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Führungskräfte stehen heute häufig vor der Herausforderung, dass neben der Alltagsarbeit in ihren Bereichen noch Change-Projekte laufen. Deshalb müssen sie zugleich Change-Manager sein. Hierfür benötigen sie spezielle Kompetenzen.

Kompetenz 1: den „Change“ als Normalität begreifen

Die technische Entwicklung schreitet rasant voran; ebenso die (digitale) Vernetzung in den Unternehmen sowie zwischen ihnen und ihrer Umwelt. Deshalb ist das Thema Change, also Veränderung, heute ein Dauerthema im Betriebsalltag. Und die Aufgabe, Changeprozesse zu initiieren, zu managen und zu steuern? Sie hat sich zu einer Kernaufgabe von Führung entwickelt. Dieses Bewusstsein haben viele Führungskräfte noch nicht verinnerlicht. Sie betrachten das Managen von Changeprozessen oft noch als eine Zusatzaufgabe. Deshalb setzen sie bei ihrer Arbeit die falschen Prioritäten – was häufig zu einer realen oder gefühlten Überlastung führt.

Kompetenz 2: mit Komplexität umgehen können

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung müssen Führungskräfte bei ihren Entscheidungen mehr Einflussfaktoren beachten. Trotzdem müssen sie entscheidungsbereit und -fähig sein – selbst auf die Gefahr hin, mögliche Fehlentscheidungen zu treffen. Zugleich müssen sie bereit sein, ihre Entscheidungen zu revidieren – zum Beispiel, wenn sich Annahmen als unzutreffend erweisen oder sich Umfeldfaktoren ändern. Das setzt eine hohe Selbst-Reflektionsfähigkeit und -bereitschaft voraus.

Kompetenz 3: mit begrenzter Planbarkeit leben können

Wie sieht in fünf oder zehn Jahren unser Markt aus? Welche (technischen) Problemlösungen sind dann möglich? Das weiß heute kein Unternehmen. Deshalb haben die Entscheidungen der obersten Unternehmensführer eine immer kürzere Halbwertszeit. Also agieren die Führungskräfte häufiger in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld.

Zudem stehen sie und ihre Bereiche öfter vor Herausforderungen und Aufgaben, mit deren Lösung sie noch keine Erfahrung haben. Deshalb müssen sie sich von der Fiktion verabschieden, komplexe Aufgaben und Changevorhaben seien vom Anfang bis Ende planbar. Stattdessen gilt es, sich mit kleinen, wohl überlegten Schritten allmählich der Problemlösung zu nähern und die Auswirkungen jedes Schritts zu reflektieren, bevor die nächsten ergriffen werden. Das Bewusstsein für ein solch iteratives Vorgehen gilt es auch den Mitarbeitern zu vermitteln; ebenso das Bewusstsein: Pläne sind keine „heiligen Kühe“. Sie müssen „geschlachtet“ werden, wenn….

Kompetenz 4: den typischen Verlauf von Change-Prozessen kennen

In jedem Changeprojekt gibt es verschiedene Phasen. Auf eine Anfangseuphorie folgt oft das „Tal der Tränen“. Zum Beispiel, weil die Mitarbeiter erkennen: Das neue Vorgehen ist schwieriger als gedacht. Führungskräfte müssen die typischen Phasen eines Change-Prozesses kennen  – sonst sind sie völlig überrascht und unvorbereitet, wenn ihre Mitarbeiter plötzlich klagen. Außerdem wissen sie ansonsten nicht, welche Unterstützung ihre Mitarbeiter in den verschiedenen Phasen eines Changeprojekts brauchen.

Kompetenz 5: sensible Kommunikatoren sein

Mitarbeiter reagieren auf dieselbe Information verschieden. Erlebt zum Beispiel der Eine die Nachricht „Wir führen ein neues IT-System ein“ als Herausforderung, ist diese für einen Anderen eine Bedrohung. Entsprechend sensibel sollten Führungskräfte ihre Botschaften verpacken und vermitteln. Sie müssen zudem darauf achten, dass sie ihre Mitarbeiter nicht überfordern – zum Beispiel, weil sie die Informationsflut ungefiltert weitergeben. Außerdem sollten sie mit ihren Kollegen in den anderen Bereichen vereinbaren, welche Infos sie wann ihren Mitarbeiter geben, damit diese keine unterschiedlichen Infos erhalten. Und auf keinen Fall dürfen sie ihren Mitarbeitern Versprechen geben, von denen sie nicht 100-prozentig wissen, dass sie diese einhalten können – selbst wenn die Mitarbeiter sie noch so sehr bedrängen.

Kompetenz 6: Sinn vermitteln und stiften können

Betriebswirtschaftliche Ziele wie „Wir wollen den Ertrag um 10 Prozent erhöhen“ sind zum Steuern von Unternehmen wichtig, doch sie vermitteln den Mitarbeitern keinen Sinn. Also motivieren sie diese auch nicht. Hierfür ist eine Übersetzungsarbeit seitens der Führungskräfte nötig. Zum Beispiel: „Wenn der Ertrag höher ist, können wir mehr Geld für die Forschung ausgeben. Das sichert langfristig die Existenz des Unternehmens und Ihren Arbeitsplatz.“

Wichtig ist, dass der Sinn in einem direkten Bezug zu den betroffenen Mitarbeitern steht; des Weiteren, dass der konstruierte Sinnzusammenhang glaubhaft ist. Auch die Führungskräfte selbst müssen daran glauben. Sonst wirken ihre Aussagen unglaubwürdig – unter anderem, weil dann ihre Körpersprache und ihre gesprochenen Worte divergieren.

Kompetenz 7: die Klaviatur der Akzeptanzbildung spielen können

Mitarbeitern fällt es oft schwer, eine geplante Veränderung die verkündet wurde, zu akzeptieren – auch weil sie an deren Realisierbarkeit zweifeln. Dann stehen ihre Führungskräfte vor der Herausforderung, ihnen zu vermitteln, dass das Erreichen der angestrebten Ziele realistisch ist – selbst wenn sie selbst noch nicht wissen, wie dies möglich ist.

Am einfachsten gelingt ihnen dies, wenn sie ihre Mitarbeiter in das Erarbeiten der Problemlösung integrieren – unter anderem, indem sie ihre Mitarbeiter nicht nur informieren, sondern mit ihnen auch diskutieren; außerdem indem sie sich von ihnen beraten oder die Mitarbeiter gemeinsam Lösungen erarbeiten lassen.

Dabei sollte den Führungskräften jedoch klar sein: Bei komplexen Changevorhaben gibt es stets auch Verlierer; deshalb gelingt es in ihrer Startphase (fast nie) einen Konsens für das Neue zu schaffen. Entscheidend ist es, ausreichend Mitstreiter zu finden, so dass das Projekt voller Energie starten kann. Denn dann können mit der Zeit auch Mitarbeiter, die dem Projekt zunächst abwartend distanziert gegenüber standen, als Mitstreiter gewonnen werden. Und die wenigen Personen, die das Projekt „boykottieren“? Sie sind zunehmend isoliert.

Kompetenz 8: Menschen für Veränderung motivieren können

Insbesondere berufserfahrene Mitarbeiter stehen geplanten Veränderungen oft skeptisch gegenüber – aus fachlichen Gründen. Viele Führungskräfte neigen dazu, solche Bedenken als Ausdruck mangelnder Veränderungsbereitschaft abzutun. Mit der Konsequenz, dass aus den skeptischen Mitarbeitern oft „Widerständler“ werden. Das hat für Projekte meist fatale Konsequenzen, denn die Bedenken der berufserfahrenen Mitarbeiter haben in den Augen ihrer Kollegen Gewicht. Deshalb ist es wichtig, diese soweit möglich ins Boot zu holen – zum Beispiel, indem man sie in das Ausarbeiten möglicher Lösungen integriert.

Zuweilen stecken hinter sachlich begründeten Bedenken aber auch Ängste, gewisse Privilegien oder Besitzstände zu verlieren. Dann gilt es, Konsequenz zu zeigen, indem man den Betreffenden vermittelt: Die Veränderung ist nötig und unumgänglich. Und wer nicht bereit ist, sich auf das Neue einzulassen, zählt mittelfristig zu den Verlierern.

Kompetenz 9: Spezialisten integrieren können

Bei komplexen Changevorhaben sind Führungskräfte meist auf das Spezialwissen von Spezialisten angewiesen – weil ihnen selbst das Know-how zum Entwickeln der Problemlösung fehlt. Deshalb sollten sie nicht nur bereit sein, auf die Empfehlungen der Spezialisten zu hören, sondern diese auch in die Arbeitsteams integrieren. Das erfordert häufig viel Fingerspitzen-Gefühl, denn die Spezialisten wissen meist um die Bedeutung ihres Wissens für den Erfolg. Entsprechend selbstbewusst sind sie, und entsprechend schwierig lassen sie sich zuweilen führen.

Deshalb sollten Führungskräfte ein besonderes Augenmerk auf das Gewinnen dieser Mitarbeiter als Mitstreiter legen. Zum Beispiel, indem sie regelmäßig ihren Rat suchen und ihnen so ihre Wertschätzung signalisieren. Oder indem sie ihren Beitrag zum Erfolg bei Teambesprechungen öffentlich loben.

Kompetenz 10: den energetischen Prozess lenken können

In Change-Projekten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, erlahmt meist irgendwann die anfängliche Aufbruchsenergie – zum Beispiel, weil Erfolge auf sich warten lassen. Dann ist es die Aufgabe der Führungskräfte, Zuversicht zu verbreiten. Ähnlich wie dies angeblich Thomas Edison nach dem 1000sten Fehlversuch, eine Glühbirne zu entwickeln, tat, als ein Mitarbeiter sagte: „Wir sind gescheitert.“ Daraufhin soll Edison erwidert haben: „Nein. Wir kennen nun 1000 Wege, wie man eine Glühbirne nicht entwickeln kann.“

Wichtig ist es in solchen Situationen, dass die Führungskräfte ein attraktives Zielbild haben, das sie ihren Mitarbeitern vor Augen führen können – also eine Vision davon, wie ihr Arbeitsalltag und ihre Arbeitssituation sich gestaltet, wenn die angestrebte Veränderung realisiert ist – verknüpft mit der Frage, ob sich hierfür die Anstrengung nicht lohnt.

Außerdem sollten bei komplexen Changevorhaben immer wieder die Teilerfolge kommuniziert und gefeiert werden. Denn Kulturveränderungen vollziehen sich in Unternehmen oft so langsam, dass die Beteiligten das Gefühl haben „Da bewegt sich nichts“, selbst wenn die Organisation auf einem guten Weg ist.

Über den Autor:

Schwartz, MichaelMichael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens- und Arbeitspraxis (ilea), Esslingen bei Stuttgart, das unter anderem eine Changemanagement-Kompaktausbildung für die Mitarbeiter von Unternehmen anbietet. Der Diplom-Physiker arbeitete vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als Führungskraft und Projektmanager in der (Software-)Industrie.

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