Sprache zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht

Vor ein paar Tagen entdeckte ich eine Stellenanzeige. Ein Hotel suchte einen Verwaltungsassistent (m/w/d). Im Büro stellten wir uns die Frage: Was ist d? Ein Schreibfehler oder sucht man in der Schweizer Hotellerie explizit Menschen, die auch Deutsch können? Wir haben uns erkundigt. Es ist tatsächlich das dritte Geschlecht oder eben keines. Wer sich weder als männlich noch als weiblich fühlt, ist divers.

Soweit so gut. Es liegt nicht in meiner Kompetenz, das in Frage zu stellen. Auch eine politische Diskussion soll hier nicht vom sprachlichen oder gar sexuellen Zaun gebrochen werden. Aber was geschieht in der Gender-Diskussion wirklich? Die Sensibilität für eine gendergerechte Sprache, die möglichst alle miteinschließt, tut uns gut. Dieser Diskussion schließe ich mich gerne an. Und wenn Sprache aufzeigt, was man denkt, kann es helfen, sich bewusst zu werden, dass mit „Chef“ halt auch „Chefin“ gemeint ist und diese weibliche Wortvariante verwendet und somit auch explizit gefördert werden sollte.

Das Chef?

Wenn nun aber neben „der Chef“, „die Chefin“ auch noch „das Chef“ dazu kommt, meldet sich mein Sprachgefühl und Sprachgewissen doch zu Wort. Denn was dabei untergeht: Es gibt ein grammatisches Geschlecht (Genus) und ein natürliches Geschlecht (Sexus). Als Genus wird das grammatische Geschlecht eines Nomens bezeichnet. Das kann männlich, weiblich oder sächlich sein. Sexus ist das Geschlecht von Lebewesen. Nur logisch ist, dass das Geschlecht des Wortes nicht immer – und schon gar nicht zwingend – mit dem Geschlecht des Lebewesens übereinstimmen muss. Kann wohl auch nicht. Denn mit „der Säugling“ ist tatsächlich auch ein Mädchen gemeint. Umgekehrt ist „die Geisel“ nicht nur weiblich, da können auch Männer festgehalten werden. Das Neutrum „Kind“ schließt ja dann auch beide ein. „Der Säugling war die Geisel – das Kind litt darunter“ wäre also eine Aussage, in der für ein und dieselbe Person gleich alle Genera verwendet werden.

Ad absurdum!

Wenn Neutrum „Dinge“ beschreiben soll, ist das Durcheinander komplett, wie wir beim genauen Hinschauen feststellen. Es ist wohl das Auto, aber der Opel, die Jahreszeit aber der Winter, die Niederschlagsmenge aber der Regen. Der bekannte deutsche Dichter Reiner Kunze meinte vor kurzem, dass Sätze wie „Frauen sind eben doch die besseren Zuhörer“ überhaupt nicht mehr formuliert werden könnten, da die gendersprachlich korrekten Versionen „Frauen sind eben doch die besseren Zuhörerinnen“ oder „Frauen sind eben doch die besseren Zuhörerinnen und Zuhörer“ ad absurdum geführt werden könnten.

Wurzeln des Genus und Sexus respektieren

Und so sei es: Sensibilität tut gut und durch die eine oder andere bessere Formulierung gewinnt nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Sprache. Der Ausbildungsabschluss „weiblicher Koch“ gehört wirklich nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Gleichwohl sollten auch die unterschiedlichen Wurzeln von Sprach- und Menschen-Geschlecht respektiert werden, auch wenn sie zufälligerweise halt beide mit Neutrum „das Geschlecht“ bezeichnet werden. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Tag (m), ein wunderbares Wochenende (n/d) oder eine erholsame Mittagzeit (w).

Über den Autor:

Stefan HäseliStefan Häseli regt als internationaler Speaker dazu an, wirkungsvolle Kommunikation im Alltag mit Spaß zu erleben. Der 5-Sterne-Redner ist Autor zahlreicher Bücher und Kolumnen. Als Business-Comedian präsentiert er Absurditäten aus den Management-Etagen mit feinsinnigem Humor.

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