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Investieren und zugleich die Liquidität sichern. Umstrukturieren und das Alltagsgeschäft am Laufen halten. Den Service verbessern und die Kosten im Griff behalten. In solchen Zielkonflikten, auch Dilemmata genannt, befinden sich Unternehmen stets. Also muss ihr Führungspersonal lernen, sie zu managen.

„Mal heißt es hü, mal heißt es hott“ – diese Klage hört man oft von Mitarbeitern. Sie kritisieren immer wieder, ihre Führungskräfte würden sie mit ihren wechselnden (Ziel-)Vorgaben „kirre“ machen. Zuweilen zu Recht! Meist liegt solchen Klagen von Mitarbeitern jedoch ein Problem zugrunde, mit dem alle Führungskräfte regelmäßig kämpfen: Sie stehen beim Führen des ihnen anvertrauten Bereichs vor der Herausforderung, ein ganzes Bündel von sich teils widersprechenden Zielen zu erreichen.

Und weil die Rahmenbedingungen sich permanent ändern, müssen sie immer wieder die Prioritäten verschieben. Das erzeugt bei den Mitarbeitern zuweilen das Gefühl „Unser Chefs wissen selbst nicht, was sie wollen“ – zumindest dann, wenn ihnen die (scheinbaren) Kurswechsel nicht ausreichend erklärt werden.

Dilemmata sind nicht lösbar

Die Sozialwissenschaft spricht von einem Dilemma, wenn eine Person zeitgleich mehrere, sich teils widersprechende Ziele erreichen möchte oder muss. Ein typisches Dilemma ist die vieldiskutierte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Für dieses Dilemma gilt wie für alle Dilemmata: Es lässt sich, zumindest wenn man Beruf mit „Karriere“ gleichsetzt, für die meisten Berufstätigen nur bedingt lösen – egal, welch tolle Unterstützung der Arbeitsgeber oder Staat gewährt. Denn wer viel Geld verdienen will, muss in der Regel auch viel schuften.

Ein typisches Dilemma, vor dem Unternehmensführer oft stehen, ist: Wenn unser Betrieb auch künftig „Spitze“ sein soll, dann müssen wir investieren – zum Beispiel in neue Produkte oder Technologien. Wenn unser Unternehmen aber hierfür sehr viel Geld ausgibt, dann sinken seine Liquidität und sein Ertrag und die Verschuldung steigt. Das heißt, die Firma wird abhängiger von Kapitalgebern, was ihre Eigenständigkeit gefährden kann.

Solche Dilemmata gibt es auch auf der Bereichsebene. Ein Beispiel. Bei vielen Maschinenbauern besteht folgender Dauerkonflikt zwischen Vertrieb und Produktion: Die erfolgsabhängig bezahlten Verkäufer wollen möglichst viel verkaufen. Also versprechen sie potenziellen Kunden das Blaue vom Himmel. Und die Produktion? Sie kämpft anschließend mit dem Problem, dass aufgrund der zahlreichen Sonderanfertigungen ihr Output sinkt und die Kosten nach oben schnellen.

Dilemmas managen und bearbeiten

Kennzeichnend für Dilemmata ist: Sie lassen sich nicht lösen. Denn selbstverständlich muss ein Unternehmen Vorsorge betreiben, dass es auch in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich ist – also investieren und sich „modernisieren“. Dabei muss es jedoch darauf achten, dass es sein Tagesgeschäft noch erfüllen kann und liquide bleibt. Und selbstverständlich muss ein Unternehmen, das in scharfem Wettbewerb steht, auch auf individuelle Kundenwünsche eingehen. Dabei muss es aber darauf achten, dass hierunter nicht seine Produktivität leidet. Also kann der Zielkonflikt nicht ein für alle Mal gelöst, er kann nur gemanagt werden. Dabei lassen sich folgende „Schritte“ unterscheiden.

Schritt 1: Das Dilemma erkennen.

Bereits das fällt den Beteiligten in den Unternehmen oft schwer. Den Top-Entscheidern, weil sie zu wenig ins Alltagsgeschäft des Unternehmens involviert sind und nicht adäquat einschätzen können, was gewisse (strategische) Entscheidungen für die Organisation bedeuten. Und die Führungskräfte auf der Bereichsebene sowie ihre Mitarbeiter? Sie haben bei ihrer Arbeit oft primär ihren eigenen (Aufgaben-)Bereich vor Augen und sehen nicht ausreichend, was zudem nötig ist, damit das Gesamtunternehmen mit Erfolg arbeitet.

Schritt 2: Das Dilemma nicht negieren.

Pragmatische Macher neigen dazu, Dilemmata zu negieren. Sie tun zum Beispiel Hinweise von Kollegen oder Untergebenen wie „Wir könnten ein Problem bekommen, wenn …“ häufig als „Geschwätz“ ab und interpretieren sie als Ausdruck mangelnder Entschluss- und Tatkraft. Entsprechend aktionistisch ist oft ihr Handeln, das kurzfristig sogar meist „Früchte“ trägt. Doch dann rächt es sich plötzlich bitter, dass über einen längeren Zeitraum die „konkurrierenden“ Ziele vernachlässigt wurden. Zum Beispiel in der Form, dass Kundengruppen wegbrechen oder Leistungsträger scharenweise abwandern.

Schritt 3: Das Dilemma besprechbar machen.

Die meisten Ziele von Unternehmen beeinflussen sich wechselseitig – weshalb ja die Dilemmata entstehen. Entsprechend wichtig ist es zu analysieren: Welche Ziele haben das Unternehmen? Wie hängen diese zusammen? Und: Welchen Einfluss haben sie auf den Erfolg? Hilfreich kann hierbei das Erstellen einer Strategielandkarte sein, in der die Ziele aufgelistet sind und ihre wechselseitige Beziehung abgebildet wird.

Schritt 4: Regeln für den Umgang mit dem Dilemma vereinbaren.

Welches Vorgehen empfiehlt sich, wenn ein Mitarbeiter erkennt: Es fällt mir schwer, Familie und Beruf zu vereinbaren, und ich leide darunter? Er sollte mit seinem Chef darüber sprechen, wie dieser Zielkonflikt eventuell so „gelöst“ werden kann, dass seine Interessen und die des Betriebs angemessen berücksichtigt werden. Außerdem sollte er sich mit seinem Lebenspartner an einen Tisch setzen und zu ihm zum Beispiel sagen: „Wir wollen beide Karriere machen und Zeit für uns und unsere Familie haben…. Lass‘ uns einmal darüber reden, wie wir ….“. Am Ende des Gesprächs können dann Absprachen getroffen und Regeln für den Umgang mit dem Zielkonflikt vereinbart werden.

Ähnlich ist es in Unternehmen. Auch hier muss jemand die Initiative ergreifen und mit Nachdruck sagen: „Wir müssen uns auf eine Strategie verständigen, wie wir …“ Dies ist gerade deshalb wichtig, weil viele Zielkonflikte in Unternehmen so „alltäglich“ sind, dass sie oft als „nicht managebar“ erachtet werden. Also wird ihre Bearbeitung so lange auf die lange Bank geschoben, bis die Hütte brennt.

Schritt 5: Sich nicht sklavisch an die Regeln halten.

Unternehmen bewegen sich in einem dynamischen Umfeld. Also müssen die Verantwortlichen regelmäßig prüfen: Eignen sich die formulierten Regeln noch zum Managen der Dilemmata? Doch auch zwischenzeitlich müssen sie im Dialog bleiben. Denn im Betriebsalltag tauchen immer wieder „Sonderfälle“ auf. Zum Beispiel der Vertrieb hat einen Neukunden an der Angel, der sich zu einem Top-Kunden entwickeln könnte. Dann müssen die Drähte zwischen Vertrieb und Produktion glühen, um zu klären, unter welchen Voraussetzungen gewisse Sonderwünsche doch erfüllbar wären,  obwohl vereinbart war, …. Entsprechendes gilt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis wie die Finanzkrise die Liquidität des Unternehmens bedroht.

Über den Autor:

Hans-Werner Bormann ist einer der drei Geschäftsführer der WSFB Beratergruppe Wiesbaden, die Unternehmen bei Changeprozessen unterstützt und Organisationsberater ausbildet.

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