Soll ich in den Konflikt eingreifen? Das fragen sich Führungskräfte oft, wenn zwischen zwei Mitarbeitern dicke Luft besteht. Und häufig sind sie unsicher: Wie soll ich dabei vorgehen? Deshalb hier einige Tipps für eine mögliche Konfliktmoderation.
Konflikte gehören zum Leben wie das Salz zur Suppe. Doch was ist überhaupt ein Konflikt? Hierfür ein Beispiel: Zwei Mitarbeiter arbeiten in einer Abteilung. Herr Huber macht oft Überstunden bis spät abends, Frau Schadel hingegen geht stets um 16 Uhr nach Hause. Das ist kein Konflikt, so lange beide Kollegen dies okay finden.
Angenommen nun Herr Huber möchte auch früher heim. Er kann dies aber nur, wenn Frau Schadel länger bleibt. Darauf angesprochen sagt sie: „Geht leider nicht. Ich muss wegen meiner Tochter um 16 Uhr zuhause sein.“ Auch jetzt besteht noch kein Konflikt, sofern Herr Huber diese Begründung akzeptiert und seine Interessen zurückstellt. Erst wenn Herr Huber denkt „Immer soll ich Rücksicht nehmen. Was ich will, ist dieser Egoistin egal – das mache ich nicht länger mit“, wird der Interessengegensatz zu einem Konflikt. Denn nun fühlt Herr Huber sich und seine Interessen nicht ernst genommen. Er ist verletzt. Und das lässt er seine Kollegin spüren. Die Folge: Die Stimmung sinkt auf den Nullpunkt. Und die Arbeitsergebnisse? Sie verschlechtern sich, wenn sie von der Zusammenarbeit der beiden Kollegen abhängen.
Einen Konflikt kennzeichnen also drei Elemente:
- eine Nichtbeachtung gegenseitiger Interessen,
- eine wechselseitige Abhängigkeit der Beteiligten und
- Verletzungen auf der Beziehungsebene.
Hier liegt auch der Ansatzpunkt für Führungskräfte zur Früherkennung von Konflikten. Zum Beispiel, indem sie analysieren: Wer ist von wem wie abhängig? Und: Gibt es Signale für eine mangelnde Wertschätzung?
Nicht bei jedem Konflikt intervenieren
Doch sollten Führungskräfte bei jedem Konflikt eingreifen? Nein! Denn sie müssen primär dafür sorgen, dass die Leistung ihrer Mitarbeiter stimmt. Also sollten sie vor allem bei Konflikten intervenieren, die die Leistung schmälern. Doch wie?
Zuweilen können Führungskräfte Konflikte entkräften, indem sie die Abhängigkeit zwischen den Beteiligten lösen. Zum Beispiel, indem sie deren Arbeitsgebiete stärker von einander abgrenzen. Das ist aber oft nicht möglich. Dann liegt der Königsweg im Auflösen der Blockaden, die die „Kontrahenten“ am Erreichen ihrer Ziele hindern – zum Beispiel im Rahmen einer Konfliktmoderation.
Doch Vorsicht! Eine Führungskraft kann nicht jeden Konflikt moderieren. Ist sie emotional beteiligt, dann sollte eine neutrale Person die Moderation übernehmen. Dasselbe gilt, wenn sie eine bestimmte Lösung erwartet – zum Beispiel, um übergeordnete Ziele zu erreichen. Dann ist keine Konfliktmoderation angesagt, sondern ein Anwenden der klassischen Führungsinstrumente wie Anweisung oder Leistungsvereinbarung.
Zustimmung für Moderation einholen
Angenommen Sie erwägen eine Konfliktmoderation. Dann sollten Sie vorab das Problembewusstsein der Beteiligten klären. Denn zuweilen reagieren Mitarbeiter verwundert, wenn man sie auf Konflikte anspricht: „Wie kommen Sie darauf?“ Also sollten Sie zunächst klären: Ist den Beteiligten der Konflikt bewusst? Und: Ist ihr Leidensdruck so groß, dass sie bereit sind, Zeit und Energie in eine Lösung zu investieren? Holen Sie erst danach die Zustimmung zu einer Konfliktmoderation ein.
Lassen Sie sich hierfür zum Beispiel den Konfliktverlauf schildern – verzichten Sie aber auf eine Wertung. Fragen Sie vielmehr nach den Auswirkungen und ob die Situation für die Beteiligten zufriedenstellend ist. Antworten die Konfliktparteien „Nein“, sind sie vermutlich bereit, einen neuen Weg zu gehen. Dann können Sie eine Konfliktmoderation vorschlagen.
Stellen Sie es den Konfliktbeteiligten frei, sich den Moderator selbst zu suchen. Bieten Sie sich erst als Moderator an, wenn die Mitarbeiter dies wünschen. Und erläutern Sie ihnen, warum Sie bereit sind, den Konflikt zu moderieren – zum Beispiel weil Sie möchten, dass beide wieder in einer entspannten Atmosphäre effektiver arbeiten.
Angenommen die Konfliktbeteiligten wählen Sie als Moderator. Dann sollten Sie ihnen zunächst den Ablauf der Moderation schildern. Bitten Sie beide Konfliktparteien außerdem, sich vorab zu überlegen, welche Verhaltensweisen sie sich vom jeweils anderen wünschen, um besser arbeiten zu können.
Der mögliche Ablauf einer Konfliktmoderation
Eine Konfliktmoderation zwischen zwei Mitarbeitern besteht aus mehreren Schritten. Diese seien exemplarisch beschrieben.
Schritt: Das Ziel klären
Die Mitarbeiter kommen oft voller Emotionen zur Konfliktmoderation und zuweilen ist ihnen die Situation peinlich. Sagen Sie deshalb zu Beginn einige Worte zum Thema Konflikte. Zum Beispiel: Konflikte gibt es überall – nicht nur im Betrieb. Außerdem: Konflikte entstehen stets aufs Neue. Zum Beispiel, weil Aufgaben anders gelöst werden müssen. Deshalb sind Konflikte oft Auslöser von Innovationen.
Erklären Sie den Konfliktparteien nochmals, worum es bei der Konfliktmoderation geht: um ein Lösen des Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass alle Emotionen und Erfahrungen in der Vergangenheit aufgearbeitet werden. Nein, die Arbeitsbeziehung soll neu ausgehandelt und so geregelt werden, dass beide Mitarbeiter gut damit leben und ihren Job besser machen können.
Schritt: Regeln festlegen
Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation. Zum Beispiel:
- Beide stellen Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen.
- Diese werden nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“ ausgehandelt.
- Die Absprachen werden schriftlich fixiert.
Vereinbaren Sie mit den Konfliktpartnern auch, worüber Vertraulichkeit gewahrt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf. Klären Sie zudem Ihre Aufgaben als Moderator. Zum Beispiel:
- Ich verhalte mich neutral und achte auf das Einhalten der Regeln.
- Ich schreite ein, wenn einer dem anderen „schlechte“ Absichten unterstellt.
- Ich verhindere, dass über Undiskutierbares, also zum Beispiel die Unternehmensziele, verhandelt wird.
Schritt: Wünsche und Bedürfnisse sammeln
Sind die Formalien geklärt, können Sie die Beteiligten bitten, auf einem Formblatt folgende Fragen zu beantworten:
- „Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes häufiger/anders tun würden: …, weil….“
- „Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes seltener/nicht mehr tun würden: …, weil.…“
- „Behalten Sie folgende Aktivitäten bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten: …“
Schritt: Verständnis klären
Die ausgefüllten Formblätter können Sie entweder kopieren oder so aufhängen, dass sie jeder lesen kann. Bitten Sie die Konfliktpartner, die Forderungen/Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. „Sie wollen, dass ich …“ Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Bitten Sie als Moderator, sofern nötig, um Beispiele für das gewünschte Verhalten, um das Verständnis sicherzustellen.
Schritt: gemeinsam Lösungen suchen
Hier empfiehlt sich ein Brainstorming. Denn es ermöglicht allen Beteiligten, Vorschläge zur Konfliktlösung beizutragen. Das Suchen und Sammeln der möglichen Elemente einer Lösung sollte frei von (vorschnellen) Bewertungen erfolgen.
Lösungen bewerten und aushandeln
Nach dem Sammeln können beide Konfliktparteien anhand ihrer Forderungen die Lösungsvorschläge markieren, die ihnen am geeignetsten erscheinen. Bitten Sie die Konfliktparteien anschließend, sich wechselseitig Angebote zu machen. Zum Beispiel: „Wenn Sie mich detaillierter informieren, würde ich ….“ Achten Sie als Moderator darauf, dass das Aushandeln ein wirkliches Geben und Nehmen ist. Die Erfahrung zeigt: Oft gehen die so ausgehandelten Lösungen weit über die vorangegangenen Streitpunkte hinaus und schaffen so eine echte Win-Win-Situation.
Schritt: Absprachen treffen und Protokoll erstellen
Notieren Sie alle Absprachen. Zuweilen kochen beim Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung die Emotionen hoch, und es werden schmerzhafte Erlebnisse geschildert. Das sollten Sie zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei müssen Sie aber Fingerspitzengefühl zeigen und darauf achten, dass sich kein zusätzlicher Druck aufbaut. Konstatieren Sie nach dem Gefühlsausbruch zum Beispiel ruhig, dass dieser zeigt, wie viel Emotionen im Spiel sind und solche Verletzungen sicher auf beiden Seiten existieren. Und schlagen Sie danach vor: „Lassen Sie uns jetzt wieder zu den Verhaltensweisen zurück kehren, die Sie sich wünschen.“
Schritt: Abschließen und Folgetermin vereinbaren
Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Außenstehenden oft unbedeutend. Für die Beteiligten sind sie aber wichtig, weil Emotionen daran hängen. Deshalb muss das Umsetzen der Abmachungen sichergestellt werden, damit alte Wunden nicht erneut aufreißen. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Das müssen keine Sanktionen sein. Eine Vereinbarung kann lauten: „Dann sprechen wir uns künftig darauf an, statt den Ärger hinunter zu schlucken.“ Vereinbaren Sie aber auf alle Fälle einen gemeinsamen Folgetermin, um zu überprüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden und eventuell neue Konfliktpunkte entstanden sind.
Über die Autorin:
Vera Petersen arbeitet als Trainerin für das Trainings- und Beratungsunternehmen Voss+Partner, Hamburg, das unter anderem offene und firmeninterne Seminare zum Thema Konfliktmanagement und -moderation durchführt.