Design Thinking ist ein kreatives Herangehen an die Probleme und Herausforderungen einer mehrdeutigen Welt. Nur wer gelernt hat, empathisch mit Kunden/innen zu werden, Ideen zu generieren, Probleme mittels Prototypen anzugehen und diese umgehend zu testen, kann in unserer schnelllebigen Welt beruflich erfolgreich sein. Wen Design Thinking als menschenzentrierte, iterative, kollaborative Herangehensweise genutzt wird, können auch für die komplexen Fragestellungen unserer Zeit innovative Lösungen gefunden werden.
Warum Design Thinking?
Zahlreiche übergeordnete Entwicklungen wie Digitalisierung und Globalisierung führen dazu, dass wir in einer Welt leben, in der Entscheidungen immer öfter unter sogenannten VUCA-Bedingungen getroffen werden müssen, d.h. unter volatilen (Volatility), unsicheren (Uncertainty), komplexen (Complexity) und mehrdeutigen (Ambiguity) Rahmenbedingungen. Dies betrifft vor allem die Geschäftswelt und damit die darin agierenden Führungskräfte. Welche Herangehensweise, welche Denkhaltung ist notwendig, um in so einem Umfeld erfolgreich zu sein?
Design Thinking, das leider oft als eine weitere Kreativitätsmethode missverstanden wird, kann die Antwort zur Lösung schwieriger Fragen des Managements bzw. der Unternehmensführung sein. Um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu meistern, muss Design Thinking in seiner ganzen Bandbreite verstanden, geübt und verinnerlicht werden – als Denkhaltung (Mindset) rund um die eigentliche Methode und eingebettet in die notwendige innovative Innovationskultur.
Design Thinking ist weit mehr als eine Kreativitätsmethode! Dies ergibt sich alleine schon aus dem Begriff Design, der ein soziales, alltägliches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Phänomen beschreibt. Design ist nicht auf isolierte Artefakte beschränkt, sondern beinhaltet immer auch die gestalterische Tätigkeit, die Umgebung sowie individuelles und gesamtgesellschaftliches Verhalten. Design bzw. „Gestaltung“ muss als bewusste, verändernde Einflussnahme auf die Erscheinung von Dingen und – grundsätzlicher noch – wahrnehmbare Phänomene verstanden werden, mithin als Gestaltung sozialer Praxis. Dieser breite Zugang erklärt die Notwendigkeit der einzelnen Elemente der eigentlichen Design Thinking Methode.
Die Einfühlphase
Die Einfühlphase, auch Empathiephase, ist das Herzstück eines menschenzentrierten Designprozesses. Dabei gilt es, die Menschen im Kontext der Designherausforderung zu verstehen. Es wird versucht herauszufinden, wie sie Dinge tun und warum, welche physischen und emotionalen Bedürfnisse sie haben, wie sie über die Welt denken und was für sie von Bedeutung ist. Wenn man beobachtet, was Menschen tun und wie sie mit ihrer Umgebung interagieren, erhält man Hinweise darauf, was sie denken und fühlen. Diese Erkenntnisse geben die Richtung vor, um innovative Lösungen zu schaffen. Die besten Lösungen ergeben sich aus den vertieften Einsichten in menschliches Verhalten. Folgende drei Herangehensweisen sind zentral, um empathisch zu sein und sich einzufühlen: beobachten – engagieren/“interviewen – schauen und zuhören.
Die Definitionsphase
Das Ziel der Definitionsphase ist es, eine aussagekräftige und umsetzbare Problemstellung zu erstellen – oft als Point-of-view (Standpunkt) bezeichnet. Dies sollte eine richtungsweisende Aussage sein, die sich auf die Einsichten und Bedürfnisse eines bestimmten Benutzers/einer Benutzerin konzentriert. Die Einblicke entstehen aus einem Prozess der Informationssynthese, um Zusammenhänge und Muster zu entdecken. Kurz gesagt, der Definitionsmodus ist „Sensemaking“. In dieser Definitionsphase werden die verstreuten Befunde zu aussagekräftigen Erkenntnissen zusammengefasst. Es ist diese Synthese der Ergebnisse der Empathiearbeit, die den Designdenkern den Vorteil bietet, den niemand sonst hat: Entdeckungen, die genutzt werden können, um die Designherausforderung anzugehen.
Die Ideenfindungsphase
Die in dieser Phase gefundenen Ideen sind sowohl der Treibstoff als auch das Ausgangsmaterial für den Bau von Prototypen und die Bereitstellung innovativer Lösungen für die Benutzer/in. Die Ideenfindung ist die Chance, das Verständnis für den Problemraum und die Personen, für die gestaltet wird, mit der Vorstellungskraft zu kombinieren, um Lösungskonzepte zu generieren. Besonders zu Beginn eines Designprojekts geht es bei Ideation darum, auf eine möglichst breite Palette von Ideen hinzuarbeiten, aus denen man auswählen kann. Auf keinen Fall soll nur eine einzige, „beste“ Lösung gesucht werden. Diese wird später durch Benutzertests und Feedback ermittelt. Verschiedene Formen der Ideenfindung werden eingesetzt. Zum Beispiel nutzt man in einem Brainstorming Synergien in der Gruppe, um wirklich neu Ideen zu finden, indem man auf den Ideen anderer aufbaut. Es gibt andere Ideenfindungstechniken wie Bodystorming und visuelle Synektik. Bei allen ist es zentral, die Bewertung aufzuschieben, d.h. die Ideengenerierung von der Beurteilung zu trennen.
Die Prototypenphase
Der Prototyping-Modus ist die iterative Generierung von Artefakten, die Fragen beantworten sollen, die näher an die endgültige Lösung führen. In der Anfangsphase werden „grobe“ Prototypen (low fidelity) schnell und kostengünstig hergestellt, die nützliche Rückmeldungen bei den Benutzern/innen auslösen können. In späteren Phasen kann sowohl der Prototyp als auch die damit verbundene Fragestellung etwas verfeinert werden. Ein Prototyp kann alles sein, mit dem ein Benutzer/eine Benutzerin interagieren kann – eine Wand aus Haftnotizen, ein zusammengestelltes Gadget, eine Rollenspielaktivität oder sogar ein Storyboard. Idealerweise tendiert man zu etwas, was der Benutzer/die Benutzerin erleben kann, um Emotionen und Reaktionen von dieser Person hervorzurufen. Man verwendet Prototyping vor allem dazu, um Möglichkeiten zu testen. Ein Prototyp sollte beim Testen immer eine bestimmte Frage, aufbauend auf einer dahinter liegenden Hypothese, beantworten. In „niedriger Auflösung“ zu bleiben, ermöglicht es, viele verschiedene Ideen zu verfolgen, ohne sich zu früh auf eine Richtung festzulegen. So verwaltet man den Lösungserstellungsprozess.
Die Testphase
Im Testmodus holt man von den Benutzern/innen Feedback zu den erstellten Prototypen ein und hat eine weitere Gelegenheit, Empathie für die Personen aufzubauen, für die man entwirft. Im Idealfall wird im realen Kontext des Benutzerlebens getestet. Man kann die Benutzer/innen zum Beispiel bitten, ein physisches Objekt mitzunehmen und im Rahmen ihrer normalen Routine zu verwenden. Wenn das Testen eines Prototyps vor Ort nicht möglich ist, kann eine realitätsnahe Situation simuliert werden, indem die Benutzer dazu gebracht werden, eine Rolle oder Aufgabe zu übernehmen, wenn sie sich dem Prototypen nähern. Als Faustregel gilt: Man baut die Prototypen immer so, als ob man wüsste, dass man Recht hat, aber testet so, als ob man weiß, dass man irrt. Testen ist die Chance, die Lösungen zu verfeinern und zu verbessern.
Design Thinking heißt Iteration
Iteration ist eine Grundvoraussetzung für gutes Design. Man iteriert sowohl, indem der Prozess mehrmals durchlaufen wird, als auch innerhalb eines Schritts, indem beispielsweise mehrere Prototypen erstellt oder Variationen eines Brainstormingthemas mit mehreren Gruppen ausprobiert werden. Wenn der Entwurfsprozess in mehreren Zyklen durchlaufen wird, wird der Umfang im Allgemeinen enger, und man wechselt von der Arbeit am umfassenden Konzept zu den differenzierten Details. Der Prozess unterstützt diese Entwicklung jedoch weiterhin.
Der Einfachheit halber wurde der Prozess hier als eine lineare Abfolge dargestellt, aber Entwurfsherausforderungen können durch Verwenden der Entwurfsmodi in verschiedenen Reihenfolgen angenommen werden. Darüber hinaus gibt es eine unbegrenzte Anzahl von Design-Frameworks, mit denen gearbeitet werden kann. Der hier vorgestellte Prozess ist ein Vorschlag für ein Framework. Letztendlich gilt es den Prozess zu seinem eigenen machen und ihn an den eigenen Stil und die eigene Arbeitsweise anzupassen. Der Prozess, der für einen selbst funktioniert, wird dann in der alltäglichen Anwendung verfeinert. Das Wichtigste ist, dass man, wenn man Innovationen übt und praktiziert, eine gestalterische Denkweise entwickelt, die die eigene Arbeitsweise durchdringt, unabhängig davon, welcher Prozess verwendet wird.
Anwendungsgebiete
Die mit diesem Vorgehen einhergehenden Fähigkeiten sind vor allem dort gefragt, wo es in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung zur Veränderung bestehender Geschäftsmodelle und damit zu neuen Managementherausforderungen kommen wird. Dies kann in der produzierenden Industrie, im Dienstleistungssektor oder im öffentlichen Dienst der Fall sein. Überall dort, wo neue innovative Lösungen gefragt sind, bedarf es dieser „Design Thinking“-Denkhaltung. Eine kund/innenorientierte, interdisziplinäre und agile Vorgehensweise, wird immer stärker als Grundvoraussetzung gesehen, um Schlüssel- und Führungspositionen in Unternehmen zu besetzen oder eigene Unternehmen zu gründen.
Über den Autor:
Univ.-Prof. (NDU) Dipl.-Ing. Dr. Christoph H. Wecht, MBA
Christoph Wecht ist seit September 2017 Studiengangsleiter des Bachelorstudiengangs Management by Design an der New Design University (NDU) in St. Pölten, wo er zum Professor für Management berufen wurde. Er ist als Berater, Coach und Vortragender tätig und publiziert wissenschaftliche und anwendungsbezogene Zeitschriftenartikel und Buchbeiträge. Vor seinem Wechsel an die NDU leitete er das Kompetenzzentrum für Open Innovation am Institut für Technologiemanagement (ITEM-HSG) am Lehrstuhl für Innovationsmanagement (Prof. Dr. Oliver Gassmann) an der Universität St. Gallen.
Weitere Informationen über die New Design University (NDU)