Gute Preise erzielen in schwierigen Zeiten

In vielen Betrieben ist zurzeit die Auftragslage nicht rosig – oder sie blicken eher skeptisch in die Zukunft. Entsprechend häufig werden Verkäufer in Verhandlungen mit Industriekunden mit der Drohung konfrontiert: „Ihr müsst’ uns mit dem Preis entgegen kommen, sonst …“. Hierfür sollten sie sich im Vorfeld wappnen.

„Industrie in Schockstarre.“ „Auftragseingang stockt“. Solche Wirtschaftsmeldungen bestimmen seit einigen Monaten zunehmend die Wirtschaftsnachrichten – unter anderem

  • aufgrund des Dauerbrenners Brexit sowie der von Donald Trump angezettelten Handelskonflikte und
  • weil in vielen Branchen – wie zum Beispiel der Automobilindustrie, dem Energie- und Finanzsektor – selbst Branchenkennern unklar ist, wohin mittel- und langfristig die technologische und gesellschaftliche Entwicklung bzw. Reise geht.

Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl gehen Verkäufer zurzeit in Vertragsverhandlungen. Denn sie wissen, dass die (potenziellen) Kunden, kaum ist die Bürotür geschlossen, folgendes Klagelied anstimmen: „Der Konjunktur verschlechtert sich. Das spürt auch unser Unternehmen.“ Und dieses Klagelied wird in der Forderung münden: „Deshalb müssen Sie Ihre Preise senken.“

Dieses Szenario erleben die Vertriebsbeauftragten der Unternehmen aktuell Tag für Tag. Mit entsprechenden niedrigen Erwartungen gehen sie meist in die Vertragsverhandlungen, und entsprechend schnell werden sie von den Einkäufern an die Wand gedrückt – wenn sie nicht ausreichend vorbereitet sind.

Klagen und Pokern gehört zum Job der Einkäufer

Eine solide Gesprächsvorbereitung ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig. Denn in ihnen sitzen die Einkäufer am längeren Hebel. Und diese Chance nutzen sie, um auszuloten: Welche Nachlässe und Zugeständnisse sind möglich? Dies zu tun, gehört zum Job der Einkäufer. Denn ihre Aufgabe ist es, möglichst preis-wert einzukaufen – also für ihr Unternehmen die beste Kosten-Nutzen-Relation zu erzielen.

Folglich wird, wenn sich Verkäufer und Einkäufer gegenüber sitzen, auch keineswegs nur über Preise und Liefermengen gesprochen. Auf der Tagesordnung stehen auch Themen wie:

  • Welche Qualität sollen die gelieferten Produkte/Problemlösungen haben?
  • Welche „Leistungen“ enthält das Lieferpaket?
  • Wie und wann wird angeliefert?
  • Wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus?

Und hier liegt auch der Schlüssel, um auch in schwierigen Zeiten gute Preise zu erzielen. Je genauer ein Verkäufer im Vorfeld die möglichen Verhandlungspunkte analysiert, umso größer sind die Verhandlungsmasse und sein Verhandlungsspielraum.

Verhandlungsmasse schaffen

Genau analysieren sollten Verkäufer im Vorfeld auch: Wie ist die Situation im Marktsegment, in dem der Kunde agiert? Dies ist wichtig! Denn Einkäufer neigen aus verhandlungstaktischen Gründen dazu, wenn die Situation grau ist, diese pechschwarz zu malen. Von Marktkrisen werden jedoch nicht alle Branchen mit gleicher Schärfe erfasst – auch in den verschiedenen Marktsegmenten einer Branche gibt es Unterschiede.

Ein weiteres Themenfeld ist die Marktsituation und -position des Kunden. Hieraus ergibt sich, auf welchem Ohr er erreichbar ist. Informieren Sie sich vor der Verhandlung darüber, vor welchen Herausforderungen Ihr Partner aktuell steht – zum Beispiel:

  • Schrumpft sein Markt oder schnappen ihm (neue) Mitbewerber die lukrativsten Aufträge weg?
  • Hat das Unternehmen mit dem Cash-flow oder dem Ertrag Probleme?
  • Sind seine Produkte innovativ und seine Produktionsverfahren effektiv oder steht er unter Innovationsdruck?
  • Hat er Probleme Spezialisten für gewisse Aufgaben zu finden oder beschäftigt ihn eher das Thema Personalbau?

Analysieren Sie bei Bestandskunden auch die Beziehung Ihres Unternehmens zum Kunden; außerdem, welche (Service-)Leistungen erbrachte Ihr Unternehmen für den Kunden, zu denen es nicht verpflichtet war?

Ein Maximal- und ein Minimalziel definieren

Wenn Sie all diese Infos haben, können Sie definieren:

  • Mit welchem Maximal- und Minimalziel gehe ich in die Verhandlung oder das anstehende Jahresgespräch, in dem unser Kontrakt neu definiert wird? Und:
  • Welche „Pfunde“, also Verhandlungspunkte, werfe ich bei Bedarf in die Waagschale?

Danach können Sie eine kundenspezifische Argumentationskette entwerfen.

In der Verhandlung sollten Sie vor Augen haben: Schon geringe Preisnachlässe wirken sich oft fatal auf die Rendite aus. Hierfür ein Beispiel: Ein Industriezulieferer hat eine Umsatzrendite von fünf Prozent. Erzielt das Unternehmen nur ein Prozent niedrigere Preise, dann sinkt zwar auch der Umsatz nur um ein Prozent, der Gewinn sinkt aber um 20 Prozent. Entsprechend scharf sollten Sie Ihre Preise verteidigen.

Die Vorzüge der Zusammenarbeit aufzeigen

Führen Sie in Verhandlungen mit Bestandskunden diesen zunächst noch einmal den Nutzen der Zusammenarbeit vor Augen – zum Beispiel, indem sie fragen: Wie waren Sie mit der Zusammenarbeit im vergangenen Jahr zufrieden? Hat sich die Problemlösung x bewährt?

Hat der Kunde den Nutzen vor Augen, können Sie sagen: „Ihren Worten entnehme ich, dass Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden sind.“ Bejaht der Kunde dies, kann als Anschluss folgen: „Dann wollen Sie gewiss auch künftig mit uns zusammenarbeiten.“ War die Zusammenarbeit wirklich gut, wird der Kunde dies bestätigen – jedoch mit der Einschränkung „Wenn Sie uns preislich entgegen kommen“. Danach wird er all seine Argumente nennen, warum ein Preisnachlass unumgänglich ist. Und diese werden nicht selten in einer Aussage münden wie: „Mir liegt ein Konkurrenzangebot vor, das fünf Prozent günstiger ist.“

Reagieren Sie hierauf weder panisch, noch entsetzt. Schließlich zeigt die Tatsache, dass der Einkäufer mit Ihnen spricht:

  • Die Entscheidung ist offen. Und:
  • Der Preis ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium.

Entsprechend gelassen sollten Sie zum Beispiel erwidern: „Ja, wir sind etwas teurer als manche Mitbewerber, denn wir….“ Bestätigen Sie also den höheren Preis und entrollen Sie dann Ihre Argumentationskette, warum sich eine Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen trotzdem lohnt. Oder anders formuliert, warum Ihr Unternehmen zwar nicht der billigste, aber der preis-günstigste Anbieter ist.

Diese Argumentation kann in der Aussage münden: „Deshalb können wir Ihnen 0,42 Prozent mit dem Preis entgegenkommen, wenn…..“ Nennen Sie also nie glatte Zahlen. Denn Ihre Preise sind scharf kalkuliert. Und knüpfen Sie den offerierten Nachlass an Bedingungen.

Die Preisdifferenz relativieren und isolieren

Ihr Partner wird, wenn Sie ihm einen so niedrigen Nachlass offerieren, laut Zeter und Mordio schreien und eventuell sogar drohen: „Dann ist unsere Zusammenarbeit beendet.“ Daraufhin können Sie zum Beispiel ruhig erwidern: „Das haben wir uns gedacht. Deshalb haben wir nochmals mit unseren Zulieferern verhandelt; außerdem die Abläufe x und y optimiert. Dadurch konnten wir unsere Kosten, um über ein Prozent senken. Deshalb können wir Ihnen einen Nachlass von 1,13 Prozent gewähren, wenn….“

Daraufhin wird Ihrem Partner ein Stein vom Herzen fallen, denn: 1,13 Prozent klingen schon anders als 0,42 Prozent. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er den Preis akzeptiert. Vielmehr ist nun erst die Basis für die weitere Verhandlung gelegt.

Den Preis mit Händen und Füßen verteidigen

Wie flexibel Sie beim Verhandeln agieren können, hängt von Ihrer Beziehung zum Kunden, Ihrem Verhandlungsgeschick und Ihrer Gesprächsvorbereitung ab. Generell gilt jedoch: Wenn Sie gesagt haben „Das ist mein Preis“, dann müssen Sie ihn mit Händen und Füssen verteidigen. Denn wenn Sie zu schnell einknicken, hat der Einkäufer das Gefühl: „Der wollte es mal probieren.“ Das belastet ihre Beziehung. Außerdem kann der Einkäufer anschließend nicht stolz sagen: „Weil ich so hartnäckig verhandelt habe, haben wir nun Top-Konditionen.“ Gönnen Sie ihm diesen Triumph, sofern er Sie bzw. Ihr Unternehmen wenig kostet.

Über den Autor:

Peter Schreiber ist Inhaber der auf den B2B-Vertrieb spezialisierten Unternehmens- und Managementberatung PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld. Er ist u.a. Dozent beim ZfU Zentrum für Unternehmungsführung in Thalwil (CH) und Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen.

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