Für Berater und Coachs – aber auch Führungskräfte – sind Fragen ein wichtiges Arbeitsinstrument. Also sollten sie die verschiedenen Fragetypen kennen und gezielt einsetzen können.
Jeder Mensch hat aufgrund seiner Biografie und seines Wertesystems individuelle Vorstellungen davon, was (für ihn) „gut“ ist; außerdem davon, was „richtig“ ist. Also hat er auch eine subjektive Wahrnehmung der „objektiven“ Dinge. Diese kennt ein Coach oder Berater nicht. Also muss er die Gedanken-, Werte- und Gefühlswelt seiner Klienten durch Fragen erkunden,
- um ihnen neue Perspektiven beim Betrachten ihres „Problems“ zu eröffnen und
- sie auf einen für sie gangbaren und befriedigenden Lösungsweg zu führen.
Zum Erreichen des Ziels kann ein Coach* mehrere Kategorien von Fragen nutzen:
- problemorientierte,
- ressourcenorientierte und
- zielorientierte Fragen.
Ihren professionellen Einsatz muss jeder Coach beherrschen, denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob er fragt:
- „Wieso klappt das nicht?“ (problemorientiert) oder
- „Wann hat die Sache schon einmal geklappt? Was war damals anders?“ (ressourcenorientiert) oder
- „Was möchten Sie erreichen? Wie könnte eine Lösung aussehen?“ (zielorientiert)
Bei der lösungsorientierten Arbeit eines Coachs liegt der Fokus auf den ressourcen- und zielorientierten Fragen. Denn sie eröffnen eine Welt der Möglichkeiten und durchbrechen die oft bestehende „Problem-Trance“ bei Coachees.
Problemorientierte Fragen
Diese Fragen-Kategorie dient dem Coach unter anderem zum genaueren Kennenlernen der Situation des Coachees. Problemorientierte Fragen liefern oft nur dem Coach neue Einsichten. Denn der Coachee ist „der Experte“ für sein Problem, und er kennt alle Details. Einige Beispiele für problemorientiere Fragen:
- „Seit wann besteht das Problem?“
- „Wer ist am Problem und dessen Entstehung beteiligt?“
- „Wie geht es Ihnen in der Problemsituation?“
Auch die Frage „Was haben Sie schon unternommen?“ zählt zu dieser Rubrik. Denn die Antwort auf diese Frage beinhaltet alle bereits gescheiterten Versuche. Wäre das Problem gelöst, säße der Coachee dem Coach nicht gegenüber. Zusammengefasst beinhaltet diese Fragenkategorie alle Fragen rund um die Thematik des Problems.
Problemorientierte Fragen sollten Coachs sparsam einsetzen. Denn sie können zu einer Problem-Trance des Coachees führen, aus der er sich nur schwer lösen kann. Denn der Coach aktiviert hiermit beim Coachee vor allem Gedanken und (Hilflosigkeits-)Gefühle rund um die negativ erlebte Situation. Das erschwert das Finden neuer Lösungsansätze. Denn wer ein Problem lösen möchte, muss einen anderen geistigen Raum betreten.
Wichtig: Problemorientierte Fragen …
- verschaffen einen Überblick über die Situation und
- sollten von Coachs mit Maß und Ziel eingesetzt werden, um eine „Problem-Trance“ zu vermeiden.
Ressourcenorientierte Fragen
Diese Kategorie Fragen lenkt den Blick auf die Stärken von Menschen und die Dinge, die beim Bewältigen der Herausforderung hilfreich sein könnten. Beispiele für ressourcenorientierte Fragen sind
- „Was oder wer könnte Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein?“,
- „Was könnten Sie tun, damit das Problem besser wird?“
Auch Fragen nach Ausnahmen zählen zu dieser Rubrik, etwa: „Beschreiben Sie eine Situation, in der das Problem nicht auftrat und was in ihr anders war?“ Oder: „…was Sie in ihr anders gemacht haben?“ Hilfreich beim Suchen von Ressourcen für eine Lösung können auch Fragen sein wie: „Was unternahmen Sie bisher, damit das Problem nicht schlimmer wurde?“
Wichtig: Ressourcenorientierte Fragen …
- setzen den Fokus auf hilfreiche Menschen, Umstände oder Dinge und
- können auch Fragen nach Ausnahmen vom Problem sein.
Zielorientierte Fragen
Diese Fragenkategorie lenkt die Aufmerksamkeit auf die gewünschte Zukunft. Hierzu zählen die klassischen Zielfragen wie:
- „Was genau wollen Sie erreichen?“,
- „Wie sollte eine Lösung aussehen?“ oder
- „Bis wann wollen Sie Ihr Ziel erreichen?“
Coachs nutzen bei ihrer Arbeit auch häufig folgende Fragen:
- „Woran erkennen Sie, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?“,
- „Wer wird außer Ihnen die Zielerreichung noch merken?“ Und:
- „Wie wird das Erreichen des Ziels Ihr Leben verändern?“
Solche Fragen bewirken, dass der Coachee vor seinem inneren Auge sieht, wie die Zukunft aussehen könnte. Er kann die Erfolgssituation erfühlen. Damit erkennt er auch die Perspektiven, die sich ihm hierdurch eröffnen. Zugleich werden vorhandene Ressourcen und mögliche Hindernisse erkannt. So könnte zum Beispiel, wenn ein Coachee sich beruflich verändern und den nächsten Karriereschritt machen möchte, sein Umfeld hierauf nicht positiv reagieren. Der Lebenspartner könnte nicht glücklich darüber sein, dass der Coachee dann weniger Zeit für die Familie hat. Oder dass hierfür ein Ortswechsel nötig wäre.
Auch das Wort „stattdessen“ bewirkt oft einen Wechsel der Denkrichtung – vom Problem zum Ziel. Coachees wissen meist genau, was sie nicht mehr wollen. Aber was sie „stattdessen“ möchten, ist ihnen unklar. Die Frage „Was wollen Sie stattdessen?“ löst oft einen schwierigen Denk- und Entscheidungsprozess aus: „Was will ich wirklich? Was ist mein Wunschziel?“
Wichtig: Zielorientierte Fragen …
- sind zukunftsorientiert,
- beschreiben den erwünschten Zustand,
- decken die Folgen für den Coachee und für sein Umfeld auf und
- ermöglichen es, Hindernisse aufzuspüren.
Neben den bisher beschriebenen Fragenkategorien gibt es mehrere Fragetypen, die es wert sind, sie zu kennen. Jeden von ihnen kann man aus einer der vorgenannten Blickrichtungen stellen – also problem-, ressourcen- und zielorientiert.
Skalierungsfragen
Skalierungsfragen sind ein Instrument, um Empfindungen und Gefühle wie Erfolg oder Misserfolg, Freude oder Frustration zu bewerten. Nicht nur der Coach kann sich hiermit ein Bild über die Stärke des Empfindens des Coachees machen, auch der Coachee selbst bekommt hierdurch einen anderen Blick auf seine Lage. Hilfreich sind Skalierungsfragen auch, um Fortschritte in einem Coaching-Prozess zu überprüfen.
Oft nutzen Coachs eine Skala von 0 bis 10. Dabei stellt die Null die minimale und die Zehn die maximale Ausprägung eines Gefühls dar. Soll zum Beispiel die Zufriedenheit mit dem derzeitigen Job eingeschätzt werden, bedeutet der Wert 0 „absolut unzufrieden“, und der Wert 10 „absolut zufrieden“. Und mit Hilfe der Skalierungsfrage „Wie würden Sie auf einer Skala von 0 bis 10 Ihre aktuelle Zufriedenheit im Beruf einschätzen?“ kann der Coachee eine entsprechende Einschätzung vornehmen.
Mit Skalierungsfragen können auch Veränderungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten erfasst werden; zudem können sie zum Planen der nächsten Schritt genutzt werden Beispiele für solche Fragen sind:
- „Auf einer Skala von 0 bis 10 ausgedrückt, wie hat sich das Klima in Ihrer Abteilung seit unserem letzten Treffen verändert?“ (Veränderung)
- „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass sich das Arbeitsklima durch die neue Aufgabenverteilung von 4 auf 6 verbessert?“ (Erfolgswahrscheinlichkeit). Oder:
- „Wenn Sie Ihre Zusammenarbeit im Team heute bei 4 sehen, was müsste geschehen, um auf 6 zu kommen?“ (Maßnahmenplanung)
Coaches sollten bei der Arbeit mit Skalierungsfragen immer die kleinen Unterschiede beachten. Es geht um kleine, umsetzbare Schritte, die motivierend wirken.
Wichtig: Skalierungsfragen …
- eignen sich, um Wahrnehmungen, Gefühle und Einschätzungen „messbar“ zu machen und
- machen (kleine) Veränderungen sichtbar.
Dissoziierte Fragen
Dissoziieren heißt, vom Problem Abstand nehmen – also dieses zum Beispiel aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dissoziierte Fragen sind zum Beispiel:
- „Was meint Ihr Chef zu Ihrem Problem?“ Und:
- „Was würde Ihnen Ihre Mutter in dieser Situation raten?“
Wenn Coachees aus einer Außenperspektive auf ihr Problem blicken, sehen sie oft neue Aspekte und entdecken sie alternative Lösungsansätze. Denn die neuen Informationen bringen neue Sichtweisen hervor und setzen wertvolle Denkprozesse in Gang.
Coachees wissen oft nicht, wie viel sie wissen. Dissoziierte Fragen sind eine Methode, um das verborgene Wissen anzuzapfen und versteckte Ressourcen zu entdecken. Der Coach kann auch fragen: „Wenn Sie an meiner Stelle wären, welche Fragen würde Sie dann stellen?“
Wichtig: Dissoziierte Fragen …
- schaffen durch die „Vogelperspektive“ eine Übersicht,
- ermöglichen ein Loslösen des Problems,
- bringen neue Denkprozesse in Gang und
- fördern unbewusstes Wissen zu Tage.
Hypothetische Fragen
Wenn es im Coaching zu einem Stillstand kommt und der Coachee keine Lösungsmöglichkeiten sieht, können hypothetische Fragen helfen. Zum Beispiel: „Angenommen das Problem wäre gelöst, was hätten Sie dann wahrscheinlich getan?“ „…, wie würden sich Ihre Kollegen dann verhalten?“ „…, was wäre dann anders?“
Hypothetische Fragen bieten dem Coachee ein Lösungsszenario an, das der Coachee, indem er es beschreibt, erlebt. So zum Beispiel bei der Frage: „Angenommen Sie könnten sich Ihren Traumberuf kreieren. Wie würde dieser aussehen? Wie würde ein Tag, eine Woche in diesem Beruf verlaufen?“
Aus den Antworten können Schritte zum Erreichen des Ziels abgeleitet werden. Hypothetische Fragen haben den positiven Effekt, dass der Coachee diese Schritte ausprobiert und testet, ob sie für ihn überhaupt erstrebenswert und durchführbar sind.
Wichtig: Hypothetische Fragen …
- erlauben, sich wünschenswerte Situationen oder Lösungen vorzustellen,
- ermöglichen es, die Machbarkeit von Lösungen zu reflektieren, und
- erleichtern das Probehandeln eines gewünschten Verhaltens.
Paradoxe Fragen
„Paradox“ bedeutet widersprüchlich. Paradoxe Fragen sind provokative Fragen, die auf ein Verstärken des Problems abzielen. „Was müssten Sie tun, damit Sie endgültig einen Burnout erleiden?“, „…, damit Ihr Chef Sie entlässt?“ Diese Fragetechnik eignet sich besonders bei Coachees, die in ihren Problemen sehr gefangen sind. Paradoxe Fragen wie zum Beispiel „Wie könnten Sie erreichen, dass Sie noch schlechter schlafen?“ reizen den Coachee und lösen dadurch oft erhellende Reaktionen aus.
Zuweilen empfiehlt es sich, paradoxe Fragen anzukündigen, damit der Coachee sich darauf einlässt – zum Beispiel mit folgenden Worten: „Mir fällt gerade eine Frage ein, die Ihnen vielleicht verrückt erscheint“. Und danach stellen Sie die Frage – zum Beispiel: „Was müsste ich als Coach tun, damit Sie nicht mehr zu mir kommen?“
Wichtig: Paradoxe Fragen …
- arbeiten widersprüchlich, indem sie das Problemverhalten verstärken,
- erschüttern festgefahrene Sichtweisen,
- provozieren beim Coachee eine Gegenreaktion und
- stärken das Selbstbewusstsein des Coachees.
Die genannten Fragekategorien und -typen sind ein Basiswerkzeug im „Werkzeugkoffer“ jedes Coachs. Und jeder Coach sollte ihren Einsatz professionell beherrschen. Dies gilt es diesen zu trainieren – zum Beispiel in einer Coach-Ausbildung.
* Fortan werden die Begriffe Coach und Berater weitgehend synonym verwendet.