Die Frau, das unbekannte Wesen? Nein! Das weibliche Geschlecht ist als Ziel- und Konsumentengruppe gut erforscht. Trotzdem beißen sich Verkäufer an Frauen oft die Zähne aus, wenn sie diese als Kundinnen gewinnen möchten.
Frauen kaufen anders. Verkäufer registrieren dies immer wieder. Auch Marktforscher bestätigen dies. Zielgruppenstudien belegen zum Beispiel: Für Frauen ist Geld ein geringeres Statussymbol als für Männer. Sie sehen darin primär ein Instrument, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Außerdem: Frauen messen bei ihren Einkaufsentscheidungen dem Thema Sicherheit eine höhere Bedeutung bei. Und sie wünschen eine umfassendere Beratung.
Was folgt daraus – zum Beispiel für den Autoverkauf? Für viele eher durchschnittliche Verkäufer: „Ich muss die Kundin vor allem auf die große Knautschzone und die Airbags hinweisen. Und ihr die Kindersicherung an den Autotüren zeigen. Außerdem – welch’ Graus – für das Verkaufsgespräch mindestens zwei Stunden einplanen.“
„Die Frau“ gibt es nicht – „den Mann“ auch nicht
Anders agiert ein Spitzenverkäufer. Er hat zwar auch im Hinterkopf: Frauen ticken teilweise anders als Männer. Er misst dieser Tendenzaussage aber wenig Bedeutung bei, denn er weiß: „Die Frau an sich“ gibt es nicht – ebenso wenig wie „den Deutschen“ oder „den Angehörigen der Gen Z“ oder „…“. Faktisch besteht die Kundengruppe Frauen vielmehr aus vielen Teilgruppen: alte und junge Frauen, Frauen mit Kindern und ohne, verheiratete und ledige Frauen, berufstätige und nicht berufstätige Frauen und so weiter.
Die Aussage „Alle Frauen sind gleich“ oder „Alle Frauen zeigen dasselbe Kaufverhalten“ ist deshalb ein ähnlicher Nonsens wie die Aussage: „Alle Männer träumen davon, im eigenen Porsche mit einer Blondine im Arm spazieren zu fahren.“ Solcher Klischees kann sich die Werbung bedienen, denn sie will möglichst viele Angehörige einer Kundengruppe ansprechen. Anders ist dies aber, wenn sich Verkäufer und Kunde Auge in Auge gegenüber sitzen oder stehen. Dann muss der Verkäufer als erstes prüfen: Entspricht mein Gegenüber dem Klischee.
Was Frau will, ist verschieden
Nichtsdestotrotz ist das Kaufverhalten von Männern und Frauen verschieden. Die Wissenschaft erklärt dies teils biologisch, teils mit der gesellschaftlichen Funktion von Frauen. Was welchen Einfluss hat, darüber mögen sich die Soziologen, Pädagogen und Psychologen streiten. Fakt ist aber: Frauen gebären nicht nur die Kinder. Sie übernehmen auch immer noch den Großteil ihrer Erziehung und der Familienarbeit. Deshalb messen sie in der Regel den Themen Vorsorge und Sicherheit eine größere Bedeutung bei.
Daraus schlussfolgern zum Beispiel manche Finanzberater: Frauen sollte man vor allem sichere Geldanlagen wie Versicherungspolicen und festverzinsliche Wertpapiere anstelle von börsennotierten Papieren anbieten. Und Immobilienmakler: Frauen bevorzugen Immobilien in sicheren, aber nicht selten gottverlassenen Wohngegenden. Auch dies ist ein Trugschluss, denn das Sicherheitsbedürfnis von Frauen kann sich außer auf das Produkt selbst auf viele Faktoren beziehen. Zum Beispiel darauf, dass Frau sicher sein möchte: „Der Verkäufer berät mich gut – und schwatzt mir nicht nur das Produkt auf, das ihm die höchste Provision bringt.“ Oder dass Frau sicher sein will, dass sie auch nach dem Kauf noch einen Ansprechpartner für Fragen hat.
Was also zum Beispiel Sicherheit für Frau bedeutet und welche Bedürfnisse daraus resultieren, das muss der Verkäufer zunächst erkunden. Denn nur dann kann er das Produkt oder die Problemlösung der Kundin so präsentieren, dass bei ihr das Gefühl entsteht: Genau das will ich haben.
Andere Bilder und Metaphern nutzen
Damit Frau zu dieser Gewissheit gelangt, müssen Verkäufer im Kontakt mit weiblichen Kunden häufig andere Bilder und Metaphern nutzen als mit männlichen. Ein Beispiel: Finanzberater verwenden im Verkaufsgespräch oft Metaphern aus dem Automobilbereich wie „Diese Aktien sind der Turbo in Ihrem Depot“. Solche Bilder sprechen zwar viele Männer an, Frauen aber seltener. Bei ihnen wirken andere Bilder. Etwa: „Diese Aktienbeimischung ist wie der Dünger für Ihre Pflanzen. Sie lässt die Rendite schneller wachsen.“ Oder: „Diese Aktienbeimischung wirkt wie das perfekte Accessoire zu Ihrem Outfit. Sie verleiht Ihrem Portfolio den gewünschten Glanz.“
Ähnliches gilt, wenn ein Berater einen Sparplan bewerben möchte. Dann läuft vermutlich zahlreichen Männern das Wasser im Mund zusammen, wenn sie hören: „Mit dem angesparten Geld können Sie sich in zehn Jahren einen 7er-BMW kaufen.“ Frauen hingegen haben meist andere Ziele: etwa die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren oder einen Wintergarten zu bauen. Selbstverständlich sind auch diese Beispiele mit Vorsicht zu genießen. Denn letztlich gilt: Was Frau wirklich will, muss der Verkäufer im Gespräch erkunden. Hierfür benötigt er neben einer professionellen Fragetechnik insbesondere Empathie. Der Verkäufer muss sich also in sein Gegenüber hineinversetzen können. Sonst fasst die Kundin zu ihm kein Vertrauen. Also teilt sie ihm auch nicht mit, was ihr wichtig ist.
Frauen achten stärker auf die Manieren
Bei ihrer Entscheidung, wem sie vertrauen, lassen sich Frauen oft von anderen Kriterien als Männer leiten. Verallgemeinert gilt zum Beispiel: Frauen legen mehr Wert auf eine angemessene Kleidung und ein gepflegtes Äußeres. Sie achten auch stärker auf die Manieren. Kommt mir der Kundenbetreuer in der Bankfiliale entgegen? Hilft er mir aus dem Mantel? Breitet er beim Hausbesuch, ohne zu fragen, seine Unterlagen auf dem Tisch aus?
Für manche Frauen ist es ein K.-o.-Kriterium, wenn der Verkäufer einfach so, ohne zu fragen, mit Schuhen in ihr Wohnzimmer stapft. Solche Details mögen auf viele Männer kleinlich wirken. Für Frauen sind sie aber oft ein Indiz dafür, wie viel Wertschätzung der Verkäufer ihnen entgegenbringt.
Auch Führungskräfte sind zuweilen „Verkäufer“
Die obigen auf Verkäufer bezogenen Aussagen gelten übrigens auch für Führungskräfte, denn auch sie stehen im Arbeitsalltag oft vor der Herausforderung, andere Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Dabei dürfen sie sich – wie Verkäufer – nicht von Stereotypen bzw. Vorurteilen und Klischees gegenüber Frauen – oder Männern oder Angehörigen der Generation Z oder …. – leiten lassen. Sie müssen vielmehr ihr jeweiliges Gegenüber als Individuum wahr- und ernstnehmen. Denn nur dann können sie im Mitarbeiter-Kontakt das Verhalten zeigen, das der jeweiligen Person sowie ihren Wünschen und Bedürfnissen angemessen und deshalb zielführend ist.
Über die Autorin:
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden. Die Managementberaterin ist eine gefragte Vortragsrednerin – u.a. zu den Themen Leadership und Networking. Die Wirtschaftswissenschaftlerin begann ihre Karriere im Marketing internationaler Konzerne wie Christian Dior und L´Oreal. Danach beriet sie Finanzdienstleister wie die Royal Bank of Scotland und die Deutsche Bank. Sie ist u.a. Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer“. Außerdem betreibt sie den Podcast „Business Secrets: Warum Frauen ‚gelikt‘ werden und Männern gefolgt wird“.