Konflikte für positive Veränderungen nutzen

In der Zeit, in der wir alle noch lernen müssen, mit Corona zu leben, entstehen in den Unternehmen vermehrt Konflikte. Diese können nötige Veränderungen vorantreiben – sofern sie richtig bearbeitet werden.

Wenn Menschen zusammenarbeiten, entstehen immer wieder Konflikte, denn dann prallen auch unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse sowie Meinungen, und Einschätzungen aufeinander. Das ist in Krisen- und Marktumbruchzeiten wie den aktuellen gehäuft der Fall, in denen viele Unternehmen corona-bedingt

  • ihre (Handlungs-)Strategien überdenken und
  • die Prioritäten neu setzen müssen.

Dann sind Konflikte sozusagen vorprogrammiert – auch weil die Mitarbeiter stark verunsichert und entsprechend sensibel sind.

Nicht bei jedem Konflikt intervenieren

Doch sollten Führungskräfte bei jedem Konflikt eingreifen? Nein! Denn ihre Hauptaufgabe ist es, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter (gemeinsam) die geforderte Leistung erbringen. Also sollten sie primär bei Konflikten intervenieren, die die Leistung schmälern. Doch wie? Manchmal können Führungskräfte Konflikte steuern, indem sie die Abhängigkeit zwischen den Beteiligten lösen. Zum Beispiel, indem sie deren Arbeitsgebiete so voneinander abgrenzen, dass sich die Konfliktpartner nicht mehr beim Erreichen ihrer Ziele behindern. Der Königsweg der Konfliktsteuerung liegt aber im Auflösen der Blockaden, die die „Kontrahenten“ am Erreichen ihrer Ziele hindern – zum Beispiel im Rahmen einer Konfliktmoderation.

Doch kann eine Führungskraft jeden Konflikt moderieren? Nein! Ist sie zum Beispiel emotional involviert, dann sollte eine neutrale Person die Moderation übernehmen. Ähnlich ist es, wenn die Führungskraft eine bestimmte Lösung erwartet. Oder wenn es (übergeordnete) Ziele oder Zwänge gibt, die sie durchsetzen will oder muss. Dann ist keine Moderation angesagt, sondern ein Anwenden der klassischen Führungsinstrumente wie Anweisung oder Leistungsvereinbarung.

Problembewusstsein klären, Zustimmung einholen

Angenommen nun Sie erwägen als Führungskraft eine Konfliktmoderation. Dann sollten Sie vorab das Problembewusstsein klären. Denn zuweilen reagieren Mitarbeiter, wenn man sie auf Konflikte anspricht, überrascht: „Wie kommen Sie darauf?“ Sie negieren also den Konflikt. Deshalb sollten Sie zunächst klären, ob den Beteiligten der Konflikt bewusst ist und ihr Leidensdruck so groß ist, dass sie bereit sind, in seine Lösung zu investieren.

Angenommen dies ist der Fall und die Konfliktbeteiligten stimmen einer Konfliktmoderation durch Sie zu. Dann sollten Sie ihnen den Ablauf der Moderation präzis schildern. Bitten Sie sie außerdem, sich vorab zu überlegen, welche Verhaltensweisen sie sich vom jeweils anderen wünschen, um besser arbeiten zu können – aber keine Charakter-, sondern nur Verhaltensänderungen.

Strukturiert vorgehen und Regeln beachten

Nachfolgend ein Beispiel für den möglichen Ablauf einer Konfliktmoderation bei einem Konflikt zwischen zwei Mitarbeitern.

  1. Schritt: Einsteigen

Meist kommen die Mitarbeiter voller Emotionen zur Konfliktmoderation. Deshalb sollten Sie als Moderator zum Einstieg einige Worte zum Thema Konflikte sagen. Zum Beispiel, Konflikte gibt es überall – nicht nur im Betrieb. Außerdem entstehen Konflikte stets aufs Neue. Zum Beispiel, weil die Anforderungen sich ändern. Also müssen auch immer wieder neue Problemlösungen gefunden werden. Deshalb sind Konflikte oft wichtige Anstöße für Innovationen.

Erklären Sie den „Streithähnen“ nochmals, worum es bei der Konfliktmoderation geht: um ein Lösen des Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass alle Emotionen und Erfahrungen der Vergangenheit bearbeitet werden; auch nicht, indem der Konflikt durch formale Regelungen zugedeckt wird. Vielmehr soll die Arbeitsbeziehung neu ausgehandelt und das Verhalten an den Schnittstellen der Tätigkeitsfelder der beiden Mitarbeiter so geregelt werden, dass beide damit leben und ihren Job besser machen können. Nicht mehr und nicht weniger!

  1. Schritt: Regeln definieren.

Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation. Zum Beispiel:

  • Beide stellen Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen.
  • Diese werden nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“ ausgehandelt.
  • Die Absprachen werden schriftlich fixiert.

Vereinbaren Sie mit den Konfliktpartnern auch, was im Raum bleibt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf. Klären Sie mit ihnen zudem Ihre Aufgaben als Moderator. Zum Beispiel:

  • Ich verhalte mich neutral und achte auf das Einhalten der Regeln.
  • Ich schreite ein, wenn dem anderen „schlechte“ Absichten unterstellt werden.
  • Ich verhindere, dass über Undiskutierbares, also zum Beispiel die Ziele des Unternehmens, verhandelt wird.
  1. Schritt: Themen/Forderungen sammeln

Nachdem die Formalien geklärt sind, können Sie die Beteiligten bitten, auf einem Formblatt folgende Aussagen zu ergänzen:

  • „Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes mehr/anders tun würden: ….“
  • „Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes weniger/nicht mehr tun würden: ….“
  • „Behalten Sie bitte folgende Aktivitäten bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten: ….“
  1. Verständnis klären

Die ausgefüllten Formblätter sollten Sie entweder kopieren oder so aufhängen, dass sie jeder lesen kann. Bitten Sie die Konfliktpartner, die Forderungen/Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. „Sie wollen, dass ich….“ Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Bitten Sie als Moderator, sofern nötig, um Beispiele für das gewünschte Verhalten, um das Verständnis sicherzustellen.

  1. Forderungen priorisieren und aushandeln

Danach können beide Konfliktparteien mit einem Symbol die Forderungen markieren, die ihnen besonders wichtig sind; außerdem mit einem anderen Symbol die Forderungen, die verhandelbar sind. Anschließend sollen sie sich wechselseitig Angebote machen. Zum Beispiel: „Wenn Sie mich zeitnah informieren, würde ich dafür….“ Achten Sie als Moderator darauf, dass das Aushandeln ein echtes Geben und Nehmen ist.

  1. Schritt: Absprachen und Protokoll

Notieren Sie alle Absprachen. Dass bei diesem Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung auch mal die Emotionen hochkochen und Erlebnisse in der Vergangenheit geschildert werden, ist normal. Das sollten Sie zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei müssen Sie aber Fingerspitzengefühl zeigen, um zu verhindern, dass sich beim Gegenüber Druck aufbaut. Analysieren Sie nach dem Gefühlsausbruch ruhig, dass dieser zeigt, wie viel Emotionen im Spiel sind und solche Verletzungen sicher auf beiden Seiten existieren. Und schlagen Sie danach vor: „Lassen Sie uns wieder zu den Verhaltensweisen zurückkehren, die Sie sich wünschen.“

  1. Schritt: Abschließen und Folgetermin vereinbaren

Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Außenstehenden oft als Kleinigkeiten. Für die Beteiligten sind sie aber wichtig, weil daran Emotionen hängen. Also sollten diese Punkte nachhaltig organisiert werden, damit nicht zu einem späteren Zeitpunkt alte Wunden wieder aufgerissen werden. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Dies müssen keine Sanktionen sein. Die Vereinbarung kann auch lauten: „Dann sprechen wir uns künftig darauf an – statt den Ärger hinunter zu schlucken.“ Vereinbaren sollten Sie aber auf alle Fälle einen Folgetermin, um zu überprüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden und eventuell neue Konfliktpunkte entstanden sind, die es zu bearbeiten gilt.

Wappnen Sie sich für eine steigende Zahl von Konflikten

Wenn Sie wie oben beschrieben vorgehen, können Sie als Führungskraft gewiss so manchen zwischenmenschlichen Konflikt lösen, der in der Zeit, in der wir noch mit Corona zu leben lernen müssen, in Ihrem Bereich entsteht. Denn eines sollten Sie nie vergessen: Aufgrund der vielen Veränderungen und Ungewissheiten, die Corona mit sich bringt, sind nicht nur die Nerven vieler Führungskräfte angespannt. Ähnlich verhält es sich bei ihren Mitarbeitern. Entsprechend schnell kochen auch bei ihnen die Emotionen hoch und entstehen zwischen ihnen Konflikte.

Über die Autorin:

Machwurth, SabineSabine Machwürth ist Mitglied der Geschäftsleitung der international agierenden Managementberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D).


8 Tipps für das Moderieren von Konflikten

  1. Bedenken Sie: Nicht jede Meinungsverschiedenheit oder jeder Interessengegensatz ist ein Konflikt. Ein Konflikt ist durch folgende Elemente gekennzeichnet: eine gegenseitige Zielbehinderung, eine wechselseitige Abhängigkeit der Beteiligten und eine Verletzung auf der Beziehungsebene.
  2. Greifen Sie als Führungskräfte primär in Konflikte ein, die sich negativ auf die Leistung der Mitarbeiter auswirken.
  3. Wenn Sie in einen Konflikt (emotional) involviert sind, sollte eine neutrale Person die Konfliktmoderation übernehmen.
  4. Klären Sie vorab, ob bei den Mitarbeitern überhaupt ein Problembewusstsein besteht und sie zur Konfliktlösung bereit sind.
  5. Machen Sie den „Streithähnen“ klar, worum es bei der Konfliktmoderation vor allem geht: die Arbeitsbeziehung neu auszuhandeln und das Verhalten an den Schnittstellen zwischen den Jobs so zu regeln, dass beide Mitarbeiter damit leben können.
  6. Verhindern Sie, dass sich die Betroffenen offen die „persönliche Meinung“ sagen. Dies führt in der Regel zu noch tieferen Verletzungen, so dass eine konstruktive Konfliktlösung unmöglich wird.
  7. Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation. Zum Beispiel, dass die Ziele des Unternehmens nicht verhandelbar sind und dass keine Vereinbarungen zu Lasten Dritter getroffen werden.
  8. Notieren Sie die getroffenen Absprachen schriftlich. Vereinbaren mit den Beteiligten einen Folgetermin, um zu prüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden und mögliche neue Konfliktpunkte zu bearbeiten.

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