Unternehmen investieren oft viel Zeit und Geld in die Suche hochqualifizierter Fachkräfte. Doch nach deren Ankunft begehen sie gravierende Fehler – mit der Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis vielfach nach der Probezeit endet. Und die Mitarbeitersuche? Sie beginnt von vorne.
Ein Mitarbeiter geht, ein neuer kommt. Für Unternehmen ist dies oft Alltag – für den „Neuen“ nicht. Für ihn beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Entsprechend angespannt ist er am ersten Tag, selbst wenn er seine Unsicherheit meist überspielt. Deshalb ist eine angemessene Begrüßung wichtig. Sie ist Chefsache.
Der unmittelbare Vorgesetzte und bei größeren Unternehmen der „big boss“ sollten sich am ersten Tag ausreichend Zeit für ein Orientierungsgespräch mit dem „Neuen“ nehmen. Nicht nur, um ihm das Gefühl zu vermitteln „Du bist für uns wichtig“, sondern auch, um ihn über
- die Gepflogenheiten des Betriebs,
- die an ihn gestellten Erwartungen und
- seine zentralen Ansprechpartner
zu informieren.
Ein Muss: das Orientierungsgespräch
Solche Orientierungsgespräche finden in vielen Unternehmen nicht statt. Oft beschränken sich die Verantwortlichen darauf, den Neuen sozusagen im Vorübergehen per Handschlag zu begrüßen. Dann soll er loslegen. Meist steckt dahinter kein böser Wille. Vielmehr wird das Gespräch aus Zeitgründen stets verschoben. Und am Ende findet es nie statt. Also kann der Neue nur raten, was dem Betrieb wichtig ist. Entsprechend viele „Fehler“ begeht er, obwohl er eine Fachkraft ist, in der Startphase, und entsprechend schnell entstehen Irritationen bei allen Beteiligten. Deshalb sollte das Orientierungsgespräch möglichst früh geführt werden – notfalls nach Feierabend.
Auf dieses Gespräch sollte sich der Vorgesetzte vorbereiten – unter anderem. indem er sich notiert, worüber er mit dem Neuen reden möchte, und das (Info-)Material zusammenstellt, das dieser braucht. Eine gezielte Vorbereitung ist auch wichtig, weil sich der Mitarbeiter in den ersten Tagen sein Bild darüber formt, was dem Betrieb besonders wichtig ist. Zum Beispiel hinsichtlich der Qualität der Arbeit, Oder im Umgang mit Kunden. Dies beeinflusst sein künftiges Verhalten. Deshalb sollten in der Startphase die richtigen Signale an ihn gesendet werden.
Sinnvoll: ein Einarbeitungsplan
Neue Mitarbeiter brauchen viel Information. Denn sie kennen sie weder die innerbetrieblichen Abläufe und Zuständigkeiten, noch Kunden und Lieferanten. Also müssen sie ihnen genannt werden. Sonst sind sie orientierungslos, und bei Kollegen und Vorgesetzten formt sich schnell das Bild: Eine „Top-Kraft“ ist das nicht. Auf den hätten wir verzichten können.
Aber auch zu viel Information kann das reibungslose Eingliedern erschweren. Manche Betriebe decken neue Mitarbeiter in den ersten Tagen mit so vielen Detailinfos ein, dass diese sie unmöglich speichern können. Die Folge: Der Neue muss immer wieder nachfragen, obwohl es ihm „schon hundert Mal“ erklärt wurde. Dies erzeugt beim Neuen Frust und bei seinen Kollegen das Gefühl: Der ist offensichtlich etwas schwer von Begriff.
Um dies zu vermeiden, sollte für neue Mitarbeiter ein Einarbeitungsplan erstellt werden, in dem definiert ist,
- in welche Arbeitsfelder der Neue wann eingeführt wird,
- welche Infos er dafür benötigt und
- wer ihm diese Infos gibt.
Ein solcher Plan erleichtert die strukturierte Weitergabe der Information. Er ermöglicht es dem neuen Mitarbeiter auch, schnell eigenverantwortlich Arbeitsfelder zu übernehmen. Das erhöht seine Arbeitszufriedenheit. Außerdem sehen seine Kollegen in ihm schneller einen wertvollen Partner.
Fruchtbar: Feedbackgespräche
In den ersten Monaten sollten auch regelmäßige Treffen zwischen dem Neuen und seinem Vorgesetzten stattfinden, bei denen sich beide darüber austauschen,
- welche Erfahrungen der Mitarbeiter bisher bei der Arbeit gesammelt hat und
- was er benötigt, um noch erfolgreicher zu arbeiten.
Solche Gespräche finden in den meisten Betrieben nicht statt. Dabei wären sie für die Unternehmen sehr fruchtbar, denn die Neuen sind noch nicht betriebsblind. Also können sie viele Anregungen für Verbesserungen geben. Deshalb sollte bei diesen Gesprächen in größeren Unternehmen ab und zu auch der „big boss“ anwesend sein – auch um dem Neuen die gewünschte Wertschätzung zu signalisieren. Denn eines sollten sich Betriebe vor Augen führen: Je rarer und somit begehrter eine Fachkraft ist, umso stärker betrachtet sie ihre Probezeit auch als Probezeit fürs Unternehmen. Das heißt: Verfestigt sich in dieser Zeit beim Neuen das Gefühl „Ich habe mich falsch entschieden“, ist er, da er noch nicht emotional ans Unternehmen gebunden ist, sehr schnell zu einem erneuten Arbeitgeberwechsel bereit.
In diesen Gesprächen sollte der „Neue“ auch eine Rückmeldung über seine Leistung erhalten. Denn dann kann er, sofern nötig, sein Verhalten korrigieren, so dass Mängel nicht automatisch zu einem Auflösen des Arbeitsverhältnisses führen. Denn dieser Schritt ist für Unternehmen die teuerste Lösung – vor allem, weil dann die Aufgaben, die der Neue übernehmen sollte, meist liegen bleiben oder nur zeitverzögert erledigt werden. Deshalb sollten Betriebe nicht nur viel Zeit in das Auswählen, sondern auch in das Einarbeiten neuer Mitarbeiter investieren.
Über den Autor:
Hans-Jörg Schumacher arbeitet als Führungskräftetrainer und -berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal.