Der personalintensive Dienstleister „Krankenhaus“, egal ob kommunal oder privat, unterliegt derzeit einem herausfordernden Wandel. Die erforderliche Entwicklung neuer Strategien ist in vielen Häusern voll im Gange. Mit den neuen Strategien wird versucht die vorhandenen (Personal-) Ressourcen ökonomisch und prozessorientiert einzusetzen, dem gestiegenen Bedarf an wettbewerbsfähigen Gesundheitsleistungen nachzukommen und dem steigenden ökonomischen Druck entgegenzuwirken.
Die Krankenhausstudie von Roland Berger 2017 und 2018, die 500 deutsche Krankenhausanstalten befragte, gibt Aufschluss darüber, dass
- 60% der befragten Krankenhäuser aktuell intensiv an der Verbesserung ihres Ergebnisses arbeiten.
- die Befragten die größten Ergebnisverbesserungspotentiale in der strategischen Ausrichtung sehen.
- die Krankenhäuser jedoch mit dem Erfolg ihrer Ergebnisverbesserungsmaßnahen unzufrieden
- die überwiegende Mehrheit der deutschen Krankenhäuser also deutliches Verbesserungspotential bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen
Daraus ergeben sich zwei maßgebliche Fragen:
Warum werden strategische Ziele nicht ausreichend umgesetzt?
Wie können Ergebnisverbesserungsmaßnahmen zufriedenstellend umgesetzt werden und gleichzeitig die Nebenwirkungen von Veränderungen minimiert werden?
Im Folgenden die praxisbezogene Beantwortung der Fragen und die Beschreibung der jeweils zu erwartenden Nebenwirkungen. Im Anschluss wie der Einsatz eines „Change Agents 4.0“ unterstützt, die dringend erforderlichen Maßnahmen erfolgreich und gewinnbringend umzusetzen.
Warum werden strategische Ziele nicht ausreichend umgesetzt?
Die neuen Strategien sind verabschiedet, unabhängig davon, ob es sich um eine Bedarfs- und Leistungsanpassung in der Region, die Bildung von Kompetenzzentren, den Ausbau von stationären Erlösen oder um den Abbau von wenig gewinnbringenden Stationen handelt.
Zu diesem Zeitpunkt sind meist die Strategieberater bereits außer Haus und in der praktischen Umsetzung sind Führungskräfte und Mitarbeiter alleine gelassen.
Ich sehe in der Praxis drei wesentliche Treiber, die das Umsetzen der gewünschten neuen Strategien erschwerten bis hin zur Gänze verhindern. Diese drei Treiber sind eng miteinander verknüpft und jeweils einzeln sowie im Zusammenspiel Auslöser dieses korrosiven Prozesses.
- INEFFIZIENTE FÜHRUNG – durch die steigenden Anforderungen an Führungskräfte zur Bewältigung der Komplexität der Veränderungen
- INEFFIZIENTES PROZESSMANAGEMENT – durch das Aufrechterhalten bestehender Prozesse sowie Arbeitsabläufe und fehlende Mittel zur Digitalisierung
- PERSONALMANGEL – durch Facharbeitermangel sowie fehlender Mitarbeiterbindung und Motivation
INEFFIZIENTE FÜHRUNG
Die faktenorientierte Kommunikation der neuen Strategien und der bevorstehenden Veränderungen „Top-down“ durch Vorgaben des Managements, ist für Mitarbeiter nicht ausreichend nachvollziehbar. Sie werden oft als Androhungen interpretiert und lösen bei den Mitarbeitern Stress und Widerstand aus. Das interprofessionelle Zusammenspiel der Führungskräfte aller Hierarchien ist erforderlich, um den bevorstehenden Wandel zu bewältigen.
Zu den klassischen Aufgaben einer medizinischen Führungskraft gehört nach wie vor die Sicherung des pflegerischen und medizinischen Qualitätsstandards mittels der eigenen Fachexpertise – Führungsaufgaben liegen meist außerhalb der Kernkompetenz. Führungskräfte der mittleren Führungsebene sind in den Krankenhäusern bis zu 90% operativ tätig. Es bleibt kaum Zeit für Managementaufgaben, die jedoch zur Umsetzung der komplexen Veränderungen unabdingbar sind.
Dem mittleren Management wie Chefärzten, Stationsleitungen und Oberärzten fällt jedoch künftig eine ganz besondere Rolle zu, denn nur sie können in ihren Stationsteams unterstützend mitwirken, dass die erforderlichen Maßnahmen entwickelt, verstanden und sinnvoll in den täglichen Arbeitsablauf integriert werden. Oft sind medizinische und pflegerische Führungskräfte durch schwierige und sehr komplexe Führungssituationen überfordert. Führung erfolgt meist erst dann, wenn bereits Probleme und Konflikte auftreten oder vorgegebene Ziele nicht erreicht wurden. Das ist nicht nur zu spät, sondern erschwert die Führungsaufgaben ungemein und bindet zusätzliche Ressourcen der pflegerischen und medizinischen Kernkompetenz.
Die Nebenwirkungen, wenn der Komplexität der Führungsaufgaben nicht nachgekommen werden kann sind unter anderem:
- zunehmender Widerstand
- zunehmende Konflikte in und mit Teams
- die interprofessionelle Zusammenarbeit nimmt ein jähes Ende. Pflege und Ärzte ziehen sich innerhalb ihrer Berufsgruppe zurück
- sachliche Argumente treten in den Hintergrund und Emotionen kochen hoch
- vermehrte Krankenstände
- Abwanderung von hoch qualifiziertem Personal.
INEFFIZIENTS PROZESSMANAGEMENT
Prozessmanagement ist ein breit gefächertes und sehr relevantes Thema bei der Zukunftsorientierung von Krankenhäusern. Es erstreckt sich von standardisierten Behandlungspfaden bis hin zum effizienten Bettenmanagement, der ressourcenorientierten und zeitnahen Verarbeitung von Daten aller Art, der Lagerhaltung und vielem mehr.
Hier werden lediglich zwei Aspekte näher beleuchtet, die in enger Interaktion zum Thema Führung und Personal stehen.
2.1. Stationsinterne und übergreifende Prozesse und Arbeitsabläufe
In der traditionellen Organisation „Krankenhaus“ finden sich Mitarbeiter, ins besonders in der Pflege, die fest an ihrer Ordnung und ihren Arbeitsabläufen festhalten. In der mehr als hektischen Krankenhauswelt gibt dies Sicherheit und ermöglicht den Arbeitsalltag zu bewältigen, wobei jedes Stationsteam seine eigene Dynamik, eigene Spielregeln und eine eigene „Binnenkultur“ hat.
Fragile Teams, jene die hohen Routinen folgen und täglich wiederholende Tätigkeiten haben, reagieren hoch sensibel auf Impulse von außen. Veränderungen werden als Störung wahrgenommen und destabilisieren nicht nur die einzelnen Pflegekräfte, sondern auch die geschaffenen Beziehungen in den Teams.
Die darauffolgenden Reaktionen sind für Führungskräfte oder ein nicht-Teammitglied oft nicht nachvollziehbar. Spätestens hier wird der Ruf nach mehr Personal laut, denn Teams mit einer Krankenstandrate von 50% sind keine Seltenheit.
Neue Strategien bedingen unweigerlich neue Prozesse und Arbeitsabläufe, die den Patienten und dessen Angehörige in den Mittelpunkt stellen und die die Pflege von artfremden und administrativen Tätigkeiten entlasten. Neue innovative Prozesse müssen von innen heraus gestaltet werden, denn wer kennt die Patientenbedürfnisse besser als die Pflege?
Dazu braucht es jedoch Raum, Zeit, klare Führung, einen vorgegebenen Rahmen und konsequente IT-Unterstützung.
2.2 Fehlende Mittel zur Digitalisierung
In der Krankenhausstudie von Roland Berger 2017 wurde der Umsatzanteil der IT – Ausgaben ermittelt. Bei 91% der Häuser ist dieser geringer als 2%. Eine konsequente IT – Unterstützung um Ärzte und Pflege zu entlasten und innovative Prozesse digital zu unterstützen erscheint mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln kurzfristig unrealistisch.
Die Nebenwirkungen, die durch das Aufrechterhalten bestehender Prozesse und Arbeitsabläufe sowie fehlender Mittel zur Digitalisierung entstehen, sind:
- Überforderung des Pflegepersonals
- Überforderung der Führung
- Störungen und Konflikte in den Stationsteams
- Leistungseinbrüche
- höhere Fehlerquoten
- vermehrte Patientenbeschwerden
- vermehrte Krankenstände
- Abwanderungen von hoch qualifiziertem Personal
- Kernkompetenz von Ärzten und Pflege wird weiter durch artfremde und administrative Tätigkeiten geblockt
- Innovationsstau in den Pflegeabläufen
PERSONALMANGEL – Facharbeitermange sowie fehlende, Mitarbeiterbindung und Motivation
Personalmangel in der Pflege und bei Ärzten, die im stationären Betrieb arbeiten wollen, ist derzeit in aller Munde. Es gibt unzählige Maßnahmen und Bemühungen einer weiteren Verschlechterung der Situation entgegen zu wirken und den „Arbeitsplatz Krankenhaus“ wieder attraktiv zu gestalten.
Jedoch ist da noch ein Aspekt: Der Arbeitnehmer hat derzeit die Wahlmöglichkeit!
Junge und qualifizierte Pflegekräfte und Ärzte sind gut vernetzt. Ist die Reputation eines Hauses angeschlagen, herrschen Konflikte und Abwanderung, so finden sich diese (oft sehr emotionalen) Informationen nahezu zeitgleich auf Facebook, Twitter & Co.
In Krankenhäusern, wo die beschrieben Nebenwirkungen bereits zur Hauptwirkung geworden sind, wird es künftig immer schwieriger werden, qualifiziertes Personal anzuwerben.
Gute Mitarbeiter an das Haus zu binden, Abwanderungen und Leistungseinbrüche zu verhindern und alles zu tun, um ein demotivierendes Umfeld zu verhindern, ist ein wichtiger Aspekt.
Wie können Ergebnismaßnahmen gewinnbringend umgesetzt und gleichzeitig die Nebenwirkungen von Veränderungen minimiert werden?
Der Change Agent der 90er Jahre
Der Begriff des „Change Agents“ tauchte bereits im Jahr 1994 auf, nämlich in einem sehr ähnlichen Kontext.
Firmen in den USA ließen untersuchen, warum Veränderungen in der Unternehmenspolitik so selten erfolgreich vom Management bis hin zu den Ausführenden durchdringen konnten und wie die rühmlichen Ausnahmen zu erklären waren. Dabei fielen Personen innerhalb des Unternehmens auf, die ohne Auftrag und ohne spezielle Kompetenz in der Lage waren, „aus der zweiten Reihe“ etwas zu bewegen, die „Option Leaders“.
In den darauffolgenden Jahren setzte sich in der Beraterlandschaft das Verständnis von Change-Agents als Mitarbeiter des Unternehmens durch. Sie fungierten als Vermittler und Botschafter im eigenen Unternehmen und wurden meist von den Beraterfirmen berufen.
Der Change Agent 4.0 Externer Treiber des Wandels
Die Zielsetzung eines Change Agents laut WIKIPEDIA ist:
„… das Zustandekommen und die Nachhaltigkeit von Entscheidungen und ihrer Umsetzung auf psycho-sozialer Ebene abzusichern. So bewirkt er die Identifikation der Beteiligten und Betroffenen mit deren eigenem Verhalten, gibt ihnen Zuversicht in ihr eigenes Können und in die Lösbarkeit der Aufgabe und verleiht ihnen Zuversicht mit den eigenen Anteilen an dem Entwicklungs-bzw. Veränderungsprozess.“
Übersetzt in die Welt der Krankenhäuser würde dies bedeuten, dass genau bei den Themen anzusetzen ist, die die Umsetzung der Ergebnisverbesserungsmaßnahmen erschweren und zu unkontrollierten Nebenwirkungen führen.
Ein Change Agent 4.0 unterstützt:
- in schwierigen Führungssituationen
- bei der Erarbeitung innovativer Prozesse
- die Potentiale in Teams zu heben
- stagnierende Prozesse wiederzubeleben
- Führungskräfte und Mitarbeiter in Situationen von Widerstand und Konflikten zu begleiten
- vermittelnd zwischen den Hierarchien und Berufsgruppen
- bei der Ideenfindung die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit zu sichern
- bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung und -motivation
Der Change Agent 4.0 ist weder als klassischer Berater zu verstehen, noch als klassischer Trainer oder Coach.
Er hat vielmehr die Rolle eines neutralen Dolmetschers und Vermittlers, der mit hoher sozialer Kompetenz und guter Kenntnis der jeweiligen Krankenhauslandschaft lediglich dort in Aktion tritt, wo durch Unterstützung oder Deeskalation eine Entlastung der Situation erforderlich ist oder die Durchlässigkeit der Prozesse gefährdet scheint.
Der Gehirnforscher Joseph LeDoux sagte einmal.“ Emotionen sind mächtige Motivatoren künftigen Handelns“. Der Change Agent 4.0 verbindet konstruktiv Sach- und Beziehungsebene.
Er muss in der Lage sein, Prozesse zu steuern, Ziele und Fakten klar zu vermitteln, konstruktiv mit Emotionen umzugehen und Feedback in allen Hierarchieebene zu installieren. Gleichzeitig sicher und kompetent in der Rolle des Mediators, Coaches oder Trainers auftreten, wo dies als sinnvoll und zielführend erscheint.
Der zu erwartende Gewinn durch den Einsatz eines Change Agents 4.0
- Die Durchdringung der Veränderung erfolgt schneller
- Ergebnisverbesserungsmaßnahmen können umgesetzt werden
- best mögliche Akzeptanz der Betroffenen gegenüber den notwendigen Veränderungen
- Deeskalation in schwierigen Situationen in und mit Teams
- professioneller Umgang mit Sach-und Beziehungsebene
- Laufendes Feedback um erforderliche Kurskorrekturen zu ermöglichen
- Reduktion der Komplexität der Führungsaufgaben
- Aufrechterhaltung des Arbeitsklimas auf den Stationen und somit Reduktion der Krankenstandraten und möglicher Abwanderungen
- neutraler und vermittelnder Blick auf den Prozessverlauf
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Begleiten der Umsetzungsmaßnahmen durch einen externen Change Agent 4.0 das erforderliche Verbesserungspotential bringt, die strategischen Ziele durchdringend und zufriedenstellend umzusetzen.
Über die Autorin:
Andrea Langhold ist spezialisiert auf ganzheitliche Potentialentwicklung von Führungskräften und Teams. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Konfliktberatung, Supervision und Moderation von Teams, Führungskräften und Personen in herausfordernden Situationen.
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