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Wie bewahre ich die rechte Balance zwischen den verschiedenen Zielen? Diese Frage spielt in der Managementdiskussion eine wachsende Rolle. Und zwar unabhängig davon, ob es darum geht, als Manager Unternehmen zu steuern oder als Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit und Lebensfreude zu bewahren.

Wie steuere ich die Entwicklung des mir anvertrauten Unternehmens – und zwar so, dass dieses sowohl kurzfristig, als auch mittel- und langfristig erfolgreich ist? Auf diese Frage müssen alle Top-Manager eine Antwort finden. Deshalb wurden hierfür schon viele Instrumente entwickelt – zum Beispiel die Balanced Scorecard (BSC). In diesem von Robert S. Kaplan und David P. Norton entwickelten System sahen viele Führungskräfte jahrelange das Mittel, um den Erfolg ihres Unternehmens(-bereichs) zu steuern. Denn im Gegensatz zu zahlreichen anderen Managementsystemen, die einseitig den kurzfristigen finanziellen Ertrag betonen, verbindet das BSC-Konzept folgende vier Perspektiven miteinander:

  • Finanzen (Was erwarten die Kapitalgeber?),
  • Kunden (Worauf legen die Kunden Wert?),
  • Prozesse (Wie müssen die Abläufe gestaltet sein?),
  • Mitarbeiter/Entwicklung (Welche Potenziale brauchen wir künftig?).

Kurzfristiges Denken und Handeln dominiert

Die Euphorie, die vor einigen Jahren bezüglich des BSC-Konzepts herrschte, ist heute verflogen. Doch wenn es um das Führen von Unternehmen geht, stößt es immer noch auf eine große Resonanz. Auch aus folgendem Grund: Viele Unternehmensführer – speziell von Kapitalgesellschaften – befinden sich heute in dem Dilemma, dass die Qualität ihrer Arbeit weitgehend an den Quartalszahlen gemessen wird. Weisen Umsatz und Ertrag gegenüber dem Vorjahr keine Zuwachsraten auf, sinken nicht nur die Aktienkurse, auch ihre Kompetenz wird hinterfragt. Folglich orientieren viele

Unternehmensführer ihr Alltagshandeln am kurzfristigen Ertrag – wohl wissend, dass mittel- und langfristig, wenn die nötigen Investitionen zum Beispiel für Produktentwicklung und Markterschließung unterbleiben, die Erfolgschancen ihres Unternehmens sinken.

Wie diesem Dilemma entgehen? Auf diese Frage haben zahlreiche Top-Manager keine Antwort. Deshalb greifen sie nach Managementinstrumenten, die ihnen versprechen, die Zügel wieder in den Händen zu halten. Besonders attraktiv wirken diese, wenn sie wie die Balanced Scorecard alle strategischen Zielsetzungen mit Kennzahlen hinterlegen, die top-down heruntergebrochen werden. Denn dann erscheint die Entwicklung des Unternehmens wieder von oben steuerbar – zumindest in der Theorie!

Anders ist es in der Unternehmenspraxis. Hier lässt sich auch mit der BSC die kurz- und langfristige Entwicklungsperspektive oft nur schwer verbinden. Ein Indiz hierfür: Fast ein Drittel der Unternehmen, die mit der BSC arbeiten, verzichten in ihrer Scorecard auf die Entwicklungs- beziehungsweise Mitarbeiterperspektive, wodurch aus dem Instrument zur Erfolgssteuerung ein Controllinginstrument wird. Die gewünschte Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen erreichen die Unternehmensführer so nicht.

Selbst-Unternehmertum gefragt

Doch nicht nur die Unternehmenslenker haben zunehmend Balance-Probleme – ähnlich verhält es sich mit den anderen Leistungsträgern in den Unternehmen. Auch ihnen fällt es zunehmend schwer, allen Anforderungen gerecht zu werden – weshalb sich das Thema „Work-Life-Balance“ zu einem Standardthema der betrieblichen Weiterbildung entwickelt hat.

So verschieden die Angebote in diesem Bereich auch sind, zwei Kernfragen lauten bei ihnen:

  • Wie gelingt es mir, allen an mich gestellten Anforderungen gerecht zu werden? Und:
  • Wie gelingt es mir, die rechte Balance zwischen meinen beruflichen und privaten Zielen zu wahren?

Der Grund: Vielen Leistungsträgern in den Unternehmen fällt es aufgrund des gestiegenen Arbeitsdrucks und geforderten Flexibilität zunehmend schwer, ihre verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen und (mit ihren Lebenspartnern) langfristige Lebenspläne zu entwerfen. Denn als beruflich stark engagierte Personen sind sie mit ähnlichen Anforderungen wie die Unternehmensführer konfrontiert: Einerseits sollen sie kurzfristig einen möglichst hohen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten, andererseits dafür sorgen, dass langfristig ihre Qualifikation gefragt und ihre Leistungskraft gewahrt bleibt.

Dies setzt nicht nur eine kontinuierliche Weiterbildung und persönliche Weiterentwicklung voraus. Vielmehr gilt es auch, durch eine entsprechende Lebensführung gesundheitliche und psychische Probleme zu vermeiden. Doch auch das regelmäßige Joggen und das Pflegen der familiären sowie freundschaftlichen Bande, die emotionalen Halt vermitteln, erfordern Zeit. Diese Zeit fehlt vielen beruflich stark engagierten Personen immer häufiger.

Deshalb plagt viele Arbeitnehmer zunehmend das Gefühl: Irgendetwas kommt stets zu kurz. Wenn ich versuche, den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, kommen meine Familie und meine Hobbys zu kurz. Wenn ich hingegen meinen privaten Interessen die gewünschte Aufmerksamkeit schenke, werde ich den beruflichen Anforderungen nicht gerecht. Dies ist kein Einzelschicksal. Das zeigt sich darin, dass immer mehr Leistungsträger von Unternehmen über Burn-out-Symptome klagen oder den Wunsch äußern, bereits vor dem Rentenalter aus dem Berufsleben auszusteigen.

Kernkompetenz: Balance wahren

Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Deshalb ist die These nicht gewagt: Die Fähigkeit, die rechte Balance zu wahren, wird sich zu einer Schlüsselkompetenz entwickeln – auf der unternehmerischen und der individuellen Ebene.

Noch gibt es keine Patentrezepte, wie die Balance hergestellt und gewahrt werden kann – hierfür sind neben den Unternehmen auch die handelnden Personen zu verschieden. Deutlich ist aber bereits: Künftig müssen alle beruflich stark engagierten Personen – unabhängig davon, welche Position sie in ihren Unternehmen innehaben – genauer analysieren: Welche Anforderungen werden von außen an mich herangetragen und auf welche will und kann ich reagieren? Sonst werden sie zum Spielball der Kräfte, die auf sie einwirken.

In diesem Zusammenhang gewinnt auch das Thema Persönlichkeit weiter an Bedeutung – denn sie ist ein zentraler Erfolgsfaktor, wenn es um das Wahren der erforderlichen Balance geht. So werden zum Beispiel die Unternehmensführer künftig ein noch stärkeres Rückgrat als bisher brauchen, um sich zumindest teilweise den kurzfristigen Forderungen der (Kapital-)Märkte zu entziehen und ihre eigene unternehmerische Strategie weiter zu verfolgen.

Entsprechendes gilt für alle Arbeitnehmer: Sie müssen eine Lebensvision entwickeln und nach dieser handeln. Das heißt, auch sie müssen lernen, zu Anforderungen, die an sie gestellt werden, mal „Nein“ zu sagen. Sonst ist die Gefahr groß, dass sie mittelfristig „ausgebrannt“ sind und vom Arbeitsmarkt ausgespuckt werden.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

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