Dienstleistungsmarketing

Eine mögliche Unzufriedenheit von Kunden früh zu erkennen und auf Beschwerden professionell zu reagieren – das ist für den Erfolg von Anbietern immaterieller Dienstleistungen wie Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern, Ärzten und Therapeuten, aber auch Finanz- und Versicherungsmaklern sehr wichtig.

Alltag in einer Steuerkanzlei. Ein Mandant ruft an und fragt: „Wann senden Sie mir endlich den Quartalsabschluss?“ Oder er klagt: „Für das Erstellen des Lohnsteuerjahresausgleichs haben Sie mir ganz schön viel berechnet.“ Oder er fragt nach: „Warum liegen den Gehaltsabrechnungen nicht die ausgefüllten Überweisungsträger bei?“

Immer wieder rufen bei Dienstleistern wie Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern, Ärzten und Vermögensberatern Kunden bzw. Mandanten an, um ihre Unzufriedenheit zu artikulieren – oft nicht offen, sondern versteckt hinter einer Frage. Dabei kann ihre Unzufriedenheit sich auf völlig unterschiedliche Faktoren beziehen – zum Beispiel darauf, wie der Dienstleister seine Leistung erbringt. Oder auf die berechneten Honorare. Oder darauf, wie der „externe Unterstützer“ seine Kunden betreut.

Vielfältige Erwartungen

Wie entsteht diese Unzufriedenheit? Jeder Kunde hat an eine Dienstleistung eine Vielzahl von Erwartungen – bewusste und unbewusste. Erbringt ein Dienstleister nun eine Leistung für ihn, gleicht er diese Erwartungen mit der tatsächlich erbrachten Leistung ab. Und werden diese Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllt? Dann ist er unzufrieden. Werden sie hingegen übertroffen? Dann ist er begeistert und denkt: Das ist ein toller Dienstleister.

Im Kontakt mit Dienstleistern wie Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtanwälten registriert man immer wieder: Relativ einfach fällt ihren Mitarbeitern der Umgang mit Beschwerden, die sich auf offensichtliche Fehler oder Versäumnisse beziehen – zum Beispiel die Gebühren wurden falsch berechnet. Oder dem Mandanten wurden wichtige Unterlagen zu spät gesandt.

Anders verhält es sich mit Beschwerden, die sich darauf beziehen, wie der Dienstleister seine Leistungen erbringt. Zum Beispiel, dass der Mandant eine intensivere Beratung und Betreuung wünscht – etwa in der Form, dass sein Steuer- oder Rechtsberater ihn persönlich auf Gesetzesänderungen hinweist (und ihn nicht nur mittels eines Mandantenbriefs hierüber informiert). Wenn ein Mandant diesbezüglich seine Unzufriedenheit artikuliert, prallen im Kanzleialltag oft zwei Gefühlswelten aufeinander: die des Mitarbeiters und die des Mandanten.

Häufig ergibt sich dann folgende Situation: Der Mitarbeiter der Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltskanzlei oder Wirtschafsprüfungsgesellschaft ist, wenn der Beschwerdeanruf erfolgt, gerade mit einer anderen Aufgabe beschäftigt und steht unter Stress. Entsprechend reserviert reagiert er, wenn der Mandant seine Beschwerde artikuliert. Und dies spiegelt sich, wenn nicht in seinen Aussagen, so doch in seiner Stimme wider. Dies registriert der Kunde. Und dies kommt bei ihm überhaupt nicht gut an. Denn bevor er zum Telefonhörer griff, überlegte er sich: Soll ich anrufen? Wirkt das kleinlich? Werde ich dann als „Nörgler“ angesehen? Trotzdem griff er irgendwann zum Telefon, weil er zur Überzeugung kam: „Das Verhalten meines Unterstützers ist nicht okay.“ Und nun spricht er zum Beispiel mit dem Kanzlei-Mitarbeiter und seine Befürchtungen bestätigen sich: Die behandeln mich wie einen Bittsteller; dabei bezahle ich die doch für ihre Leistung.

Der Mandant fühlt sich also nicht adäquat behandelt. Entsprechend schnell eskaliert die Situation – nicht unbedingt verbal, aber in dem Sinne, dass sich beim Mandanten das Gefühl verfestigt „Die nehmen mich nicht ernst.“ Also überlegt er sich, zumindest wenn er entsprechende Erfahrungen schon häufiger gesammelt hat: Soll ich den Dienstleister wechseln?

Dienstleister sind Dienst-Leister

Fakt ist: Oft gelingt es den Mitarbeitern von Anbietern immaterieller Dienstleistungen nicht, Beschwerdeführern das Gefühl zu vermitteln: „Die verstehen mich und versuchen ihr Bestes, um mein Problem zu lösen.“ Eine zentrale Ursache hierfür ist: Sie haben nicht ausreichend verinnerlicht: „Wir sind „Dienst-Leister. Und unser Job ist es letztendlich, unseren Mandanten das Leben einfacher, sorgenfreier und bequemer zu machen.“ Zum Beispiel, indem wir gewisse Aufgaben stellvertretend für sie erledigen. Oder weil sie sich um solche Dinge wie „Hoffentlich bekomme ich keine Probleme mit dem Finanzamt, ….“ keine Gedanken mehr machen müssen. Ein Dienstleister, dem diese innere Grundeinstellung fehlt, wird in den Augen seiner Mandanten nie ein guter „Dienst-Leister“ sein. Denn er kann ihnen nicht das Gefühl vermitteln „Sie können sich mir/uns mit Ihren Bedürfnissen anvertrauen“.

Den Kunden dieses Gefühl zu vermitteln, ist jedoch gerade für den Erfolg von Anbietern immaterieller Dienstleistungen wie Steuerberatern, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern sehr wichtig. Denn wie gut beispielweise ein Steuerberater fachlich ist, das können deren Kunden vielfach nicht einschätzen – selbst wenn sie schon jahrelang deren Mandanten sind. Denn um dies beurteilen zu können, müssten sie parallel mehrere Steuerberater beauftragen und die Resultate von deren Arbeit vergleichen. Ähnlich verhält es sich bei allen  Anbietern immaterieller Dienstleistungen.

Worüber sich Mandanten jedoch ein qualifiziertes Urteil bilden können, ist zum Beispiel:

  • Wie zuverlässig hält mein Berater Zusagen ein?
  • Wie viel Zeit nimmt er sich für meine Beratung?
  • Wie professionell wirken die Unterlagen, die er mir sendet?
  • Wie reagiert er auf meine Wünsche und Beschwerden?

Also macht sich an diesen Faktoren auch meist ihr Urteil fest: „Das ist ein guter (beziehungsweise schlechter) Berater“ oder „… Unterstützer“. Entsprechend professionell müssen gerade Anbieter immaterieller Dienstleistungen den Umgang mit Beschwerden gestalten.

Was erwarten Kunden im Beschwerdefall?

Unter anderem:

  • eine gute Erreichbarkeit
  • Aufmerksamkeit
  • Verständnis für ihre Situation
  • eine freundliche und höfliche Behandlung
  • eine Entschuldigung
  • eine fachlich kompetente und verständliche Beratung (kein Fachchinesisch).
  • eine schnelle Erledigung/Lösung ihres Problems (und kein Vertrösten)
  • einen „Kümmerer“ als Gegenüber
  • Wertschätzung
  • eine fachlich kompetente, persönliche Betreuung bis zur endgültigen Lösung ihres „Problems“
  • ein konsequentes Einhalten aller Zusagen (z.B. Termine, Rückruf)

Diesbezüglich besteht bei vielen Dienstleistern Entwicklungsbedarf. Das zeigen Studien immer wieder. Sie zeigen aber auch: Die meisten Kunden artikulieren es gegenüber einem Dienstleister nicht direkt, wenn sie mit dessen Leitung unzufrieden sind. Sie wechseln ihn schlicht, wenn sich bei ihnen (mit der Zeit) ausreichend Unmut aufgestaut hat.

Entsprechend dankbar sollten Dienstleister sein, wenn ein Mandant mehr oder minder offen seinen Unmut artikuliert. Denn damit eröffnet er ihnen die Chance, die Unzufriedenheit aufzulösen und Zufriedenheit wieder herzustellen. Und zugleich signalisiert er ihnen hiermit: „Ich möchte mit Ihnen weiter zusammenarbeiten, wenn….“

Damit auf die Unzufriedenheit kein Abbruch der Geschäftsbeziehung folgt, muss der Dienstleister aus Sicht des Mandanten jedoch adäquat auf dessen Beschwerde reagieren. Dies ist oft nicht der Fall. Das zeigen Kunden- und Mandantenbefragungen immer wieder. Dabei fällt auf: Relativ zufrieden sind die Kunden in der Regel noch damit, wie die Dienstleister fachlich ihre Beschwerden „abwickeln“. Unzufrieden sind sie aber häufig mit der „menschlichen“ Abwicklung – also damit, wie der Dienstleister auf die Beschwerde reagiert und sich gegenüber dem Beschwerdeführer verhält. An diesem Punkt besteht bei vielen Dienstleistern Schulungsbedarf. Sie müssen ihren Mitarbeitern also stärker vermitteln, was „Dienst-Leister sein“ bedeutet; außerdem, an welchen Faktoren Kunden ihre Überzeugung festmachen, ob ein Dienstleister schlecht, mittelmäßig oder sehr gut (und somit empfehlenswert) ist – und zwar nicht nur im Umgang mit Beschwerden.

Über die Autorin:

Letschert, SybilleSybille Letschert arbeitet als Business-Coach sowie Trainerin und Beraterin für das ifsm Institut für Sales & Managementberatung, Höhr-Grenzhausen. Die Versicherungs- und Industriekauffrau ist u.a. auf die Themen auf die Themen Kunden- und Serviceorientierung, effektive In- und Outbound Gespräche und Vertriebsentwicklung spezialisiert.

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