Beitragsbild Weiterbildungsmarkt.net

Verkäufer behandeln oft alle Kunden gleich. Wie man schnell erkennt, was für ein Typ ein Kunde ist, ohne ihn vorschnell in eine Schublade zu stecken, das erfuhren zwölf Vertriebsmitarbeiter und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in einem Seminar von Kaltenbach-Training.

„Wenn ein Verkäufer mich mit Details überhäuft, schalte ich ab“, sagt Hans Zimmer*, Gebietsleiter Süd bei einem Industriebürstenhersteller. „Und wie ist es bei Ihnen“, fragt Seminarleiter Walter Kaltenbach dessen Tischnachbarn. Timo Held, der für dasselbe Unternehmen arbeitet, wiegt nachdenklich den Kopf.

Dann erwidert er: „Also mich interessieren die technischen Details schon.“ „Heißt das, dass Sie unterschiedliche Typen sind?“, fragt Vertriebstrainer Kaltenbach nach. „Das kann man wohl sagen. Der Timo ist zum Beispiel ein absoluter Auto-Freak, ich nicht.“, erwidert Held und schaut dabei seinen älteren Kollegen breit grinsend an.

„Kühlschrank-“ oder Kumpel-Typ?

„Fakt ist“, erklärt Kaltenbach, „Menschen sind im Gegensatz zu den Maschinen einer Baureihe verschieden – zum Glück. Und sie haben unterschiedliche Bedürfnisse. Was passiert folglich, wenn wir alle Kunden gleich ansprechen?“ Jürgen Schmied, Key-Accounter bei einem Fräsmaschinenhersteller vermutet: „Wir argumentieren an vielen Kunden vorbei“. „Und erzielen weniger Abschlüsse“, ergänzt Kaltenbach. „Was schlecht für unser Gehalt ist“, stöhnt Timo Held. Er wird wie viele Verkäufer erfolgsabhängig bezahlt.

Für kurze Zeit herrscht Stille im Raum. „Doch woher soll ich wissen, wie mein Gegenüber tickt“, möchte dann Miriam Blume wissen. „Ich kenne die meisten Leute, die in meinen Laden kommen, doch nicht“, fährt die Inhaberin eines Hörgerätegeschäfts in Hamburg fort. „Also brauchen Sie ein Instrument, das Ihnen eine erste Schnell-Einschätzung ermöglicht“, erwidert Kaltenbach. Dabei bewegt er sich auf das Whiteboard an der Stirnseite des Raums zu und malt darauf ein Koordinatenkreuz. An dessen senkrechte Achse schreibt er oben „Denker“ und unten „Fühler“.

„Bei reinen ‘Denkern‘ haben Sie das Gefühl, Sie reden mit einem Kühlschrank. So sachlich und logisch-rational argumentieren sie“, erklärt der Verkaufstrainer schmunzelnd. Und woran erkennt man einen „Fühler“? „Wahrscheinlich sind das die Kumpel-Typen, die einem gleich die ganze Familiengeschichte erzählen“, vermutet Hans Zimmer. Dabei schüttelt er sich. Klar ist: Solche Typen liegen ihm nicht.

Die vier Grundtypen

„Herr Zimmer, Sie sprechen einen weiteren wichtigen Punkt an“, lobt Kaltenbach. Dann schreibt er an die Enden der waagrechten Achse des Koordinatenkreuzes die beiden Adjektive „introvertiert“ und „extravertiert“. Sie stehen für die unterschiedliche Geschwindigkeit, mit der Menschen sich öffnen, Beziehungen aufbauen und Entscheidungen treffen. Kaltenbach drückt auf einen Knopf der Fernbedienung des neben ihm stehenden Beamers. Auf der Leinwand erscheint eine Grafik, die in vier verschiedenfarbige Felder unterteilt ist. Sie zeigt die vier Persönlichkeitstypen nebst ihren Merkmalen, die es der INSIGHTS MDI-Persönlichkeitsanalyse zufolge gibt. Da ist zunächst der rote Typ: der extravertierte Denker. Die Farbe Gelb hingegen symbolisiert den extravertierten Gefühlsmenschen. Zudem gibt es den „grünen“ introvertierten Gefühlsmenschen. Und die Farbe Blau? Sie steht für den introvertierten Denker.

Jedem Grundtyp werden bestimmte Eigenschaften und Verhaltenspräferenzen zugeschrieben. So soll der „grüne“ introvertierte Gefühlsmensch zum Beispiel geduldig, mitfühlend und vertrauensvoll – aber auch schnell beleidigt und zuweilen stur – sein. Zudem baut er eher langsam Beziehungen auf.

Kaltenbach bittet alle Teilnehmer um eine Einschätzung, welcher Persönlichkeitstyp ihnen am ehesten entspricht. Das Ergebnis: Die Gruppe besteht aus vier „grünen“, jeweils drei „blauen“ und „gelben“ sowie zwei „roten“ Personen. Danach überreicht Kaltenbach jedem Teilnehmer sein individuelles Persönlichkeitsprofil, das vor Seminarbeginn mit Hilfe eines Online-Fragebogens erstellt wurde. Neugierig studieren die Teilnehmer ihre Profile, während Kaltenbach Erläuterungen gibt. Danach ist Feierabend.

Das Verhalten dem Kunden anpassen

Am nächsten Morgen spürt man: Alle Seminarteilnehmer sind neugierig, was sie mit der Kenntnis der verschiedenen Persönlichkeitstypen im Vertriebsalltag praktisch anfangen können. „Welcher Typ ist der beste Verkäufer?“, will Hans Zimmer sogleich wissen. Walter Kaltenbach schaut ihn zwei, drei Sekunden schmunzelnd an, dann erwidert er: „keiner“. Danach macht der erfahrene Vertriebstrainer erneut eine Pause, bevor er zur Gruppe sagt: „Begreifen Sie Ihr Profil keinesfalls als Aufforderung Ihre gesamte Persönlichkeit umzukrempeln. Denn jeder Typ hat seine Stärken – auch als Verkäufer.“ „Ja, aber was fangen wir dann mit dem Wissen um unseren Typ an“, fragt Miriam Blume leicht irritiert. Kaltenbach erklärt den Nutzen an einem Beispiel: „Angenommen ein Verkäufer ist ein eher gelber Typ und kommt als solcher mit ‚blauen Kunden‘ nicht gut klar. Was würde dann passieren, wenn er sich zu einem blauen Typ entwickeln würde?“ „Dann hätte er fortan vermutlich Probleme mit den gelben Kunden und gewonnen wäre nichts“, erwidert Alexander Becker, der bislang weitgehend schwieg. „Richtig“, lobt Kaltenbach den Juniorchef eines Wintergärten produzierenden Unternehmens. „Also kann es nicht darum gehen, ein anderer Typ zu werden.“ „… sondern das Verhalten dem jeweiligen Gegenüber anzupassen“, ergänzt Becker. „Genauso ist es“, ruft Kaltenbach begeistert. „Sie bringen die Sache auf den Punkt.“

Ein „Kompass“ für die Gesprächsführung

„Hand aufs Herz“, sagt der Vertriebstrainer dann zu den Teilnehmern: „Wie lange dauert es bei Ihnen, bis Sie sich von Neukunden ein erstes Bild geformt haben?“ „Maximal zwei, drei Minuten“, „Quatsch, deutlich kürzer“, „drei, vier Sekunden“, schallt es durch den Raum. „Sie bilden sich also alle sehr schnell ein erstes Bild von Ihrem Gegenüber“, konstatiert Kaltenbach, „und zwar in der Regel unbewusst. Das große Plus der Kenntnis der vier Persönlichkeitstypen ist, dass dieser Prozess fortan bewusst verläuft. Das heißt, Sie können Ihren Ersteindruck auch leichter überprüfen und revidieren – sprich dem jeweiligen Kunden anpassen.“ „Und damit verhindern, dass wir Kunden unbewusst in die falsche Schublade stecken“, stellt Miriam Blume fest. „Genau“, erwidert Kaltenbach.

Dies leuchtet allen Seminarteilnehmern ein. Mit Feuereifer sammeln sie, woran Verkäufer bei Kunden erkennen, was für ein Typ dieser vermutlich ist. Da ist zunächst sein gesamtes Auftreten. Wie geht er auf den Verkäufer zu? Lässig oder forsch? Hält er einen gewissen Abstand oder nicht? Wie schüttelt er die Hand? Und da ist der Blickkontakt. Sucht er ihn oder weicht er ihm aus? Ein weiteres Indiz ist die Körperhaltung. Und nicht zu vergessen die Sprache: Spricht er langsam oder schnell? Laut oder leise? Und ist seine Sprache mit vielen Adjektiven und starken Verben geschmückt oder redet er wie ein „Technokrat“? Weitere Indizien liefert bei Kundenbesuchen das Büro. Stehen in ihm Pflanzen und Bilder von der Familie oder sind in ihm gut sichtbar Zertifikate und Pokale platziert? All diese Faktoren weisen auf einen Persönlichkeitstyp hin. Doch Vorsicht! Sie sind nur Indizien, die es im weiteren Kontakt zu verifizieren gilt.

Nach ein paar Übungen mit Fallbeispielen können die Teilnehmer relativ schnell und treffsicher Erst-Einschätzungen vornehmen, was für ein Typ ihnen gegenüber steht. Walter Kaltenbach erläutert den Verkäufern an einem Beispiel nochmals, was ihnen dieses Wissen nützt. „Angenommen Herr Becker, der ein eher roter Typ ist, möchte dem ‚blauen‘ Herrn Held etwas verkaufen. Worauf sollte er achten?“, fragt der Verkaufstrainer. „Nun, beide sind eher rationale Denker-Typen, nur dass der eine eher impulsiv und der andere eher vorsichtig ist“, stellt Miriam Blume fest. „Und was heißt das für Herrn Becker“, fragt der Verkaufstrainer nach. „Vielleicht sollte Herr Becker, als impulsiver Typ, sein Temperament zügeln und zunächst geduldig die Fragen von Herrn Held beantworten und möglichst alle Aussagen mit Zahlen, Daten und Fakten belegen – am besten schwarz-auf-weiß.“ Timo Held nickt und sagt grinsend: „Sie haben mich durchschaut. Wo ist der Vertrag zum Unterschreiben?“

Den Abschluss typgerecht herbeiführen

Die Teilnehmer erarbeiten auch für die anderen Farbkonstellationen Strategien für das Verkaufsgespräch. Danach leitet Kaltenbach auf das Thema „Abschluss“ über. Denn die vier Kundentypen wollen auch verschieden zum Abschluss geführt werden. Rote Kunden möchten zum Beispiel nicht endlos über alle möglichen, in ihren Augen unwichtigen Dinge schwatzen. Das ist für sie Zeitverschwendung. Entsprechend rasch sollten Verkäufer bei ihnen den Abschluss anstreben. Kaltenbach: „Sagen Sie zu ihnen, dieses Produkt bietet Ihnen diesen Vorteil, das zweite jenen und das dritte folgenden. Wollen Sie das Produkt a, b oder c? Sie werden sehen, wenn Sie ‚roten Kunden‘ die Macht des Entscheidens lassen, sind sie sehr entschluss- und kauffreudig.“

Und welche Abschluss-Strategie ist bei grünen Kunden wie Hans Zimmer angesagt? „Also ich brauche Zeit zum Nachdenken und zuweilen einen Schubs vom Verkäufer“, gesteht der Industriebürsten-Verkäufer. „Sonst entscheide ich mich nie. Und wenn man mir eine Garantie oder eine ähnliche Sicherheit gibt, dann bezahle ich sogar oft ein paar Euro zu viel“, sagt er voller Selbstironie – „eben typisch grün.“ „Nun müssen Sie diese Erkenntnis nur noch auf Ihre Kunden übertragen“, lobt Kaltenbach. „Dann steht mehr und lukrativeren Abschlüssen nichts mehr im Weg.“

*Die Namen der Seminarteilnehmer wurden geändert.

Der Autor: 

Lutz, Andreas2Andreas Lutz ist Print- und Online Journalist bei Die Profilberater.de.

Was ist Ihre Meinung? Schreiben Sie einen Kommentar:

Please enter your comment!
Please enter your name here