinsamen Ziels (Pondy, 1992).

Hürden auf dem Weg zur Mediation

Neben der Unsicherheit darüber, wie der Ablauf einer Mediation aussieht, gibt es noch andere Vorbehalte. Vor allem in kleinen und mittelständischen Betrieben halten sich diese oft hartnäckig. Der Grund hierfür liegt vor allem in der Organisationsstruktur. Gibt es in großen Unternehmen fast immer eine eigene Rechts- und Personalabteilung, verschwimmen in kleinen und mittleren Betrieben diese Rollen.

Rechts- und Personalabteilungen haben meist fundierte Kenntnis über die Möglichkeiten und Methoden einer Mediation. Daher ist die Scheu, sich einen Experten von außen zu holen deutlich geringer. Im Gegenteil – man ist sich der Vorteile einer Mediation unter Anleitung Dritter sogar deutlich bewußt. Daher gelingt es großen Unternehmen öfter ihre theoretische Einstellung zur Konflikbearbeitung auch praktisch zu realisieren (PWC, 2005). Bedingung ist allerdings, dass den Juristen und Personalern die Rolle der Konfliktmanager offiziell von der Unternehmensleitung zugewiesen wird.

Unklare Rollentrennung erschwert das Konfliktmanagement

Die Überschneidung der Rollen in kleinen und mittleren Betrieben dagegen führt oft dazu, dass keine Klarheit darüber herrscht, wohin man sich im Fall eines innerbetrieblichen Konflikts wenden kann. Von der Unternehmensleitung wird unausgesprochen erwartet, dass sich die jeweiligen Vorgesetzten um die Konflikte in ihren Abteilungen kümmern. Die aber sehen die Angelegenheit nicht als ihre Kernaufgabe und es fehlt ihnen schlichtweg die Zeit, sich entsprechend darum zu kümmern. Das Problem wird ausgesessen (PWC 2016). Zudem stellt sich natürlich die Frage nach der nötigen Neutralität und Vertraulichkeit, wenn ein Konflikt intern geregelt wird.

Tatsächlich aber ist Konfliktmanagement Führungsaufgabe (Schmidt, 2014) und sollte daher auch durchaus bei Abteilungsleitern angesiedelt sein. Aber die wenigsten haben das nötige Werkzeug dazu. Einen Konflikt zu managen kann dann aber auch schon heißen, einen Konflikt zu erkennen und sich die nötige Expertise von außen zu holen.

Gerade wenn es um interne Konflikte geht, ist in kleineren und mittleren Betrieben mit größeren und nachhaltigeren Schäden zu rechnen, als in Großunternehmen. Personalfluktuation und schwindende Motivation kommen hier besonders zum Tragen (PWC 2016).

Noch mehr Schaden durch Gerichtsverfahren

Übereinstimmung – unabhängig von der Größe des Unternehmens – herrscht über die Erwartungen an ein Konfliktverfahren. So wünschen sich die Befragten vor allem

  • größtmögliche Fairness
  • größtmöglichen Erfolg
  • zeitliche Entspannung
  • Autonomie in der Konfliktbearbeitung
  • Fortführung der Geschäftsbeziehung

Die beiden ersten Punkte kann eine Mediation genauso garantieren, wie ein Gerichtsverfahren. Die letzten beiden Punkte sogar noch besser. Ein Gerichtsverfahren ist zeitlich schwer abzuschätzen. Zudem liegen während eines Verfahrens viele Agenden gezwungenermaßen auf Eis.

Vor allem was die Wahrung der Autonomie angeht, ist die Mediation dem Gerichtsverfahren sogar eindeutig vorzuziehen. Ebenso ist eine Fortführung der Geschäftsbeziehung nach einem Gerichtsverfahren nahezu undenkbar. Im Unterschied dazu kann in einer Mediation dieser Punkt als eigenständiges Ziel definiert und aktiv verfolgt werden.

Grundsätzlich kann man sagen, dass sowohl ein Gerichtsverfahren, als auch andere Verfahren der Konfliktbearbeitung erst zu einem relativ späten Zeitpunkt eingesetzt werden – dann nämlich, wenn die Fronten schon unauflösbar verhärtet sind. Dabei wäre es im Sinne der Kostenersparnis sinnvoller schon früh zu agieren. Was wiederum eindeutig für die Mediation spricht, da sie deutlich niederschwelliger eingesetzt werden kann.

Konfliktkosten bleiben oft unter dem Radar

Nur: viele Unternehmen haben überhaupt keinen Begriff davon, was ein Konflikt sie kosten kann. Das liegt daran, dass viele Kosten, die ein Konflikt verursacht nicht eindeutig bezifferbar sind und unsichtbar bleiben. (Unter „Kosten“ sind im Folgenden Konfliktkosten gemeint, also die „Störung der planmäßigen Ressourcenverwendung“ KPMG 2012). Nach dem Eisberg-Modell ist nur ein sehr kleiner Teil tatsächlich kalkulierbar. Dazu gehören Kosten durch:

  • Abfindungen
  • Krankenstand
  • Gerichtskosten
  • Kundenverlust
  • Lieferantenwechsel

Die Ursachen für die unsichtbare Kosten liegen vor allem bei mangelnder Motivation der Mitarbeiter (PWC 2016). Ist der Weg in die innere Emigration beschritten, führt das zu mangelnder Qualität in der Arbeit, „Dienst nach Vorschrift“, betriebsschädigendem Verhalten und Nichterledigung der übertragenen Aufgaben. Bei Unternehmen, die stark in der Öffentlichkeit stehen, kommt noch ein möglicher Imageverlust hinzu.

Es gibt Möglichkeiten, diese Kosten zumindest nachvollziehbar zu schätzen. Ein besonders einfaches Werkzeug ist z.B. der Konfliktkostenrechner von Oliver Ahrens. Ahrens beansprucht keine Abbildung im Sinne eines unternehmerischen Controllings. Was der Rechner allerdings liefert, ist ein fundierter Rahmen zur Abschätzung möglicher Kosten. Erst wenn ein Unternehmen dafür sensibilisiert ist, wird es auch die Implementierung eines systematischen Konfliktmanagements (auch eines präventiven) vorantreiben.

Fokus auf den Mehrwert durch Mediation

Beschränkt man sich im Bereich der Kosten nur auf das Einsparungspotential (also welche Kosten kann ein Unternehmen vermeiden), vernachlässigt man einen ganz wesentlichen Vorteil der Mediation: der Mehrwert, der erst durch ein mediatives Verfahren entsteht. Zu den wesentlichen Punkten zählen

  • erhöhte Mitarbeitermotivation
  • geringere Fluktuation
  • bessere Teamarbeit
  • besseres Image in der Öffentlichkeit (z.B. als familienfreundlicher Arbeitgeber)
  • höhere Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen

Diese Faktoren wiederum führen zu weniger internen Konflikten. Auch wenn sich diese Folgen kalkulatorisch nicht abbilden lassen, ist doch klar, dass die Investition in Mediation sich langfristig leistungssteigernd bemerkbar macht.

Selbst wenn ein Konflikt erkannt und intern systematisch behandelt wird, gibt es fast immer einen Punkt, der vernachlässigt wird: die Qualitätssicherung. Die Nachvollziehbarkeit des Prozesses ist umso wichtiger, weil die Wirkung des Konfliktmanagements  – wie bereits beschrieben – oft nicht in Zahlen gemessen werden kann. Wie bei der Frage nach der bevorzugten Lösungsvariante (gerichtliches oder außergerichtliches Verfahren), klaffen Wunsch und Realität auseinander. Grundsätzlich ist den Unternehmen die Qualitätssicherung in der Konfliktbearbeitung wichtig. Nur existieren so viele Vorbehalte, dass sie in intern gemanagten Konflikten sehr selten durchgeführt wird (PWC 2005). Die Gründe sind vielfältig:

  • Personalknappheit
  • Befürchtung, die Flexibilität im Verfahren zu verlieren
  • Durchführung und Qualitätssicherung läuft in einer Person zusammen
  • Budgetdruck

Meist fehlt die Verbindlichkeit, für eine nachvollziehbare Dokumentation Sorge zu tragen. Im Arbeitsalltag wird die Dokumentation bei zeitlichen oder budgetären Engpässen von der Agenda gestrichen. So wird die Chance vergeben, aus dem Prozess zu lernen.

Durch die Einbeziehung einer neutralen dritten Partei dagegen kann die Qualitätssicherung verbindlich festgelegt werden.

Den richtigen Zeitpunkt erkennen

Je eher man einen Mediator hinzuzieht, desto schneller und nachhaltiger kann eine Lösung gefunden werden. Sind die Fronten erstmal verhärtet, muss zuerst wieder Vertrauen aufgebaut werden. Gerade Vertrauen aber ist eine sehr fragile Pflanze, die – einmal verletzt – viel Zuwendung braucht. Nur – wann ist rechtzeitig?

Das Wissen um die Verschiedenartigkeit von Konflikten kann helfen, rechtzeitig zu erkennen, wann Handeln geboten ist.

Im Wirtschaftslexikon Gabler findet sich folgende Defintion:

Art des Konflikts:

1) Grundsätzlich

(a) manifest: die Parteien sind sich des Konflikts bewusst

(b) latent: die Parteien sind sich des Konflikts noch nicht bewusst, aber die Situation macht die Entstehung eines Konflikts sehr wahrscheinlich

2) Sozial

Interaktion zwischen Akteuren, wobei mind. ein Akteur Unvereinbarkeiten im Denken, Fühlen und Verhalten mit dem zweiten Akteur in einer Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung stattfindet.
(a) Zielkonflikt: Zwei oder mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis agierende Personen verfolgen unterschiedliche Ziele.
(b) Bewertungskonflikt: Die Effektivität oder Wirkung unterschiedlicher Methoden zur Zielerreichung werden unterschiedlich bewertet.
(c) Verteilungskonflikt: Die Parteien können sich nicht über die Verteilung von Ressourcen (persönliche, monetäre, technische o.Ä.) einigen.

(d) Persönlicher Konflikt: Menschen verspüren intrapsychisch unterschiedliche Entscheidungs- oder Verhaltenstendenzen.
(e) Beziehungskonflikt: In der zwischenmenschlichen Beziehung kommt es zu Störungen.
(f) Rollenkonflikt: Menschen sind widersprüchlichen Rollen(-erwartungen) ausgesetzt.

3) In Organisationen

Spannungssituationen, in denen voneinander abhängige Menschen versuchen, unvereinbare Ziele zu erreichen oder gegensätzliche Handlungspläne zu verwirklichen.

Intrinsische Fähigkeiten für eine gelingende Verhandlungsführung

Nicht immer führen unterschiedliche Vorstellungen zu einem Konflikt. Wenn die handelnden Parteien z.B. zu Beginn der Verhandlungen ihre Positionen verwenden, um gemeinsame Interessen zu definieren, geht ihr Blick in die gleiche Richtung. Damit bündeln sie ihre Kräfte und haben mehr Aussicht auf Erfolg (Fisher, Ury, Patton, 2004). Diese kollaborative Art der Verhandlung bringt am Ende eine Lösung, von der beide Parteien profitieren. Im Gegensatz dazu sind Kompromiss-Lösungen oft für beide Seiten unbefriedigend. Ein Kompromiss bedeutet immer, etwas aufzugeben. Daraus erwächst die mißtrauische Annahme, man selbst habe mehr geopfert, als die Gegenseite (Zafar, Ashfaq, Ali, Imran; 2014)

Wenn es den Verhandlungspartnern gelingt, von den eigenen Positionen weg und hin zu gemeinsamen Interessen zu denken, haben sie schon unter Beweis gestellt, dass sie über bestimmte intrinsische Fähigkeiten („internal skills“) verfügen, die gute Verhandlungsführer ausmachen:

– Empathie

– aktives Zuhören

– bewertungsfreies Agieren

– Vertrauen

– Verlassen der eigenen Position und Einnehmen anderer Blickwinkel

Nicht immer aber sitzen sich gute, geübte Verhandlungsführer gegenüber: der Drang, die eigene Sache durchzufechten ist im Weg, die Kommunikation unterliegt einer permanenten Störung.

Frei von einer eigenen Agenda, wird ein Mediator genau diese Fähigkeiten einsetzen. Sein Ziel: das gegenseitige Verständnis für die Anliegen des Gegenübers zu fördern. Sobald Störungen in der Kommunikation auftreten, kann der Mediator eingreifen und eine drohende Verhärtung der Fronten verhindern. Denn JEDE Störung der Kommunikation ist ein Angriff auf das Vertrauen in die guten Absichten des Verhandlungspartners.

Für die Beteiligten kostet es viel Mühe und Energie, sich bestimmter, hinderlicher Gewohnheiten zu entziehen. Dazu gehören

  • die Bewertung in „Richtig/Falsch“;
  • das Beschuldigen der anderen Seite;
  • der Glaube alles Agieren dient dem Angriff der eigenen Person/Organisation;
  • Gefühle als einzigen Wegweiser zu nutzen, statt als Landkarte der Möglichkeiten.

Den wenigsten ist bewusst, dass es zu diesen Verhaltensmustern weit produktivere Alternativen gibt. Wo das Bewusstsein fehlt, kann auch kein Umdenken erfolgen.

Aktives Zuhören ist die Schlüsselqualifikation

Auf dem Weg zu einer gelingenden Kommunikation führt kein Weg am aktiven Zuhören vorbei. Aber genau dieser Punkt ist enorm herausfordernd und störungsanfällig. Denn statt wirklich zuzuhören und Fragen zu stellen, wird im Kopf doch meist bereits die Antwort formuliert. So entgehen wichtige Informationen und Missverständnissen wird es leicht gemacht. Wenn man sich die Definition von Carl R. Rogers ansieht, wird schnell klar, dass die Anforderungen für aktives Zuhören die Verhandlungspartner schnell überfordern können (Rogers, 1985):

Grundlagen aktiven Zuhörens:

  1. Empathische und offen Grundhaltung
  2. Authentisches und kongruentes Auftreten
  3. Akzeptanz und positive Beachtung der anderen Person

Erreicht wird das durch folgende Bedingungen:

  • Sich auf das Gegenüber einlassen, konzentrieren und dies durch die eigene Körperhaltung ausdrücken
  • Mit der eigenen Meinung zurückhaltend umgehen
  • Nachfragen bei Unklarheiten
  • Zuhören heißt nicht gutheißen
  • Pausen aushalten, sie können ein Zeichen für Unklarheiten, Angst oder Ratlosigkeit sein
  • Auf die eigenen Gefühle achten
  • Die Gefühle des Partners erkennen und ansprechen
  • Bestätigende kurze Äußerungen
  • Geduld haben und den Sprecher nicht unterbrechen, ausreden lassen
  • Blickkontakt halten
  • Sich durch Vorwürfe und Kritik nicht aus der Ruhe bringen lassen
  • Empathie ausüben und sich innerlich in die Situation des Sprechers versetzen

Für den Mediator gehört das aktive Zuhören zur Grundausstattung und gilt als wichtigstes Werkzeug. Nicht nur, weil es ihm oder ihr als neutraler Partei leichter fällt, sondern weil es integraler Bestandteil der Ausbildung und durch viele Verhandlungen hindurch als gute Gewohnheit gefestigt ist.

Quellen:

Prof. Dr. Lars Kirchhoff; Nicole Becker; Michael Hammes; Thomas Knobloch; Felix Wendenburg (2013); Konfliktmanagement als Instrument werteorientierter Unternehmensführung; PricewaterhouseCoopers und Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

Ulla Gläßler; Michael Hammes; Lars Kirchhoff (2016); Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklung eines Jahrzehnts; PricewaterhouseCoopers und Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

Alexander Insam; Bernd Lichtenauer; Anne-Cathrine Poirier; Christoph Sochart (2012); Best Practice Konfliktkostenmanagement; Düsseldorf

Oliver Ahrens; www.konfliktkostenrechner.de

Michael Schmidt (2014); Betriebliches Konfliktmanagement als Führungsaufgabe; Heidelberg

Louis R. Pondy (1992); Reflections on organizational conflict; Journal of organizational behaviour, 13, S 257-261

Friedrich Glasl (2009); Konfliktmanagement – ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater; Bern, Stuttgart, Wien

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/78128/konflikt-v7.html

Roger Fisher; William Ury; Bruce Patton (Hrsg) (2009); Das Harvard Konzept; Frankfurt/Main, New York

Carl R. Rogers (1985); Die nicht-direktive Beratung. Counseling and Psychotherapy; Frankfurt/Main

  1. Zafar; H. Ashfaq; A. Ali; M. Imran (2014); Conflict Resolution in Organizational Conflict through strategic Management in: International Journal of Sciences: Basic and Applied Research, 14, S. 1-15;

Autor: Göran Askeljung

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