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Immer mehr Menschen können ihren Feierabend nicht mehr gebührend feiern, weil trotz aller Bemühungen, das gewünschte Tagespensum nicht bewältigt werden konnte. Jeder 3. Arbeitnehmer schläft deshalb nicht mehr gut, grübelt und sucht nach Strategien für ein geeignetes Zwickmühlenmanagement um gelassen sich in den Anforderungen des Alltags abgrenzen zu können.

Muss ich mich eigentlich stressen lassen? Zwickmühlenmanagement im Alltag

Die gute Botschaft des heutigen Tages ist: Man m u s s erstmal überhaupt nichts. Man macht etwas, weil man sich dafür entschieden hat. Weil man es machen möchte, oder weil man die Konsequenz des Nicht-tuns nicht möchte. Wenn Sie also zu den Menschen gehören, die im inneren Selbstdialog häufig die Worte „Ich muss noch schnell…“ vor sich hin murmeln, dann wäre es an der Zeit, dies schleunigst durch „Ich möchte…“, oder: „Ich entscheide mich dafür, es jetzt zu tun“ – zu ersetzen. Dieser kleine Sprung von „Ich muss“ zu „Ich möchte“ ist entscheidend. Letztlich ist Stressmanagement immer auch Zwickmühlenmanagement, ich entscheide mich zwischen mehreren Bedürfnissen, die alle gleich wichtig sind: Aufräumen – Zeit mit den Kindern verbringen – ausruhen – wie soll man das zeitgleich alles miteinander verbinden? So ist ein wichtiger Aspekt im Stressmanagement das Wort JETZT. Jetzt schlafe ich, jetzt räume ich auf – um nicht im Geiste schon zwei Stufen weiter zu sein… Der Aspekt der Freiwilligkeit umfasst, gänzlich auf die Wörter „müssen“ oder „sollen“ zu verzichten. Ich muss nicht aufräumen. Ich mache es, weil ich mir meine Bedürfnisse nach Ordnung, Ästhetik oder gesellschaftlicher Integration erfülle. Probieren Sie es mal aus: vom Sofa aufzustehen mit den Worten „Jetzt möchte ich aufräumen, weil es mir gefällt, wenn es ordentlich ist.“

Diese Art zu denken verändert uns bis in die Hirnstrukturen hinein. Wir benutzen unser Gehirn als Belohnungsinstrument und lassen Areale der Strafe oder Angst weitgehend unberührt, was sich sowohl hormonell als auch bis in den niedrigeren Blutdruck auswirken kann. Das Einzige, was wir tatsächlich müssen, ist, mit den Konsequenzen unserer Wahlfreiheit zu leben. Es ist sehr hilfreich bei solchen Entscheidungen alle Bedürfnisse zu hören: Ein Teil in mir möchte Ordnung und Sauberkeit, ein anderer Teil braucht einfach Ruhe – und jetzt entscheide ich mich für das, was langfristig für alle von Vorteil ist; und mache erst mal ein kleines Päuschen ohne schlechtes Gewissen. Das schlechte Gewissen ist ein Indikator dafür, dass im Zwickmühlenmanagement ein Bedürfnis nicht ausreichend gewertschätzt und bedauert wurde.

Und, ein weiterer wichtiger Aspekt: In dem Moment, in dem Sie die Worte “So ein Stress“ zum Beispiel denken, wirkt das wie eine Selbsthypnose und Ihr Körper reagiert sofort mit der hormonellen Stressreaktion. Achten Sie darauf, wie Ihr innerer Selbstdialog ist: Worte wie: „Ich muss noch schnell“, oder: „Ich habe keine Zeit“ wirken wie Türöffner für ein verstärktes Stresserleben. „Ich nehme mir Zeit“ oder: „Ich mache es, so gut ich es machen kann“ wirken viel weicher und versöhnlicher. Wir alle haben Zeit, 24 Stunden pro Tag…!

Zaubermittel gegen Burnout: Egoismus, Faulheit und Güte

Faulheit: Einfach mal den Wolken nachschauen

Können wir eigentlich noch gut NICHTS tun? Tagträumen? Das ist für unser Gehirn pures Auftanken: In dem Moment, in dem wir äußerlich zur Ruhe kommen, nichts mehr müssen oder wollen, sondern nur noch sind, in diesem Moment geht die Arbeit im Gehirn los. Jetzt wird dort aufgeräumt, Wissen verankert, ausgemistet, um wieder bereit für Neues zu sein. Vielleicht kennen Sie das ja, man denkt über ein Problem nach, macht sich einen Kaffee – und prompt fällt einem die Lösung ein. Im Nichtstun sozusagen. Und genau das scheint die Kunst zu sein, die in unseren qualitätsbewussten und auf Effizienz getrimmten Arbeitsprozessen zu wenig Beachtung erfährt. Burnout ist letztlich eine Folge von einer langen Zeit, in der die Antagonisten Geben und Nehmen, Aktivität und Ruhe nicht ausgewogen waren und der Körper diese Rhythmisierung verlernt hat.

Tipp 1: Atempause

Probieren Sie es aus:
• Stellen Sie sich einen Wecker und machen alle zwei Stunden eine Atempause. Nichts anderes tun als Einatmen – Pause – Ausatmen – Pause. Und Sie werden vielleicht merken, dass dies gar nicht so einfach ist. Schnell geht der Geist zur nächsten Besprechung, zu kleinen Ärgernissen des Tages.

Wenn Sie Ihren Geist trainieren, ruhig zu werden, werden Sie bald merken, dass Sie mehr Kraft, Effizienz und Konzentration im Alltag zur Verfügung haben.

Umso mehr wir „Nichts tun“ können, desto mehr schaffen wir! Ist das nicht ein schönes Paradoxon? Umso mehr wir eine Situation annehmen können, so wie sie ist, desto mehr können wir diese verändern. Bill Gates sagte einmal: “I will always choose a lazy person to do a difficult job. Because he will definitely find an easy way to do it”. Das scheint auch die Aufgabe im Stressmanagement zu sein: Den Punkt zu finden, an dem es leicht geht. Möglich ist das, durch die Achtsamkeit auf das, was einem wichtig ist. Und genau damit wären wir beim Egoismus angelangt.

Egoismus: Handeln im Einklang mit sich selbst

Zunächst ist alles Tun gesteuert davon, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse befriedigen wollen. Also nicht nur Essen und Schlafen, sondern z. B. auch Effizienz, Harmonie oder Respekt. Auch anderen zu helfen ist ein Grundbedürfnis von uns, ein sehr ausgeprägtes sogar. Und immer, wenn wir etwas tun, das unsere Bedürfnisse erfüllt, erfahren wir Freude und Zufriedenheit. Eine bessere Burnout-Prävention gibt es nicht. Das Bewusstwerden der schönen Momente im Alltag, ein Lächeln, ein intensiver Austausch oder ein guter Kaffee wirken sich auf unsere Gesundheit, Psyche, ja sogar auf die neuronalen Strukturen aus.

Tipp 2: Glückstagebuch

Probieren Sie es:
5 Minuten am Abend den Tag Revue passieren lassen und darauf schauen, was ist – und nicht was nicht ist, das bringt schon nach zwei Wochen messbare Ergebnisse, wie beispielsweise eine Senkung des Blutdrucks und niedrigere Cholesterinwerte. Jeder Gedanke ist biochemische Realität, wie wohl schon Marc Aurel wusste: „Auf die Dauer nimmt die Seele die Farbe unserer Gedanken an“.

Güte: Jeder macht es so gut, wie er gerade kann

Güte bedeutet, dem systemischen Grundgedanken zu folgen, dass es jeder immer so gut macht, wie er es eben im Moment kann. Und dass das jeweilige Handeln vielleicht nicht immer die beste Strategie ist, die zugrunde liegenden Bedürfnisse auch wirklich zu erfüllen. Kennen wir das nicht alle, dass man abends im Bettchen mit bitteren Vorwürfen liegt und denkt: Warum hast du da nicht so und warum da so gehandelt? Ganz einfach darum, weil wir unter Stress nicht denken können, unser System ist programmiert auf Problemlösung durch Flucht oder Angriff – und leider nicht auf gütiges, empathisches und lösungsorientiertes Suchen nach einem Konsens, der beiden gut tut. Grund genug also, Gespräche zu vertagen, wenn wir merken, dass wir gestresst sind. Man muss nicht immer schlag-fertig sein. Erlauben wir uns ruhig, sprachlos zu sein – bei manchen Vorwürfen oder Unterstellungen ist es sicher besser zu sagen: Jetzt bin ich erstmal sprachlos – könnten wir uns morgen um 10 Uhr nochmals treffen?

Selbstkohärenz

Die Fähigkeit, Ruhe zu bewahren und sich auch in schwierigen Situationen nicht von Ärger und Angst überwältigen zu lassen, lässt sich in dem Begriff Selbstkohärenz zusammenfassen. Dazu gehört auch das Gefühl, wirksam handeln zu können, über ausreichende Wissensressourcen und einen klaren Blick auf sich selbst zu verfügen, unterstützende stabile Beziehungen zu haben und Erfüllung im eigenen Tun zu finden. Grundsätzlich dient alles der persönlichen Burnout-Prävention, was die Energiebatterien auflädt. Ob es der Spaziergang im Wald ist oder ein Buch lesen – das Wichtige hierbei ist lediglich, dass man es tut und nicht auf spätere Zeiten verschiebt. Flugs ist die Woche um und man wieder nicht das gemacht, was einem eigentlich gutgetan hätte!

Mittlerweile wird immer mehr die Wirkung von Meditation erforscht – und nicht wenige Unternehmen eröffnen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, für 5 Minuten in die Stille zu gehen und sich gedanklich zu erfrischen.

Laut einer Studie zeigen sich nach 8 Wochen täglicher Meditation von 45 Minuten folgende Auswirkungen:

  • Steigerung von Mitgefühl
  • Positive Wirkung auf vegetatives Nervensystem
  • Erhöhung der Aufmerksamkeitsleistung
  • Reparatur der „grauen Substanz“ im Hippocampus, die durch Stress geschädigt wird
  • Abnahme der subjektiven Stressbelastung: Signifikante Abnahme von grauer Substanz in der Amygdala
  • Prävention von Alzheimer Demenz und Hirnalterung

Quelle: Hölzel BK, Carmody J, Vangel M, Congleton C, Yerramsetti SM, Gard T, Lazar SW (2011), Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density, Psychiatry Res.,191(1):36, 30 Jan 2011

Und wenn es Ihnen nur gelingt, alle 3 Stunden intensiv zu atmen, auf einen Baum zu schauen oder den Wolken nachzublicken, haben Sie auch schon viel für Ihr Gehirn getan! Wenn man abends nicht einschlafen kann, dann haben einem wahrscheinlich die Momente der Ruhe, der Einkehr und Muße gefehlt. Durch diese kleinen Atempausen können Sie also bereits viel für Ihre Gesundheit tun.

Vielleicht lohnt sich auch ein Anruf bei Ihrer Krankenkasse, welche Präventionskurse bezuschusst werden? Manchmal wartet man zu lange und denkt, das wird schon von selber wieder – es wäre aber besser, man nimmt erste Warnzeichen wie z.B. Schlaflosigkeit, Infektanfälligkeit oder Unkonzentriertheit zum Anlass für ein Wellness-Wochenende, ein Achtsamkeitskurs oder die Änderung von Ernährungsgewohnheiten, bevor sich der Zustand chronifiziert.

Gesünder durch Wertschätzung

Welchen Beitrag etwa Wertschätzung im Gesundheitsschutz leisten kann, verdeutlicht folgendes Experiment: In einer Abteilung eines Automobilzulieferers wurden Manager über einen elektronischen Kalender jeden Tag daran erinnert, einen Mitarbeiter gedanklich wertzuschätzen, in dem sie etwa an den ordentlichen Schreibtisch, das schöne Hemd oder das freundliche Lächeln des Mitarbeiters dachten. Nach sechs Monaten hat sich der Krankenstand in der Abteilung um 37 Prozent reduziert, und die 170 Mitarbeiter haben in einer Umfrage bestätigt, dass das Wohlfühlklima sich spürbar verbessert hat – und das nur durch einen Gedanken, der weder Zeit noch Geld kostet.

Eine kleine Wertschätzungs-Trilogie am Abend ist ebenfalls sehr empfehlenswert:
• Was mag ich an mir?
• Was mag ich an meinen Mitmenschen?
• Was brauche ich an Wertschätzung von meinem Umfeld?
• Und was könnte ich mögen an Menschen, die ich bis jetzt noch nicht mag? Was können die, was für mich sehr fremd ist?

Die Wahrnehmung bestimmt, ob es einen stresst

„Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich.“

Thomas-Theorem
Wenn also die Wahrnehmung so entscheidend ist für das Stressmanagement, dann ist es wichtig, diese zu trainieren. Sobald wir nach Hause kommen und erst einmal erzählen, was alles am Tag mies war, trainieren wir Wahrnehmung auf das Negative und tun auch unseren Familien nichts Gutes. Oder kommen Sie bereits heim und erzählen ausschließlich von den schönen und erfüllten Momenten des Tages?

Diesen wichtigen Aspekt im Stressmanagement bringt der Kybernetiker Heinz von Foerster auf den Punkt: „Die Umwelt, wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung.“ Übertragen auf den Joballtag bedeutet dies: Nicht die Konfliktsituation an sich ist der Auslöser einer Stressreaktion, sondern die individuelle Bewertung oder Deutung dieser Situation. Prävention beginnt folglich damit, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Denn verändern kann sich nur die eigene Wahrnehmung oder die Wahl der Handlungsstrategien und nicht, wie so oft versucht, der Partner, Chef, Patient oder Kollege. An dieser Stelle wird deutlich, was Coaching oder Therapie zur Burnout-Prävention beitragen können: Sie können uns helfen, das, was wir erleben, neu einzuordnen und hilfreichere Reaktionsmuster als Stress zu entwickeln.

Gerade für Menschen, die mit und für andere Menschen arbeiten ist es wichtig, über einen Strategie-Blumenstrauß aus Zeit-, Konfliktmanagement und Entspannungstechniken zu verfügen. So normal es ist, unser Auto regelmäßig zur Inspektion zu bringen, so ungewöhnlich ist es immer noch, regelmäßig Wartungsarbeiten an der eigenen Psyche vorzunehmen. Ein kleiner aber wichtiger Schritt in Richtung Gesundheitsschutz könnte es bereits sein, kleine Momente im Alltag zu verankern, in denen man mit einem Adlerblick auf sich selbst schauen und reflektieren kann, was gut läuft und wo es Störfaktoren gibt. Oder: sich täglich bewusst zu machen, dass jeder Moment Ärger das Leben statistisch gesehen um 0,6 Minuten verkürzt.

Über die Autorin:

ProbstKarin Probst: Zert. Systemischer Business Coach (FU Berlin), begleitet seit 1996 nationale und internationale Unternehmen. Sie ist Dozentin für Führungskräfteentwicklung und Kommunikation an der Hochschuldidaktik der Universitäten Baden Württemberg und war Schauspielerin an führenden Theatern in Deutschland.

Weitere Informationen über Karin Probst

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