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Heutzutage glauben Kunden eher den Botschaften ihres Umfeldes als den oft trügerischen Hochglanzbroschüren der Anbieter am Markt. Zu viele Unternehmen haben in letzter Zeit – getrieben von Renditegier, Kurzfristdenke und/oder Kostenwahn – öffentliches Vertrauen systematisch verspielt. Eine der dringlichsten Aufgaben der nahen Zukunft ist daher die Rückgewinnung des Mitarbeiter- und Kundenvertrauens.

Ein trauriger Befund: Vertrauen verdienen, wenn man die Menschen im Lande fragt, nur noch Wenige. Ausgenommen von dieser Einschätzung: das persönliche Umfeld und die Community-Freunde im Web. Unternehmen hingegen werden misstrauisch beäugt. Überall wittern Verbraucher Betrug.

Ein paar böse Buben haben die ganze Managerzunft in Verruf gebracht. Das ist fatal, denn Unternehmen leben vom Vertrauen ihrer Mitarbeiter und Kunden. „Die Gesellschaft der Zukunft ist zum Vertrauen verurteilt“, schreibt der Philosoph Peter Sloterdijk.

Ohne Vertrauen geht gar nichts

Menschen wollen und müssen vertrauen. Ohne Vertrauen wäre kein einziger Schritt möglich in dieser Welt. Gerade in Zeiten lockerer Bindungen und hoher Komplexität nimmt die Bedeutung von Vertrauen als Basis tragfähiger Beziehungen zu. Dort, wo Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern hauptsächlich per Mail kommunizieren, weil Entfernungen nur noch virtuell überbrückbar sind, verbindet sie vor allem Vertrauen. Vertrauen ist vor allem immer dann unabdingbar, wenn sich Menschen nicht sehen können. Wo die Zeit nicht reicht oder das Wissen fehlt, um eine Sache zu durchleuchten, ist Vertrauen der beste Kitt. Und dort, wo wir von Fremden auf dem globalen Marktplatz Internet kaufen, gibt es nur eine Chance: Vertrauen.

Vertrauen steigert das Tempo, sein feiger Gegenspieler, die kleinliche Kontrolle, verlangsamt es. Weniger Administration bedeutet also mehr Zeit für die Kunden. Aus diesem Grund sind Bürokratien und Hierarchien auf verlorenem Posten. Sie werden den Wettlauf um die Zukunft verlieren. Vertrauen macht Unternehmen kreativ, schnell und gut. Denn für Innovationen und konstruktive Verbesserungsprozesse braucht es den Austausch von Wissen. Mitarbeiter teilen ihr Wissen aber erst dann, wenn sie einander vertrauen. Deshalb können nur in Vertrauenskulturen die ganz großen Würfe gelingen.

Vertrauen ist ein Tauschgeschäft

Vertrauen ist ein Tauschgeschäft, das mit einem Vertrauensvorschuss beginnt. Vertrauen wird also geschenkt im ersten Schritt. Es macht den stark, der diesen Schritt zu gehen wagt. Denn er hat die Angst vor der eigenen Verwundbarkeit besiegt und zeigt damit Selbstvertrauen. Wer vertraut, wirkt vertrauenswürdig. Wer hingegen zu Misstrauen neigt, weckt gleichzeitig Misstrauen bei Anderen. Diese nehmen sich nun selbst in Acht.

Wo Vertrauen fehlt, regieren Unsicherheit und Angst. Vorsicht macht sich weitläufig breit. Und ein Absicherungswettrüsten beginnt. In einer Misstrauenskultur sieht man den Feind um jede Ecke kommen, wittert überall böse Machenschaften und ist permanent auf der Hut. Ein Leben in Dauerstress zu führen und ständig auf der Lauer liegen zu müssen ist sicherlich schlimmer, als gelegentlich enttäuscht zu werden.

Wer also Lebensqualität bei der Arbeit will, sollte den Sprung ins Vertrauen wagen. „Wenn wir andere ängstlich überwachen, überwachen wir uns schließlich selbst, weil die Mauern, die wir für andere bauen, uns schließlich selbst umgeben“, meint Reinhard K. Sprenger in seinem Buch ‚Vertrauen führt‘. Da ist was dran.

Vertrauen erfordert Mut

Vertrauen schenken ist nicht ohne Risiko – doch der Nutzen überwiegt. Damit meine ich natürlich nicht Blauäugigkeit und blindes Vertrauen. Denn blindes Vertrauen ist naiv. Dem wachsamen Vertrauen eine Chance zu geben, das ist klug. Spieltheoretische Analysen weisen übrigens nach, dass am erfolgreichsten mit Anderen zusammenarbeitet, wer zunächst vertrauensvoll in eine Beziehung investiert – und sich danach immer so verhält, wie das Gegenüber. Das bedeutet auch: Je größer das Vertrauen, desto verbitterter reagiert, wer sich getäuscht oder betrogen fühlt.

Vertrauen ist ein zartes Pflänzchen. Es braucht lange zum Wachsen und ist in Sekunden zerstört. Es entsteht durch kleine Schritte der Annäherung und durch ausbleibende Enttäuschungen. Es erwächst aus Vertrautheit, aufgebaut durch Nähe und zwischenmenschliche Gespräche. In Vertrauen steckt trauen: Menschen trauen – und sich selber trauen, neues Terrain zu betreten. Vertrauen wächst durch Wissen und positive Erfahrungen. Geheimnisvolles Getue hingegen, fehlendes Wissen und Verschlossenheit, versteckte Kontrollen und Absprachen in Hinterzimmern zerstören Vertrauen.

Vertrauen ist die Brücke zum Neuland

Vertrauen spart Zeit – und es reduziert Enttäuschungsgefahr. Gerade in turbulenten Zeiten leihen wir deshalb denen unser Ohr, die uns nahe stehen und ihre praktischen Erfahrungen wohlwollend mit uns teilen: verlässliche Empfehler. Empfehlungen sind Vertrauenssache. „Wenn mein guter Freund mir die Marke x empfiehlt, kann ich sorglos zugreifen“, denkt der geneigte Verbraucher und kauft. Empfehlungsgespräche sind immer vertrauensvolle Gespräche. Vertrauen bedeutet, sich auf jemanden – auch unbesehen – verlassen zu können. Vertrautheit festigt Vertrauen.

Vertrauen kann sogar Verstehen ersetzen. Denn Vertrauen ist die Brücke zum Neuland. Wenn wir das sichere Ufer des Bekannten verlassen müssen und uns in die Ungewissheit einer neuen Erfahrung begeben (also bei jedem Kauf), dann hilft uns Vertrauen. Insofern unterstützen uns wohlmeinende Dritte, weil deren ausgestreckte Hand den Zaudernden vertrauensvoll führt. Empfehler sind das Bindeglied zwischen Gewohntem und Ungewissheit. Sie legen die Trittsteine und machen den Weg sicher und frei. Genau deshalb ist empfohlenes Geschäft auch so einfach zu bekommen.

Eine Vertrauenskultur aufbauen

Der Vertrauensbildungsprozess setzt sich aus vielen kleinen Mosaiksteinchen zusammen. Er braucht Fairness, Klarheit, Transparenz, absolute Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und eingehaltene Versprechen. Ohne Verlässlichkeit kein Vertrauen. So sollen Werbung und Verkaufsgespräche zwar inspirieren, aber nicht übertreiben und den Kunden nie nicht täuschen. Auch hohe Mitarbeiterfluktuation ist ein Vertrauenskiller. Denn Vertrautheit kann nicht aufgebaut werden, wenn bei jedem Vertriebsbesuch ein neuer Mensch erscheint – oder wenn sich am Telefon alle zwei Monate eine neue Stimme meldet.

Internes Vertrauen braucht zwar Leitplanken, vor allem aber Spielraum zur individuellen Entfaltung von Eigenverantwortung und Selbstkontrolle. Mitarbeiter, die kein Vertrauen erhalten, können dem Kunden kein Vertrauen vermitteln. Wer aber als Kunde kein Vertrauen spürt, wird nicht vertrauensvoll zugreifen und niemals vertrauensvoll weiterempfehlen. Misstrauische und enttäuschte Kunden sind massive Image- und Umsatzzerstörer. Verdientes Vertrauen – verbunden mit Begeisterung und Spitzenklasse – erzeugt schließlich Kundenloyalität und eine hohe Empfehlungsbereitschaft. Vertrauen ist der Anfang von Allem.

Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt:
Anne M. Schüller
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 gekürt. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus. Ihr neues Buch heißt: Die Orbit-Organisation. Das Buch ist nominiert für den International Book Award 2019.

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