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Viele Unternehmen nutzen Lean Management primär als Instrument, um top-down Prozesse zu optimieren. Hierdurch werden zwar kurzfristige, aber keine nachhaltigen Erfolge erzielt. Letztere erfordern einen Wandel der Unternehmenskultur und der Einstellungen der Mitarbeiter.

Hans Maier, Geschäftsführer der Firma Fritz Müller GmbH, versteht die Welt nicht mehr. Sein Unternehmen scheute keinen Aufwand, um die Mitarbeiter auf die Lean- Methoden und -Tools zu schulen. Und alle Führungskräfte haben das Einführen von „Lean“ in ihren Zielvorgaben stehen. Trotzdem bleiben im aktuellen Lean Management-Projekt die erhofften Ergebnisse aus. Zwar wurden anfangs in der Produktion einige punktuelle Verbesserungen erzielt,  doch dann stockte die Entwicklung. Und was Maier am meisten stört: Er spürt in seinem Unternehmen keinen Geist, der auf eine kontinuierliche Verbesserung abzielt.

Hans Maier ist nicht der einzige Manager, der beim Einführen eines Lean-Programms die Erfahrung sammelt: Die angestoßenen Veränderungs- und Verbesserungsprozesse erlahmen schnell. Deshalb kommen viele Firmen nach einiger Zeit wieder von der „Lean-Mode“ ab.

Ziel: Verschwendung – aus Kundensicht – vermeiden

Die Philosophie, die hinter Lean Production und Lean Management steht, wird oft mit den Worten „weniger ist mehr“ beschrieben. Das heißt: Ziel ist es, jede Art von Verschwendung entlang der Wertschöpfungskette zu vermeiden. Durch eine konsequente Ausrichtung der Fertigung an den Bedürfnissen der Kunden sollen qualitativ hochwertige Produkte bei höchster Liefertreue zu geringsten Durchlaufzeiten zu angemessenen Kosten hergestellt werden. Dabei steht die Arbeitsqualität der Mitarbeiter zentral. Denn nur gute Mitarbeiter können gute Produkte herstellen. Davon ist zumindest das Unternehmen Toyota überzeugt: „Die meisten Automobilisten bauen gute Autos. Wir ‚bauen‘ gute Leute und die bauen gute Autos.“

Toyota ist mit seinem kurz TPS genannten Toyota Production System das Benchmark für Lean Production. Als Kernelemente von TPS gelten: eine Synchronisierung und Standardisierung der Prozesse, das Vermeiden von Fehlern, das Verbessern der Produktionsanlagen und eine systematische Qualifizierung der Mitarbeiter.

Dahinter steckt das Ziel einer Kontinuierlichen Verbesserung (Japanisch: Kaizen). Dieses wird auch in der Unternehmensphilosophie von Toyota formuliert: „Wir wollen langfristig als Unternehmen überleben, indem wir verbessern und weiterentwickeln, wie wir gute Produkte für den Kunden produzieren.“

Lean Management: mehr als Tools und Methoden

Die Lean-Philosophie zielt darauf ab, Probleme an die Oberfläche zu holen und sichtbar zu machen – anstatt sie zu verstecken. Doch wo Probleme identifiziert und analysiert werden, werden auch Fehler benannt, und wer gibt schon gerne Fehler zu? Und welche Unternehmen „belohnen“‘ Mitarbeiter die Fehler machen oder Probleme aufdecken? Nur wenige! Dabei ist genau das der Kern von Lean Management: eine (Unternehmens-)Kultur zu schaffen, die Fehler nicht verurteilt, sondern in ihnen – wie in erkannten Problemen – eine Chance sieht, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Die Praxis zeigt: Das Vermeiden von Verschwendung und Steigern der Wertschöpfung entlang der Supply Chain lässt sich mit den bekannten Lean-Methoden und -Tools gut managen. Schwierig wird es, wenn das Unternehmen das anspruchsvolle Ziel formuliert: Das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung soll ein integraler Bestandteil der Alltagsarbeit werden. Dann regen sich oft Widerstände bei den Mitarbeitern.

Lean Management erfordert eine neue Einstellung

Der US-Amerikaner Mike Rother, der das Buch „Die Kata des Weltmarktführers: Toyotas Erfolgsmethoden“ schrieb, beschreibt den Zusammenhang zwischen den Lean-Tools und -Methoden und Lean Management mit der Eisberg-Analogie. Dabei stellen die Lean-Tools und -Methoden den sichtbaren Teil des Eisbergs dar und das Lean Management dessen größeren, unsichtbaren Teil unter der Wasseroberfläche.

Viele Unternehmen lassen beim Einführen eines Lean-Programms den unsichtbaren Teil des Eisbergs außer Acht. Oder sie verschieben seine Bearbeitung auf den Tag X, wenn die „wirklichen Lean-Themen“ angegangen werden. Sie vergessen: Lean Management setzt vor allem die Bereitschaft voraus, Verhaltensweisen grundlegend zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Es erfordert also einen Kulturwandel im Unternehmen.

Das oft im Zusammenhang mit Lean zitierte „weniger ist mehr“ kann man auch wie folgt interpretieren: Es geht weniger um die Tools als die richtige Einstellung. Ein Schraubenschlüssel allein reicht eben nicht; mindestens ebenso wichtig sind der Kopf, der ihn drehen möchte, und die Hand, die ihn dreht.

Dem zufolge steht bei Lean der Mensch Mitarbeiter im Fokus. Er muss für ein Überprüfen und gegebenenfalls Revidieren seiner Einstellungen und Gewohnheiten gewonnen werden. Wie schwierig jedoch schon kleine Abweichungen von Gewohnheiten sind, kann jeder beurteilen, der als Rechtshänder mal versuchte, „mit links“ seine Zähne zu putzen. Wie viel Geduld und Ausdauer mögen da erst grundlegende Verhaltensänderungen wie im Lean-Ansatz erfordern?

Lean als Philosophie mit Lean Production als Umsetzungsvehikel bringt nur dauerhaft Erfolge, wenn es dem Management und der Belegschaft gelingt, die harte Nuss „Mindset und Verhalten“ anzugehen und neue, flexible, angepasste Verhaltensweisen im Unternehmen zu verankern.

Ziel: Probleme sichtbar machen und lösen

Was hilft Hans Maier diese Erkenntnis? Viel, wenn er versteht, dass der in seinem Unternehmen bereits praktizierte Einsatz von Lean-Methoden nur ein Schritt in Richtung „neue Arbeitsweise“ ist; des Weiteren, dass Lean Management nur funktioniert, wenn im Unternehmen ein Geist herrscht, der Fehler zulässt und Probleme sichtbar macht, dauerhafte Erfolge nur durch eine Änderung der Einstellung und des Verhaltens der Mitarbeiter erreichbar sind und beim Einführen von Lean „der Weg das Ziel“ ist, und es sich hierbei nicht nur um ein Projekt handelt, das am Tag x abgeschlossen ist.

So verstanden kann Lean Management eine wichtige Säule im Unternehmen sein, um sich auf ständig ändernde Marktanforderungen flexibel, schnell und effektiv einstellen zu können. Denn die Mitarbeiter und das Unternehmen lernen hierbei, scheinbar Selbstverständliches und Unabänderliches zu hinterfragen sowie aus Fehlern zu lernen. Und sie entwickeln mit der Zeit eine Routine darin, sich ständig zu verbessern.

Über den Autor:

Keith, Dominique2Dominique Keith arbeitet für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Sie ist auf das Themenfeld Lean- und Changemanagement spezialisiert.

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